David Meili, 25. Oktober 2009, 10:59 Uhr

Lusttempel auf der Frontpage, Auge in Auge mit Stiefelwerfern und MuKi Mode

Pressespiegel zum Wochenende vom 24./25. Oktober 2009
091026_bumsalpWas ein einziges Bild bewirken kann, erfuhr die Redaktion des Zürcher Oberländer/Anzeiger von Uster mit der Ausgabe der Landzeitung vom Donnerstag. Top-Story war die Eröffnung des neuen Etablissements „Bumsalp“ in Dübendorf unter der Headline „Dreieck der Lust wird noch grösser„, illustriert durch Damen in einer Art Dirndl.

Der Kommentar der Redaktion in der Ausgabe vom Samstag lässt eher auf Unbedarftheit als auf Absicht schliessen. Kein Beitrag in den vergangenen Jahren hatte derart viele Reaktionen  ausgelöst und selbst auf der sonst kaum beachteten Internet-Site zo-online.ch einige Hits bewirkt. Heute Sonntag findet man nur noch den unverlinkten Kommentar auf dem Netz. Einträge auf der Site sind nicht mehr möglich oder wurden gelöscht. Der Landzeitung ist die Angelegenheit offensichtlich zu peinlich geworden.

Mit Leser/innen aus evangelikalen Kreisen, die in Einzelfällen umgehend das Abonnement kündigten, meldeten viele besonnenen Bürger Zweifel an dieser Art Journalismus an. Andere bezeichneten den Beitrag, der käuflichen Sex als Lifestyle-Trend suggeriert, schlicht als geschmacklos. Dieser Auffassung schliessen wir uns an (inbegriffen die vom Betreiber auf die Frontpage gebrachten Bilder). Wie man das Thema journalistisch vertretbar aufarbeiten kann, beweist der Beitrag von Roman Seiler im SonntagsBlick auf Seiten 28 und 29.

judasWenig Geschmack zeigt auch sonntag.ch. Die auf Seiten 2-3 angepriesene „Sensation“ des Judas-Evangeliums war bereits 2005, wie auch im Beitrag erwähnt, durch National Geographic in der Weltpresse. Dass man Seiten übergreifend einen kitschigen Erlöser am Kreuz aus dem Bestand einer Billigagentur im wahrsten Sinne des Wortes als Aufhänger braucht, grenzt an Blasphemie.

leuthard_545pxChefredaktor Patrick Müller äussert sich auf sonntag.ch zu den Medien- und Fotothemen der Woche. Das Plakat der Jung-Sozialisten zur Abstimmung der Waffenausfuhrverbots-Initiative bezeichnet er als Grenzüberschreitung. Tatsächlich ist die Fotomontage unserer Volkswirtschaftministerin Doris Leuthard mit blutigen Händen Geschmacksache.

Das Gleiche gilt für weitere, eher bemitleidenswerte Plakatschöpfungen der Befürworter der Anti-Minarettinitiative. Müller warnt eindringlich vor der Verrohung durch visuelle Aussagen. Paradox: Auf der Medienseite von sonntag.ch rühmt Müller Bild über den Klee. Zugleich gibt er sich als Insider beim Blick aus, was den Relaunch betrifft. Dass ein grosser Teil der Auflage des  „neuen“ Blick von gestern Tag für Tag gebündelt neben jedem Kiosk liegt, gelangt nicht bis in die Chefetage in Aarau.

Völlig missglückt sind auch Fotokompositionen in der Konsumgüterwerbung. Blick am Sonntag zeigt auf Seite 2-3 ein Inserat  für den Ford Mondeo. Dominiert wird die Anzeige durch einen „Gutschein“ für die Verschrottungprämie für (!) einen Ford Mondeo.  Künstlerpech auch jenseits der Politik.

olma_regina_kuehneAls Fachjournalist steht man oft mitten in Ereignissen unserer kleinen Welt, z.B. wenn Bundespräsident Hans-Rudolf Merz bei der Eröffnung der OLMA das Säuli küsst. Die Kamera kann man ruhig im Auto lassen, wenn der Veranstalter hervorragende Fotografinnen (wie Regina Kühne, Bildnachweis) organisiert und Agenturen präsent sind. Man will den Kollegen der Bildpresse gerne etwas vom stets kleiner werdenden Kuchen überlassen.

So blieb auch an der 6. Olympiade der Bergkäse in Saignelégier die Kamera im Auto. Es regnete in Strömen. Die diskrete Präsenz von Polizeigrenadieren verwies auf die Ankündigung der Milchbauern von UNITERRE. Sie wollten der Volkswirtschaftsdirektorin wieder einmal gründlich die Meinung zu sagen. Eingeleitet wurde der „Dialog“ durch den Wurf von Gummistiefeln in Richtung des Rednerpults, von der Bundesrätin sachlich und souverän gekontert.

Mit dem Abbruch der Veranstaltung verlief sich die Szene. Dann hätte ein guter Reporter den Protagonisten, soweit noch ansprechbar, nachgehen sollen. Regen, Nebel, Schnaps und die einbrechende Dämmerung…, – und die Kamera blieb im Auto. Im SonntagsBlick auf Seite 12 wird die Kampagne von UNITERRE 1:1 und ohne jegliches Fachwissen übernommen. Karl-Heinz Hug durfte einen der Stiefelwerfer in Szene setzen. Der wurde ausgeschnitten und auf eine alte Foto von seinem sonnenbeschienen Hof montiert. An diesem Tag hat es nur geregnet.

SCHWEIZ OLYMPIADE DER BERGKAESEWas die Medien nicht publizierten: Bilder von der Prämierung der weltbesten Bergkäse am gleichen Nachmittag in der historischen Klosterkirche von Bellelay. Auch hier war Doris Leuthard präsent, nur wurden keine Stiefel geworfen. (Aufnahme Marcel Bieri, zvg durch die Eventorganisation)

Betrand Cottet präsentiert im Magazin zum SonntagsBlick Aufnahmen aus dem Alltagsleben von Franz Weber. Geschmack des Umweltschützers und der des Fotografen sind wohltuend anders, als was am Zürichsee zur Zeit Mode ist. Blättert man eine Seite zurück, entdeckt man Brigitte Bardot, die sich immer wieder in seinen Projekte  engagiert hat.

Fotos hängen keine in der Wohnung von Franz Weber, lediglich einige Oelschinken aus der Romantik, vermutlich in Kopien des Zwanzigsten Jahrhunderts. Hoffen wir, dass der frühere, weitgereiste People-Journalist Franz Weber seine fotografischen Erinnerungen irgendwo versteckt hat und sie uns eines Tages doch noch offenbart.

091025_sigurdWenn man den IC verpasst, nimmt man sich Zeit, um wieder einmal die Nase in eine Publikation zu stecken, die man schon lange nicht mehr berücksichtigt hat. Die Ausgabe 19/09 der annabelle ist durchaus unterhaltsam. Da stösst man auf die Modereportage von Alexandra Kruse mit Aufnahmen von Sigurd Grünberg im Hotel Baur au Lac in Zürich. Mutter und Tochter bekleiden sich ähnlich und doch kompementär. Zur Klärung folgt auf Seite 124 ein Making-of.

Wir wissen nun tatsächlich, dass Leone Axselson die leibliche Tochter des Models Kathrin Bishop ist. Mami hat man auf alt, die Teenie auf jung geschminkt. Nur der Papa der beiden fehlt. Vielleicht kratzt er in seinem letzten Hemd die Moneten für den aufwendigen Lebensstil seiner Liebsten am benachbarten Paradeplatz  zusammen.

Ein Kommentar zu “Lusttempel auf der Frontpage, Auge in Auge mit Stiefelwerfern und MuKi Mode”

  1. Liebe/r VerfasserIn des Sonntagsspiegel
    Besten Dank für die stete Blattkritik am Wochenende. Ihr Photoranking wird in der Berufsfotografen- und Bildredaktorenszene sehr gerne angeschaut und man diskutiert auch darüber.
    Eine kleine Korrektur gibts aber von meiner Seite her: Der Stiefelwerfer ist 1:1 gedruckt worden, wie ich Ihn fotografiert habe, nix mit Fotomontage , das Wetter war sensationell und ich hab den Herrn seitlich, entfesselt aufgeblitzt.
    Ich freue mich auf den nächsten Sonntag, bis bald
    Karl-Heinz Hug http://www.petit-vivy.ch

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