Urs Tillmanns, 28. Oktober 2009, 16:00 Uhr

Gastkolumne: Was kosten Granit-, Gletscher- und Gipfelszenen?

Müssen auch wir künftig dem Staat einen Obulus entrichten, wenn wir im Wald fotografieren gehen? In Österreich ist das so! Was tun, wenn die helvetischen Politiker plötzlich finden, sie müssten unsere östlichen Nachbarn nachahmen?

Die Verrechtlichung unseres Alltags geht munter weiter, wohl nach der Devise: Warum auch einfach, wenn es kompliziert auch geht? Das hat mit den Juristen zu tun, die mittlerweile in allen Firmen und Verwaltungen Spitzenpositionen besetzen. Einige davon haben offensichtlich nicht sehr viel zu tun und machen sich dann Gedanken, was sie denn heute regeln oder verordnen könnten. Dabei kommen sie meist auf abwegige Gedanken.
Das jüngstes Beispiel stammt aus unserem touristischen Nachbarland Österreich. Hier hat die oberste Waldbehörde kürzlich verlauten lassen, Fotografen und Filmer würden künftig angezeigt, wenn sie «unerlaubt auf Bundesforste-Gebiet Fotos machen oder Filme drehen». Pro Tag sind umgerechnet zwischen 500 und 1000 Franken Nutzungsgeld zu bezahlen plus rund 120 Franken pro Antrag. Kein Witz!

Als daraufhin die Fotografenszene lautstark protestierte, krebsten die seltsam argumentierenden Juristen zurück, aber nur teilweise: Wer privat Wald und Wiesen, Gletscher und Gipfel fotografiert, darf dies kostenlos tun. Auch der aktuelle Journalismus aller Art über Brauchtum, Religion und dergleichen, sei von Gebühren befreit – sofern es sich nicht um kommerzielle Grossproduktionen handle.

Tja, was heisst das nun auf unser Land übertragen? Ich denke da zum Beispiel an die Toblerone, die ganz offensichtlich ein stilisiertes Matterhorn als Markenzeichen nutzt. Oder an Schweiz-Tourismus, die seit Jahren und erfolgreich mit Gletschern und Gipfeln wirbt. Was bezahlt die Organisation den Besitzern des Elsig-, Rot-, Weiss-, Schwarz-, Gross- und Einshorns? Oder den Eigentümern des Rhonegletschers, so-lange es ihn noch gibt?

Hinter solchen abstrusen Vorstellungen stecken Persönlichkeits- und Eigentumsrechte, die bis ins Extrem ausgelegt werden. Immer häufiger rempeln mich unbekannte Landsleute beim Fotografieren an mit dem Spruch «Händ Si e Bewilligung?» Ich wartete auf schönes Streiflicht auf einer Hausfassade in einer Strassenszene. Bisher ging ich davon aus, der öffentliche Raum – Häuser, Plätze, Dörfer, Kirchen, Fabriken, Strassen, Landschaften – gehöre zum Allgemeingut. Nichts da, herrschte mich ein operettenhaft uniformierter Portier an, als ich mit der Kamera ein protziges Bankenportal anvisierte. Er wollte gleich einen Vorgesetzten rufen, als es mir doch noch gelang, ihm den öffentlichen Raum zu erklären. Gewiss, wenn es um prägnant abgebildete Personen bei Foto- und Filmaufnahmen geht, muss man deren Einverständnis einholen. Aber nicht bei Bäumen und Bergen, Dörfern und Tälern, Flüssen und Seen, auch nicht um die Kasse des örtlichen Verschönerungsvereins zu füllen. Landschaft ist Allgemeingut.

Herzlich, Henri Leuzinger

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