David Meili, 15. März 2010, 11:00 Uhr

Neues vom Newsroom, Peter Bichsel, und Rita Fuhrer im Pelz

Pressespiegel zum Wochenende vom 13./14. März 2010
Die Redaktion des einzigen Boulevardmedium für die Deutschschweiz,  Blick blickt auf eine Woche Erfahrung mit dem Newsroom zurück. In der Zwischenzeit hat persoenlich.ch auch die „Dreizehn Gebote“ für eine fruchtbare Zusammenarbeit in der neuen Struktur ausgeplaudert. Bemerkenswert: Primeurs sollten immer möglichst rasch und prioritär Online publiziert werden.
(Im Bild: CEO Ringier Schweiz Marc Walder)

Man kann sich vorstellen, dass sich alte Hasen mit diesem System schwer tun. Im Recherchier-Journalismus überlebt man, wenn man Wissen hat, das man nicht teilen muss. Immerhin halten die Spielregeln beim Blick  fest, dass der Zuträger einer Story in der „Byline“ erwähnt wird, wenn er den Input in den Newsroom geliefert hat.

Um dem Leser einen Einblick in den Newsroom zu geben, stellen ihn Peter Hossli und Karl-Heinz Hug im magazin zum Sonntags Blick mit faszinierenden Panoramen dar. Man entdeckt den Chef in ironischer Pose und das Topmanagement, wie es zügig den Room durchschreitet. Die Szene wirkt irreal, wie etwas von Atlanta in Zürich. Und wie von Hug zu erwarten, sind die Aufnahmen in hervorragender Qualität und technisch „state of the art“ der digitalen Reportagefotografie (keine Reflexe, kein Moiré).

Ein „alter“ Fuchs wie Ralph Donghi dürfte sich von der neuen Schule nicht stark beeindrucken lassen. Er hat die Boulevard-Geschichte der Woche in Folgen aus dem Ärmel geschüttelt, mit eigenen Bildern illustriert und die Mutter des Beifahrers eines Autorasers ans Krankenbett begleitet. Handfeste Geschichten aus dem Aargau sind immer noch viel stärker als alle Elaborate, die im Grossraumbüro entstehen.

Doch nicht jedes „Business is local“. Mit Ankündigungen von Entlassungen der Mitarbeitenden per Ende April 2010 ist News1.ch bereits heute klinisch tot. Das Projekt eines Zusammenführens von Regionalnachrichten zu einem Portal für die Deutschschweiz stand unter einem schlechten Stern. Für eigene journalistische Leistungen und Bilder fehlte das Geld, für Werbung das Interesse.

Die NZZ-Gruppe werkelt nun eifrig an einer Konkurrenz zu Newsnetz/Tages-Anzeiger mit lokalem Input. Auch die Begeisterung für dieses Projekt hält sich in Fachkreisen in Grenzen. Man kann nicht bei den Landzeitungen der Gruppe die regionale Berichterstattung qualitativ ausdünnen und mit dem Ausgedünnten anspruchsvolle Internet-Leser ansprechen. Ein in diesem Umfeld erfahrener Journalist brachte es auf den Punkt: Am liebsten würden die Verleger Online-Zeitungen ganz ohne unsere Zunft machen und Beiträge nur noch aggregieren.

 sonntag.ch bringt „Das grosse Interview mit Regula Späni“. Die populäre Moderatorin erscheint ganz gross in der Aufnahme von Paolo Foschini. Der Sportjournalismus wird eine beliebte Kollegin vermissen. Doch sonntag.ch hat einen neuen Stern am Moderatorinnen-Himmel entdeckt. Carolin Schober berichtet für den Business Channel CNBC über Schweizer Konzerne. Aus dem Beitrag erfahren wir, dass die Wirtschafts-Wissenschafterin eine Zwillingsschwester hat.

Wenn Peter Bichsel ein grosser Schweizer Schriftsteller ist, muss Pia Zanetti als Porträtistin auch eine kongeniale Fotografin sein. Die Aufnahmen in DAS MAGAZIN zeigen unverfälscht den Mythos Bichsel, den er sich selbst aufgebaut hat. Zanetti steuert aus ihrem Archiv eine damals ausgesprochen moderne Aufnahme von Bichsel als Lehrer aus dem Jahr 1965 bei. Julian Schütt hat den bekennenden Zigarettenraucher durch die Beizen in Solothurn begleitet. Die Sendung auf Radio DRS lieferte einen Vorgeschmack auf den Film Zimmer 202 von Eric Bergkraut, der Bichsel ab Ende März auch in Bildern zum Monument macht. Vom Sockel wird man ihn zu seinem Geburtstag (Bichsel wird 75) kaum mehr stürzen, doch den Hut ziehen wird man auch nicht.

Im magazin zum SonntagsBlick stellt sich dieses Wochenende Gion Mathias Cavelty in Bildern von Miriam Künzli dar. Das Porträt ist gut gelungen, doch leider arg beschnitten. Wir möchten die beiden Kopf-Füssler im Original sehen, doch um eine Fullpage und Fullstory wie von Peter Bichsel zu erhalten, muss unser Facebook-Freund vorerst schreiben und schreiben. Ob Bichsel zwischendurch auch wie Cavelty Windeln gewechselt hat, als er von Frau Blum schrieb?

Die abtretende Zürcher Regierungsrätin Rita Fuhrer gewann am Zürcher Opernball eine Pelzjacke, die aus mindestens 40 Fellen von süssen Chinchillas zusammengenäht ist. Und sie wird die Jacke nach einigen Anpassungen auch tragen. Bis der Zürcher Tierschutz in einem Leserbrief darauf hinwies, war die Pelzjacken-Affäre in den Medien kein Thema, und so wurden bei der Übergabe auch keine publikationsfähigen Bilder geschossen. „Lieber nackt als im Pelz“ lautete der Slogan der Tierschützer vor Jahren. Wir hoffen, dass sich die für ihre Hartnäckigkeit bekannte Politikerin nicht daran erinnert.

Carl Hirschmann setzt sich nun selbst in die Medien, nachdem sein falsch parkiertes Auto in 20 Minuten im Print und auf dem Web abgebildet wurde. In seinem Facebook-Profil folgt ein Seitenhieb auf Chefredaktor Marco Boselli, der sein Geld mit Headlines wie „So parkiert Carl Hirschmann“ verdienen müsse. 

Danke für den Tipp, Sacha Ercolani in sonntag.ch, der dort das Dossier Hirschmann betreut. Doch Ercolani enttäuscht uns mit seinem eigenen People-Beitrag über die Beldona Fashion Night. Wäsche zeigt lediglich Julia Saner, während die B- und C-Promis nicht einmal im Text Pikantes darüber Preis geben, was sie unter ihrer Agglo-Mode tragen (Aufnahme tilllate.com).

4 Kommentare zu “Neues vom Newsroom, Peter Bichsel, und Rita Fuhrer im Pelz”

  1. Frau Fuhrer feiert ihr Leben mit dem Tod von 44 Chinchillas.

    Mag sein, dass sie einige Schicksalsschläge hatte in der letzten Zeit und sie den Gewinn als Wende ansieht – das will ich ihr auch gar nicht vergällen. Aber das (Über-)leben mit dem Blut von 44 Chinchillas zu feiern finde ich denn doch ziemlich pervers. Ganz egal, wie „schonend“ die Tiere in Ungarn, das ja nicht unbedingt für seine Tierliebe bekannt ist, getötet worden sein sollen. Es ist so unnötig wie das Skalpieren von Menschen bei den Indianern es war. Eher schlimmer – denn die Tiere können sich nicht wehren.

    Frau Fuhrer, ich wünsche Ihnen gute Genesung. Sowohl was ihre Gesundheit, als auch ihr Herz angeht – welches nicht für Tiere, wohl aber für deren Pelz schlägt.

  2. „(…) faszinierende Panoramen (…)“. Wo? In meinem SoBli-Magazin sehe ich keine. Finde die Newsroom-Fotos von Charly Hug auch eher mässig. Da hab ich ich von ihm schon öfters deutlich Besseres gesehen.
    Ich sehe im Fischäuglein-Bild auch kein Topmanagement, sondern mit E.E. und P.Z. zwei Projektleiter den Raum durchschreiten.
    Nebenbei: Das Newsroom-Konzept finde ich interessant, doch spannender dürfte sein, wie lange sich dies bei Ringier hält. Habe den Eindruck die GL versucht das schlingernde Schiffchen mit einem hektischen Zickzack-Kurs vor dem Untergang bzw. vor dem Enterkommando aus dem Norden zu bewahren.

  3. „Aber das (Über-)leben mit dem Blut von 44 Chinchillas zu feiern finde ich denn doch ziemlich pervers.“

    Vielleicht sollte man ERST denken und dann schreiben. 90% der Menschen feiern ihr „Leben“ in dem sie täglich duzende Tiere verspeisen. Seltsamerweise gibt es hier keine Proteste, wobei es hinlänglich bekannt ist, dass man als Vegetarier mit einer ausgewogenen Ernährung absolut gesund und ohne Mängel leben kann.

    Was ist nun schlimmer: Die Pelzjacke für die 40 Tiere gestorben sind und die 30 Jahre hält, oder ein einziger Fleischkonsument für den täglich 2-x Tiere aus grausamer Massentierhaltung geschlachtet werden.

    Rechenbeispiel: Wenn für einen Fleischkonsumenten pro Tag nur 1 Tier stirbt, dann wären das pro Jahr 365 Tiere und in 30 Jahren 10950 Tiere !!!

    Aber klar … diese Pelzjacke ist sooo schlimm und böse. Und jetzt am besten ab zu Mc Donalds und die Klappe halten!

  4. @Marc Da ich als Journalist auch für die Lebensmittelbranche schreibe, kenne ich die Diskussionen und setze mich seit meiner Schulzeit für den Tierschutz ein. Vegetarisch lebe ich nicht, denn die Kulturlandschaft unserer Alpen basiert auf der Symbiose von Menschen und Tieren, und wenn man Tiere nutzt, muss man dazu stehen, sie auch zu schlachten und zu essen. Nachdenklich macht, dass etwa 50 Prozent des Schlachtkörpers gar nicht mehr verwertet werden und in die Verbrennung gelangen.
    Dies nur als Randbemerkung, die mit Fotografie direkt nichts zu tun hat.

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