David Meili, 27. Juni 2010, 10:05 Uhr

Fotografen auf der Ersatzbank, Promi-Hochzeit aus der Retorte und SEAT entsorgt

Pressespiegel vom Wochenende zum 26./27. Juni 2010
Nun können unsere Kollegen, die für einen allfälligen Sieg der nationalen Fussball-Elf als Fotografen auf der Ersatzbank in der Schweiz warteten, ein Grill-Wochende mit ihren Liebsten verbringen. Die Übung ist abgesagt, und selbst in der Sonntags-Presse hält sich die Trauer in Grenzen. Die drei führenden Verlagshäuser der Schweiz haben in die Berichterstattung aus Südafrika vermutlich sogar weniger investiert als SF DRS, das immerhin einigen Mitarbeitern Reisli gegönnt hat.
(Aufnahme: Keystone für Newsnetz/Tages-Anzeiger)

Fussball bleibt ein Männersport, auf dem Rasen wie bei der Berichterstattung, und in der Fotografie, auch wenn das Publikum immer weiblicher wird. Doch nach der WM ist vor der WM. Da reagierte das magazin zum SonntagsBlick am schnellsten. Während Toto Marti die Schweizer Mannschaft bei ihrer Trauerarbeit in Südafrika begleitete, kam Karl-Heinz Hug bereits mit Bildern aus Katar zurück. Nora Hesse beschreibt, wie ein Schweizer Paar dort am Aufbau des Events für die Asien-Meisterschaft 2011 mitwirkt. Chapeau, für Text UND  Bilder!

Die Mannschaft von DAS MAGAZIN würde am Eidgenössischen Feldschiessen stets haarscharf  neben den Mittelpunkt der Scheibe treffen. Gregory Gilbert-Lodge hat ein grossartiges Titelbild geliefert, doch auf Deutsch sagt man „Friseusen“ und nicht „Coiffeusen“, und Redaktoren und Eltern, die betucht, doch so wenig Einblick in die Welt von unseren Jungen haben, sollten andere Themen wählen. Das Magazin gibt es auch auf deutsch, aktuelle Ausgabe über „Tussis“, lesenswert, mit einem Beitrag über ein abgestürztes Wunderkind, besser als die Schweizer Ausgabe.

Auch beim Beitrag von Miklós Gimes über den ungarischen Nationalismus kommen Fragen auf. Die Fotos von Andrea A. Panté sind portfolio-würdig. Man möchte mehr über die ungarischen Roma im Bild sehen, doch DAS MAGAZIN hat den Einbezug von Bildstrecken in Beiträge online noch nicht entdeckt, und dabei liest man Spiegel und Die Zeit online Stunde für Stunde an der Werdstrasse fleissig und kupfert ab.

Wie übertit(t)elt man eine Komposition von 7×15 briefmarkengrossen Bildern von Damenoberbekleidung mit Inhalt? Gabrielle Kleinert bringt im magazin zum SonntagsBlick den ultimativen Busenreport. Irgendwo hat man so etwas doch auch schon gelesen. Noch einfacher ist man zu den Bildern gekommen. Die kunstpreisverdächtige Installation entstand nach umfassenden Recherchen bei iStockphoto, der Rest kommt aus der Datenbank von Keystone. Für den gleichen Preis hätte man ein Interview mit Shawne Fiedling und dem Honorar für einen guten Fotografen ins Heft setzen können. (Shawne ist in der Zwischenzeit bei sonntag.ch gelandet (Seite 17, neben Simon Ammann, sh. unten).

Einige Seiten später wird man entschädigt, mit einem sehr schönen Beitrag von Marcel W. Perren über Luigi Taveri und  Bildern von Sven Thomann. Auch das Layout ist stimmig, beinahe zu schade für einen Nachmittag in der Badi. Und dann entdeckt man noch ganz grosse Fotografie: Vladimir Horowitz, 1965 in der Canergie Hall, fotografiert von Alfred Eisenstaedt. Da hat jemand an der Dufourstrasse wirklich guten Geschmack.

Bücher am Sonntag erscheint alternativ zum Lifestyle-Magazin der NZZ am Sonntag, das einen prominenten Abgang zu verbuchen hat. Nur keine Angst, das Team des Literaturmagazins zählt auf Sesselfeste. Und die Ausgabe vom 27. Juni ist gar nicht so schlecht. Immerhin bringt sie ein Porträt von Klaus Wagenbach (ins Bild gesetzt von Christian Thiel), das einen Quantensprung über die Hausfotografin Isolde (wie hiess sie?) ermöglicht. Nun ist auch die Feuilleton-Redaktion der NZZ bildmässig im 20. Jahrhundert angekommen, auch wenn sie ihre Bildbeschaffung arg reduziert hat.

Dies ist bis anhin, Datum 27. Juni 2010, die seltsamste Promi-Hochzeit des Jahres, Simon und Yana. Sacha Ercolani kommentiert sie in sonntag.ch treffend. Es ist in etwa, was man am Samstag im Blick las. Bildli gibt es nur im Blick, und nicht erwähnenswert. Was macht man als Paparazzo, wenn das Paar in einem betagten Rolls und einem Mini-Büssli getrennt in die Luegeten fährt? Von Yana (im Schleier) erfahren wir, dass sie mit 25 ausser ihrer Muttersprache Russisch „fliessend“ Englisch, Deutsch, Französisch und Finnis(c)h spreche.

Die Kapo Thurgau liefert stets und zuverlässig und gratis Aufmacher. Am Freitagabend hat ein Einheimischer seinen SEAT bei Affeltrangen auf ortsübliche Weise entsorgt. Zum Glück sind die beiden Jungen mit dem Schrecken davon gekommen. Für das Budget vom nächsten Jahr (Tipp: Sollte bis Ende August bei der Finanzdirektion eingereicht werden) wünschen wir den Thurgauer Polizisten eine Kamera, nicht mit SEAT-Erkennung, doch mit  Belichtungsautomatik, die auf die Bildmitte und nicht auf die Umgebung ausgerichtet ist.

P.S. Nichts gegen sonntag.ch. Nach unserer Kritik an der Aufnahme von Micheline Calmy-Rey vor einer Woche hat man Besserung versprochen. Doch Alex Spichale wird sich wiederum fragen, weshalb man sein Ganzkörper-Bild von Adolf Ogi derart in die Länge gezogen hat. Die Flip-Flops von Ogi sind übrigens kultig, in Kandersteg.

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