Markus Zitt, 15. Oktober 2011, 07:17 Uhr

Erste Erfahrungen mit der Nikon 1 V1 im Praxiseinsatz

Ende September hat auch Nikon ein neues System aus zwei Kameras und bislang vier Objektiven vorgestellt. Wir konnten die Nikon 1 V1 in den vergangenen Wochen in der Praxis erproben und berichten hier über unsere Eindrücke.

Das neue System wurde am 21. September unter dem Namen Nikon 1 vorgestellt. Gleichzeitig wurden mit der V1 (mit elektronischem Sucher) und der J1 zwei erste Kameramodelle und mit ihnen vier Objektive eingeführt. (News-Meldungen: Kameras, Objektive und Zubehör; Marktübersicht mit technischen Daten aller spiegellosen Systemkameras)

Wir erhielten einige Tage nach der Vorstellung eine V1 mit dem Standardzoom 10-30mm und konnten diese in den letzten Wochen bei verschiedenen Gelegenheiten einsetzen. In diesem Artikel, den wir noch mit weiteren Bildern ergänzen werden, fassen wir unsere ersten Eindrücke zusammen.

 

Erst- und Zweitkontakt

An einer Pressekonferenz, an der das neue „Nikon 1“-System vorgestellt wurde, konnten wir beide Kameras und die vier Objektive erstmals in die Hand nehmen. Auffällig war das robuste, wertige Gefühl, das die Kameras in der Hand vermittelten. Sie lagen etwas schwerer in der Hand, als ihr Äusseres, das mehr an Kompaktkameras erinnert, vermuten liess. Insbesondere mit dem grossen Motorzoom hält man einen nicht allzu grossen, aber dennoch schweren Brocken in der Hand.

Auch als wir unser Testmodell, eine V1 mit dem Standardzoom, auspackten, wiederholte sich dieser Eindruck. Das Gehäuse zeichnet sich durch eine klare Linienführung mit rechtwinkligen Übergängen zwischen einzelnen Teilbereichen aus, wobei die Kanten abgerundet sind. Denkt man da an das italienisch angehauchte Kameradesign der späten 1980er und frühen 1990er Jahre, wo die SLR-Kameras in die Hand gegossen schienen, mutet das neue Kameradesign etwas kantig und unbequem an.

Nikon 1 Kameras: Links die V1 mit optionalem Aufsteckblitz, der vom Kameraakku gespiesen wird, und rechts die J1 mit ausgeklapptem Blitz. Neben dem Grössenunterschied, der unterschiedlichen Silhouette und dem Blitz sind weitere kleine Unterschiede zu sehen wie die Befestigung für den Traggurt oder das Griffleistchen.

 

Tatsächlich ist die Kamera nicht gerade ein Handschmeichler, ist aber nicht schlechter oder besser als die meisten heutigen Kompakt- und Systemkameras. Trotz rechteckigem Design liegt die Kamera gut in der Hand, unabhängig davon, ob man sie zum Fotografieren hochhält oder schussbereit in der Hand herumträgt. Die rechte Traggurtöse drückt je nach Kamerahaltung manchmal etwas in den Mittelfinger. (Übrigens besitzt die J1 andere, weniger hervorstehende Halter für den Traggurt.) Bei längerem Herumtragen oder Halten erweist sich die dünne Griffleiste als wenig hilfreich, muss die Kamera doch etwas krampfhaft festgehalten werden. Wie es wohl beim Einsatz mit dem grossen 530 Gramm schweren Motorzoom 1 Nikkor VR 10–100 mm oder einem adaptierten F-Objektiv ist, lässt sich nur erahnen. Hier dürfte wohl bald der Wunsch nach einem anschraubbaren Griff aufkommen, wie man ihn als Batterie-/Vertikalgriff zu D-SLRs kennt. Dann würde allerdings die Kamera wieder des Vorteils ihrer Kompaktheit beraubt.

Das Gehäuse ist nicht zuletzt dank dem kleinen Sensor klein und lässt sich einfach in einer Jackentasche verstauen. Auch der integrierte elektronische Sucher (EVF), der oben nur rund sechs Millimeter herausragt, stört dabei nicht. Allerdings bereits mit dem Standardzoom (Nikon 1 Nikkor VR 1:3,5–5,6/10–30 mm), auch wenn dieses auf die Hälfte seiner Länge eingefahren ist, bleibt die Kamera leider zu sperrig für die meisten Jackentaschen. Zudem erweist sich das hinten herausragende Gummi-umrandete Sucherokular beim Verstauen als hinderlich. Die Kombination J1-Kamera und 10-mm-Pancake sind da wesentlich taschenfreundlicher. Allerdings möchten wir den EVF der V1 nicht missen.

Rückseite der V1 mit den Bedienelementen und dem Sucherokular des elektronischen Suchers. Zu sehen sind oben auch die On/Off-Taste und die beiden Auslöser.

 

Bedienung

Die Kamera weist nur wenige äussere Bedienelemente auf. Dies trägt zum klaren, reduzierten Designs des Gehäuses bei. Auf der Kameraoberseite befinden sich der grosse Foto- und der kleinere, rot gekennzeichnete Videoauslöser sowie die On/Off-Taste. Letztere hätten wir uns als Schiebeschalter gewünscht, damit stets sicht- und fühlbar ist, ob die Kamera eingeschaltet bzw. im Stand-by-Modus oder ausgeschaltet ist.

Die Bedienelemente auf der Rückseite sind alle rechts vom Bildschirm platziert. Zuoberst befindet sich die F-Taste, um je nach Betriebsmodus zwischen verschiedenen Aufnahmeoptionen zu wechseln. Im Filmodus steht HD-Video oder eine High-Speed-Videoaufzeichnung für Zeitlupen zur Wahl. Wobei im letzteren Fall die gewünschte Bildrate – umständlicherweise – zuvor im Menü festgelegt werden muss. Im Fotobetrieb kann über die F-Taste zwischen mechanischem, elektronischem und elektronischem HighSpeed-Verschluss gewählt werden. Einen Menüeintrag, um diese F-Taste mit einer anderen Funktion zu belegen, fanden wir nicht .

Neben der F-Taste befindet sich eine Wipptaste, die zum Verstellen hoch oder runter gedrückt wird. Über diese Wippe wird im Wiedergabemodus in Bilder hinein oder hinaus gezoomt. Ist die manuelle Belichtungseinstellung gewählt, dann wird die Verschlusszeit über die Wippe und die Blende über das Drehrad verstellt. Letztere lässt sich immerhin bis auf den Blendenwert 16 schliessen, während viele Kameras mit kleinen Sensoren maximal Blende 8 bieten (ohnehin grosse Schärfentiefe wegen kürzerer Brennweite, Unschäfezunahme wegen Beugung).

Weiter unten befindet sich das griffige Betriebsmodusrades mit vier Druckpositionen für Selbstauslöser, AF/AE-Lock, EV-Korrektur und AF-Modus. Ärgerlich am Selbstauslöser ist, dass er nach jeder Aufnahme erneut eingestellt werden muss. Im Zentrum des sehr leicht gängigen Drehrads,das als Vierwege-Navigationtaste dient,  sich die Ok-Taste befindet. Das Rad wird von vier Tasten (Display , Wiedergabe, Löschen und Menü) an den Eckpunkten flankiert.

Die Empfindlichkeit kann manuell von ISO 100 bis 6400 per Menü gewählt werden. Dies ist etwas umständlich. Eine separate ISO-Taste oder gar ein Wählrad (wie bei der Coolpix P7100) fehlt leider. Alternativ kann man die ISO-Einstellung der Automatik überlassen, wobei es dafür drei Einstellungen gibt, die sich durch die Obergrenzen von ISO 400, 800 und 3200 unterscheiden.

Um das Objektiv nutzen zu können, gilt es erst die Entriegelungstaste zu drücken und dann den Zoomring zu drehen. Praktisch ist, dass dadurch die Kamera auch gleich eingeschaltet wird, ohne dass die On/Off-Taste noch gedrückt werden muss. Im umgekehrten Fall, d.h. beim Einfahren des Objekivs, schaltet die Kamera jedoch nicht aus.

Das Kameramenü ist in drei vertikal angeordnete Register für Wiedergabe, Aufnahme- und Grundeinstellungen eingeteilt und in dezenten Grautönen sowie einer grünen Farbe für die Auswahl gehalten. Der Umfang der Menüeinträge ist geringer als bei den Nikon D-SLRs üblich, doch die Anordnung der einzelnen Menüeinträge erscheint etwas willkürlich. Gesamthaft gibt es auch oft weniger als bei einer D-SLRs einzustellen. So gibt es nur ganze Stufen bei den ISO-Werten zu wählen. Beim Aktiv-D-Lighting (zur Aufhellung von Schattenpartien) stehen nur „ein“ oder „aus“ zur Wahl, wogegen bei der Mikrofonempfindlichkeit dann aber wieder zwischen „ausgeschaltet“, drei Intensitäten oder der automatischen Aussteuerung gewählt werden kann.

Im Einsatz

Beim Fotografieren überrascht die Schnelligkeit der Kamera, weil man von Kameras dieser Grösse anderes gewohnt ist. Sie ist beinahe sofort aufnahmebereit und schiesst Fotos ohne spürbare Verzögerung. Einzig beim Aktivieren des elektronischen Sucher ist die Kamera oder der Annäherungssensor etwas träge. Dieser Sekundenbruchteil bis der Bildschirm im Sucher angeht, dauert so lang, dass man sich fragt, ob die Kamera eingeschaltet ist oder nicht.

Ansonsten reagiert die Kamera unvermittelt und ist auch spürbar schnell. So schiesst sie schnelle Serienbilder und auch während dem Filmen sind zahlreiche (ca. 30) hochauflösende Fotoaufnahmen möglich.

Schade ist, dass Nikon es versäumt hat, der Kamera interssante Multi-Shot-Funktionen zu verpassen, wie sie bei schnellen Serienbildern sogar von Hand möglich werden. Beispiele sind HDR, Bildüberlagerungen gegen Rauschen bei hohen ISO, Schärfe-Dehnung uvm. Auch eine Panorama-Funktion oder 3D-Funktion sind zeitgemässe Funktionen, die wir in dieser Kamera vermissen.

Dass die V1 und die J1 bewegte Schnappschüsse, d.h. zu Fotos zusätzlich ein kurzes Video als Zeitlupensequenz aufzeichnen kann, die einige Momente vor dem Drücken des Auslösers sowie danach stattfanden, ist witzig – allerdings ohne grossen Nutzen. Diese Fotos (nur JPEGs) und die dazugehörigen Videos (.MOV) werden im 16:9-Format aufgezeichnet. (Die Dateinamen beginnen mit dem speziellen Kürzel NMS und sind meist 3.5 bis 4.5 MB bzw. 6.5 bis 7.5 MB gross.) Bei (HighSpeed-)Serienfotos oder Videoaufzeichnungen machen solche Prerecording-Funktionen mehr Sinn. Doch bietet die V1 dies bei Serienbildern und Videoaufnahmen nicht – zumindest konnten wir ohne Handbuch keine solche Funktion ausmachen.

Umgekehrt haben wir beim Filmen schon oft die Möglichkeit vermisst auch Fotos aufzuzeichnen, ohne nachträglich ein Einzelbild aus dem Video extrahieren zu müssen. Das simultane Fotografieren während der Videoaufnahme ist zwar nicht neu, war bislang jedoch meist auf die Videoauflösung beschränkt und nur wenige konnten während dem Filmen hochaufgelöste Fotos schiessen. Die Nikon-1-Kameras können dies und zwar recht gut. Die Fotos werden dabei ebenfalls im 16:9-Filmseitenverhältnis und mit einer Auflösung von 8.3 Mpx aufgezeichnet. Es steht durch diesen Beschnitt also nicht die volle Sensorgrösse (10 Mpx bei 3:2) zur Verfügung.

Was das Arbeiten mit der V1 generell angeht, so macht es Spass und führt zu ansprechenden Ergebnissen – auch bei schwierigen Lichtverhältnissen mit wenig und gemischtem Licht. Gewünscht hätten wir uns mehr externe Bedienelemente, darunter Einstellräder für ISO-Werte und EV-Korrektur, wie sie bei der Kompaktkamera Nikon Coolpix P7100 bzw. dem Vorgängermodell P7000 vorhanden sind.

Nikon 1 V1 ISO-Werte im Vergleich mit Ausschnitten der Tankstellenaufnahme. In der linken Spalte von oben nach unten sind Ausschnitte mit ISO 200, 800, 3200 zu sehen und in der rechten Spalte die Auschnitte mit ISO 100, 400, 1600, 6400.

 

Ganze Testaufnahme mit Nikon 1 V1 (ISO100)

 

 

 

 

Ein Kommentar zu “Erste Erfahrungen mit der Nikon 1 V1 im Praxiseinsatz”

  1. Das Selbstauslöser-Problem-jedes Mal mühsam aktivieren- kenn ich auch bei meiner P50-Kompakten. Dasselbe Elend auch beim Handy Sony-Ericsson W800.

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