Urs Tillmanns, 3. März 2013, 07:00 Uhr

Die Waadt aus der Luft gesehen

Noch bis Ende Jahr ist im Waadtländer Kantonsarchiv in Lausanne eine Sonderausstellung über die Luftbildfotografie des Kantons Waadt von 1930 bis 1960 zu sehen. Die historisch wertvollen Aufnahmen zeigen die Entwicklung der Agglomerationen ebenso wie die Fortschritte der fotografischen Aufnahmetechnik.

Im letzten Jahr hat das Waadtländer Kantonsarchiv einen Teil des Bilderarchivs der Stiftung «Photo Aéroport Lausanne» erworben. Dieses umfasst rund 3’000 Luftaufnahmen, die im Kanton Waadt aufgenommen wurden und neben Dorf- und Städteansichten aus der Luft auch Aufnahmen von Villen vermögender Bürger und renommierte Fabrikanlagen zeigen. Die meisten davon stammen aus der Zeitepoche des Fortschritts nach den Kriegsjahren.

 

Archives cantonales vaudoises, PP 961/490, © Photo Aéroport Lausanne

Montreux 1949, Ansicht von der Seeseite (Archives cantonales vaudoises, PP 961/490, © Photo Aéroport Lausanne)

Heute, nach sechs Jahrzehnten, erfreuen die Bilder Generationen von Betrachtern, welche die enormen Veränderungen der Landschaft und der Architekturen miterlebt hatten, die Historiker, die nach noch vorhandenen Gebäuden und Denkmälern suchen oder die Geografen, die sich in erster Linie für die Veränderungen der Topografie interessieren.

 

Archives cantonales vaudoises, PP 961/5555, © Photo Aéroport LausanneDas Winzerfest in Vevey 1955 mit der Altstadt und der Arena auf der Grande Place. Ostansicht. (Archives cantonales vaudoises, PP 961/5555, © Photo Aéroport Lausanne)

Die Ausstellung zeigt rund 30 nach Regionen gruppierte historische Aufnahmen, sowie eine Bildertafel zum Thema der industriellen Entwicklung und eine Vitrine, welche die Geschichte des Flugplatzes Lausanne-Blécherette dokumentiert. Letztlich zeigt ein Diaporama bisher unveröffentlichter Aufnahmen die Entwicklung der Autobahnen A1 und A9.

 

Quelle: Sammlung Ph. Cornaz, Le Mont-sur-LausannePioniere der Luftbildfotografie: Alphonse Kammacher (links) und sein Flugbeobachter mit den Navigationskarten und der Kamera in der Hand. Das Bild ist um 1930 entstanden, als Kammacher Leiter des Flugplatzes Lausanne-Blécherette wurde. (Quelle: Sammlung Ph. Cornaz, Le Mont-sur-Lausanne)

 

Alphonse Kammacher, Pilot und Fotograf

Die Geschichte der Firma «Photo Aéroport Lausanne» ist eng mit dem Piloten Alphonse Kammacher (1900 – 1983) verbunden, der von 1930 bis 1960 mehrere Tausend Luftaufnahmen, grösstenteils in der Welschschweiz realisiert hatte. Als Leiter des Flughafens hatte er jederzeit die Möglichkeit, eine Maschine der Stadt Lausanne zu benutzen, um von den besten Licht- und Sichtverhältnissen beim Fotografieren zu profitieren. So gelangen ihm viele hervorragende Luftbilder, welche die Entwicklung der Region von Lausanne und der weiteren Umgebung dokumentieren. Um 1949 erfährt die Ausbeute der Luftaufnahmen einen deutlichen Zuwachs, als Kammachers Sohn Gilbert (1932 – 1990) sein Flugbrevet absolviert und seinen Vater bei seiner Tätigkeit unterstützt.

 

Flugplatz Lausanne-Blécherette 1949 mit Gasballon «Helvetia»Archives cantonales vaudoises, PP 961/467/2/A, © Photo Aéroport Lausanne)Flugplatz Lausanne-Blécherette: Flugmeeting 1949 mit dem Gasballon «Helvetia» von François Michel (Archives cantonales vaudoises, PP 961/467/2/A, © Photo Aéroport Lausanne)

Alphonse Kammacher hat seine Aufnahmen grösstenteils mit einer Kamera realisiert, die in den 1920er Jahren von der Schweizer Armee erfolgreich eingesetzt worden war. Es handelte sich um eine Nedinsco [1921 als Tochterfirma von Carl Zeiss in Holland gegründet, Anm. d. Red.] Luftbildkamera 13 x 18 cm mit einem Objektiv mit Lichtstärke 1:2,5 und einer Brennweite von 250 Millimeter. Allerdings hatte das Fotografieren mit dieser Kamera auch erhebliche Nachteile: Sie musste mit beiden Händen bedient werden, und es gab keine Möglichkeit, die Kamera am Flugzeug zu befestigen.

 

L'Abbaye am Lac de Joux, 1959, (Archives cantonales vaudoises, PP 961/7023, © Photo Aéroport Lausanne)L’Abbaye am Lac de Joux, mit Blick in Richtung Le Pont mit dem Dent de Vaulion, im Winter 1959, (Archives cantonales vaudoises, PP 961/7023, © Photo Aéroport Lausanne)

Zweitens war die Kamera auf die Benutzung von Glasplatten ausgelegt, die in schweren Einzelkassetten transportiert und nach jeder Aufnahme ausgewechselt werden mussten. Auch war das Material sehr teuer, was für Alphonse Kammacher möglicherweise ein Handicap war und der Grund, weshalb das Fotografieren für den vollamtlichen Flugplatzleiter zeitlebens eine Nebenbeschäftigung darstellte.

 

Morges 1954. (Archives cantonales vaudoises, PP 961/4542, © Photo Aéroport Lausanne)Schloss und Uferpartie von Morges 1954. Westansicht. (Archives cantonales vaudoises, PP 961/4542, © Photo Aéroport Lausanne)

 

 

Autobahnbau Genf-Lausanne 1960,(Archives cantonales vaudoises, PP 961/7408, © Photo Aéroport Lausanne)Autobahnbau Genf-Lausanne 1960: Baustelle der Brücke bei Aubonne, 1960 (Archives cantonales vaudoises, PP 961/7408, © Photo Aéroport Lausanne)

 

Die Stiftung Photo Aéroport Lausanne in den Waadtländer Kantonsarchiven

Der Bestand der Luftaufnahmen von Alphonse Kammacher waren jahrzehntelang in den Räumlichkeiten des Flugplatzes Lausanne-Blécherette gelagert, bis sie zu Beginn der 1990er Jahre einem Umbau weichen mussten und in verschiedene Archive aufgeteilt wurden: Die Bilder der Region Freiburg gingen an die Freiburger Kantons- und Universitätsbibliothek, die Bilder aus dem Chablais und dem Wallis wurden der Médiathek des Wallis in Martigny zugesprochen, und die Bilder der Region Lausanne gingen an das Historische Museum Lausanne. Weitere Bilder, insbesondere der Regionen Genfs und Neuenburgs, sind möglicherweise in private Sammlungen gelangt oder schlummern in Firmenarchiven.

 

Schloss von Blonay, 1949 (Archives cantonales vaudoises, PP 961/592/2, © Photo Aéroport Lausanne)Schloss von Blonay, 1949 (Archives cantonales vaudoises, PP 961/592/2, © Photo Aéroport Lausanne)

Nicht unterschätzt werden darf der Aufwand der Archivierung von Fotografien generell und von Luftaufnahmen im Besonderen. Zunächst geht es darum, diese präzise zu inventarisieren und dabei das Motiv treffend zu beschreiben, den Ort des Bildes festzulegen und dieses so exakt wie möglich zu datieren. Da in den meisten Fällen verlässliche Angaben der Fotografen fehlen, ist diese Arbeit mit einem grossen Rechercheaufwand verbunden, der personalintensiv ist und eine entsprechende Infrastruktur bedingt. Hinzu kommt die klimatisch optimale Lagerung des Bildmaterials, damit die einmaligen Negative und kostbaren Papierabzüge nicht von zu hoher Luftfeuchtigkeit oder Temperatur in Mitleidenschaft gezogen werden. Um die Originale möglichst unangetastet zu lassen und die Bilder trotzdem einem grösseren Publikum zugänglich zu lassen, schliess sich als letzte und wichtigste Etappe die Digitalisierung des Bildmaterials mit Hilfe eines Scanner oder einer Fachkamera an, sowie die damit verbundene Verwaltung der Bilddaten und die jeweilige Mutation auf die neuesten Speichermedien.

 

Palace in Caux, (Archives cantonales vaudoises, PP 961/810, © Photo Aéroport Lausanne)Das Palace in Caux oberhalb Montreux mit dem Blick Richtung Alpen und Rhônetal, (Archives cantonales vaudoises, PP 961/810, © Photo Aéroport Lausanne)

Die Ausstellung «Vaud vu du ciel» zeigt in einer kleinen Auswahl aus dem Schaffen von Alphonse Kammacher, wie sich die Architektur und die Landschaft der Agglomeration um Lausanne seit 1930 verändert hat. Der Ausstellung kommt damit ein hoher dokumentarischer Stellenwert zu, sie belegt aber auch die vorbildlichen fliegerischen und fotografischen Fähigkeiten eines Mannes, der nicht Vergessenheit geraten darf: Alphonse Kammacher.

 

St-Prex, Morges und Lausanne, 1956 (Archives cantonales vaudoises, PP 961/6217, © Photo Aéroport Lausanne)Fernsicht über dem Genfersee mit St-Prex, Morges und Lausanne, 1956 (Archives cantonales vaudoises, PP 961/6217, © Photo Aéroport Lausanne)

 

Vaud vu du ciel, 1930-1960

Konzept und Realisation: Eloi Contesse

Invetarisierung PP 961 Photo Aéroport Lausanne: Dimitri Marincek

Digitalisierung, Verwaltung des Bildvestandes: Olivier Rubin

Beratung und Leihgaben: Philippe Cornaz, Carole Laubscher und Jean-Marc Falciola

Die Ausstellung «Vaud vu du ciel, 1930-1960» ist noch bis 31. Dezember 2013 in der Eingangshalle des Kantonsarchiv Waadt, rue de la Mouline 32, in Chavannes (Renens). Die Öffnungszeiten sind an Arbeitstagen 9 bis 17 Uhr, ausgenommen Mittwoch 14 bis 19 Uhr.

Weitere Informationen finden Sie hier.

 

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