Urs Tillmanns, 11. September 2020, 16:00 Uhr

Glas klar

Es braucht drei Dinge für eine gute Aufnahme: Licht, Lust und gute Linsen!

Objektive müssen einem ans Herz wachsen. Dies tun sie fast immer über Bilder, die man damit aufgenommen hat, und die einem überzeugen. Objektive, die man nicht liebt, setzt man auch nicht ein und verkauft sie besser wieder. Insgesamt macht es Sinn, sich auf einige wenige Objektive zu begrenzen, und damit meine ich nicht auf Superzooms!

Gleich vorneweg: Zoom-Objektive sind heute technisch auf einem äusserst hohen Niveau und in vielen Fällen Festbrennweiten ebenbürtig. Wer in staubreichen Gegenden unterwegs war, weiss dies zu schätzen! Zoomobjektive verleiten aber auch wieder zu einer Such- und nicht Finde-Strategie, wie im vorherigen Artikel beschrieben. Bilder sollten im Kopf entstehen und wenn der Sucher dann mit der gewählten Festbrennweite nicht ganz den gewünschten Ausschnitt zeigt, muss man vielleicht den Aufnahmestandort etwas verschieben. Je mehr ich mit (wenigen) Festbrennweiten arbeite, umso mehr habe ich deren Winkel im Kopf und weiss, wann ich welches Objektiv einsetze. Durch die Schärfung dieser Seh- und Arbeitsweise profitiert auch meine Bildsprache, und ich erstelle wesentlich konsistentere Bildserien.

Weitwinkelaufnahmen aus kurzer Distanz mit starkem Aufwärtsschwenk gehören nicht zu meinen Favoriten, da ich in solchen Fällen (Bild oben, Pentax 645z mit 25 mm) lieber eine Shift-Optik verwende. In diesem Bild sind senkrechte Linien allerdings nicht zwingend und die Aufnahme dennoch reizvoll. Leider gibt es aktuell für die neuen Halb-Mittelformatkameras (Fujifilm, Pentax, Hasselblad) keine Shift-Optiken. Der Markt dafür scheint aber auch bei den Fullframe-Kameras für die Objektivhersteller zu wenig interessant zu sein – ein bitterer Tropfen für Anhänger der gepflegten Architekturfotografie.

Mit einem speziellen Adapter auf der Pentax 645z ist/war es dennoch möglich sauber geshiftete Aufnahmen zu erstellen (Bild oben; Pentax 645z mit Zoerk-Adapter und 45 mm Pentax 67er-Optik). Ich geniesse und schätze es, bei der Aufnahme, das fertige Bild bereits im Sucher zu sehen.

Unter dem Druck der steigenden Megapixelzahlen stehen auch die Objektive. Hat man einmal eine Serie 30 MP-tauglicher Objektive beieinander, sind diese bei 40 MP schon wieder am Anschlag. Die nächste Hürde liegt im Fullframe-Format bei 60 MP, bei den Mittelformatsystemen verabschieden sich die meisten Linsen bei 100 MP. Nur ganz wenige sind bei 150 MP noch wirklich brauchbar.

Ein weiterer Grund, irgendwo einmal beim Auflösungsupgrade die Reissleine zu ziehen? Sind wir ehrlich: In der Praxis drucken wir, wenn überhaupt, in der Regel auf A4 oder bis A3+ und hätten damit mit 24 bis 30 MP bereits genügend gute Information. Bilder ab 40 MP müssten eigentlich – wenn wirklich sauber bearbeitet – für diese Endgrösse mit einer geeigneten Software heruntergerechnet werden!

Neue Objektive für grössere Sensoren bei höherer Auflösung zu entwickeln wird immer anspruchsvoller. Wenige Hersteller haben die technischen Kompetenzen und noch weniger den finanziellen Background dazu. Der Markt dafür wird ohnehin kaum grösser. So haben wir denn oft mit Objektiven zu kämpfen, die im Zentrum hervorragend zeichnen, an den Rändern aber deutlich schwächer sind. Starkes Abblenden ist nicht sinnvoll. Die optische Qualität erreicht bei Blende 7.1 bis 8 ihr Maximum und nimmt ab Blende 11 bereits wieder ab. Bilder, die mit Blende 13 und mehr aufgenommen sind, sehen nur gleichmässig scharf aus, weil gleichmässig relativ unscharf sind! Eine Abhilfe ist focus stacking – allerdings wieder mit einem grösseren Aufwand verbunden und nur auf unbewegten Objekten anwendbar.

Ein Stitch aus 5 Hochformatbildern in dieser Situation erfordert ein ruhiges Stativ, einen Nodaladapter mit perfekter Einstellung für die verwendete Weitwinkeloptik und eine Software-Kombination, die mit diesem riesigen Kontrastumfang umgehen kann.

Die Situation hat auch dazu geführt, dass in den letzten Jahren keine verstellbaren Objektive entwickelt wurden. Diese sind sehr aufwändig in der Herstellung, führen zu optischen Problemen bei der Abbildung (Lens cast) und können nur in einem stets kleiner werdenden Markt abgesetzt werden. In der Architekturfotografie wird immer öfter das Objektiv nach oben gerichtet und dann das Gebäude im Postprocessing geradegestellt. Das ist für mich unvorstellbar, da ich mein «fertiges» Bild gerne vor der Aufnahme anschaue. Aber weder die Technik noch der Auftraggeber, würden die Finanzen rechtfertigen, die heute für eine sauber erstellte Aufnahme mit technischer Kamera und digitalem Rückteil notwendig sind.

Ich gehe hier nicht auch noch auf die vieldiskutierten Eigenschaften, wie Bokeh und Blendensterne ein. Nur ein Rat, den ich nur allzu oft nicht berücksichtigt sehe: Verwenden Sie nach Möglichkeit stets eine Gegenlichtblende. Streulicht und Regen sind die grössten Probleme bei der Aufnahme, die damit recht günstig behoben werden können.

 

Fazit:

Für mich sind die Objektive neben dem Sucher die wichtigsten Elemente eines Kamerasystems und so verzichte in diesen Artikeln auch darauf auf technische Finessen einzelner Kameramodelle einzugehen. Das gute Bild kommt nicht von der guten Kamera! Ich muss mich auf meine Objektive verlassen können und gerne damit arbeiten. Daher auch mein Rat: Gehen Sie nie den Kompromiss ein und kaufen Sie eine neue teure Kamera mit noch mehr Auflösung, ohne vorher sicherzustellen, dass Ihre Objektive diese Auflösung auch ausreichend unterstützen. Ich arbeite lieber mit sauberen, relativ niedrig auflösenden Bildern, als mit hochauflösenden Bildern, welche von den Objektiven her «matschig» daherkommen!

Text und Bilder: Markus Zuberfineartpix

Nächsten Freitagabend lesen Sie: «Bunt ist nicht alles» – über Farben und Color Management

Lesen Sie auch:
Folge 1 – «Die digitale (R)Evolution der letzten 20 Jahre»
Folge 2 – «Aufnahme Technik Bild»

 

 

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