Urs Tillmanns, 11. April 2021, 10:02 Uhr

Fotografieren auf Socotra

Fotointern: Die meisten Leute haben ‘Socotra’ wahrscheinlich noch nie gehört. Wo liegt diese Destination genau, und wie bist Du darauf gekommen?

Rolf Gemperle: Socotra ist eine Insel. Sie liegt im Arabischen Meer zwischen Jemen und Somalia. Politisch gehört die Insel zum Jemen. Durch ihre Abgeschiedenheit beherbergt sie eine Vielzahl von endemischen Pflanzen und Tieren. Oft wird die Insel auch das ‚Galapagos Arabiens‘ bezeichnet. Als Fotograf, der sich gerne abseits der ausgetretenen Pfade bewegt, habe ich Socotra schon lange auf dem Radar. Da ich einige meiner Frühjahrsreisen verschieben oder absagen musste, habe ich mich kurzerhand entschlossen, nach Socotra zu gehen. Die Einreisebestimmungen haben gerade gepasst und ich hatte ja schon länger Kontakt zu einem einheimischen Guide.

 

Jemen ist Kriegsgebiet. Bekommt man davon auf Socotra etwas mit und wie sicher ist die Lage dort?

Ja, Jemen ist seit mehr als 10 Jahren im Bürgerkrieg. Das war auch ein Grund der mich bisher von einem Besuch auf Socotra abgehalten hat. Seit kurzem gibt es nun aber Direktflüge von Dubai und Kairo. Somit fällt der Umweg über das jemenitische Festland weg. Vom Krieg in Jemen habe ich auf der Insel überhaupt nichts mitbekommen. Ich habe mit grossem Militäraufgebot gerechnet, da die Insel im arabischen Meer extrem wichtig gelegen ist. Weit gefehlt, jemenitisches Militär ist kaum zu sehen. De facto ist ja Socotra seit 2018 unter der Schirmherrschaft der Vereinigten Arabischen Emiraten. Doch auf von diesem Umstand bekommt man, abgesehen von unzähligen UAE-Flaggen, nichts mit. Während der ganzen Reise habe ich mich immer sicher gefühlt und ein gutes Gefühl gehabt.

 

Wie war Dein erster Eindruck als Du auf Socotra ankamst?

Meine Ankunft habe ich als lustig in Erinnerung. Als ich das Flughafengebäude verlassen wollte musste ich meine Covid-Schutzmaske abgeben. Aus Umweltgründen sind auf der Insel keine Masken erlaubt.

 

Wie leben die Leute dort und hast Du mit der einheimischen Bevölkerung Kontakt gehabt?

Ich wurde am Flughafen von meinem Guide abgeholt und der Empfang war sehr herzlich. Auf das Begrüssungsritual, sich gegenseitig die Nasen zu reiben, habe ich dann aber verzichtet. Auf der Insel gibt es zwei grössere Orte. In der Hauptstadt Hadibu leben etwa 10’000 Einwohner, auf der ganzen Insel rund 40’000. Während man das Leben in Hadibu mit dem Leben in anderen Orten der arabischen Welt vergleichen kann, ist das Leben auf dem Land sehr viel einfacher als anderswo. Oft habe ich mich gefragt wie diese Leute, die meist als Ziegen- oder Schafhirte leben, über die Runden kommen. 

 

Wie ernähren sich die Leute auf Socotra, und gibt es eine touristische Infrastruktur?

Auf dem Speiseplan seht vor allem frischer Fisch mit Reis. Die Gewässer um die Insel sind sehr Artenreich und so bin ich in den Genuss diverser leckeren Speisefische gekommen. Mir persönlich hat der Barrakuda sehr gut geschmeckt. Als Abwechslung kann es durchaus auch einmal Ziege oder Schaf geben. Früchte gab es immer zum Dessert. Das Strassennetzt auf der Insel ist überschaubar. Vom Hauptort aus gibt es entlang der Nordküste eine alphaltierte Strasse. Zudem ist auch das Diksam-Hochland über eine Strasse erschlossen. Alle anderen Teile der Insel sind nur über schlechte 4×4-Strassen erreichbar. Ein gutes Allradfahrzeug ist somit unabdingbar.

 

Mit welchem anderen Land ist die Kultur vergleichbar?

Grundsätzlich kann man Socotra mit jedem anderen islamischen Land vergleichen. Oft habe ich mich an die Oase Bahariya in  Ägypten erinnert gefühlt. Dort starte ich jeweils meine Touren in die Weisse Wüste. Socotra hat seine eigene Sprache. Jedoch wird auf der Insel auch Arabisch gesprochen.  

 

Du hast ja mit Wüstenregionen reichlich Erfahrung – wir haben ja schon mal über deine Erlebnisse in Oman berichtet. Ist Socotra ähnlich?

Socotra lässt sich nur beschränkt mit dem Oman vergleichen. Zu unterschiedlich sind deren Grösse und Lage. Socotra hat ein tropisches Wüstenklima. Das tönt im ersten Moment widersprüchlich. Jedoch gibt es auf der Insel viel Anzeichen für eine Wüste. Im Süden reichen Küstendünen bis ans Meer heran und im Inland gibt es ein grosses felsiges Hochplateau mit vielen Canyons. Die Luftfeuchtigkeit auf Socotra ist jedoch eher tropisch. Zudem ist die Insel im Einzugsbereich des Monsuns. In den letzten Jahren haben auch vereinzelte Zyklone die Insel heimgesucht und dabei verheerende Schäden hinterlassen. 

 

Dennoch scheint Socotra eine sehr grosse landschaftliche Vielfalt zu bieten. Was hat Dich am meisten fasziniert?

Ich denke genau diese grosse landschaftliche Vielfallt macht den Reiz dieser Insel aus. Von weissen Sandstränden, über Küstendünen, das Hochplateau bis hin zu den Bergen reicht die Palette. Mich persönlich hat jedoch der Drachenblutbaum am meisten fasziniert. Dieser Baum der an die Akazien der afrikanischen Savanne erinnert und eben doch nur hier vorkommt nimmt einem von Anfang an in seinen Bann. Die Sicht vom Rande des Dixam-Canyons auf die über 12’000 Exemplare des Baumes im Fermahin Forest lässt einem nur staunen. 

 

Du organisiert nächstes Jahr eine Fotoreise nach Socotra. Welche Ratschläge gibst Du interessierten Teilnehmenden?

Socotra ist eine neue Foto-Destination. Ich habe bereits viele Anfragen dazu erhalten und ich denke das Interesse für eine Fotoreise wird gross sein. Wichtig ist dass die Teilnehmer sich im Vorfeld auf Socotra vorbereiten und dann voll hinter ihrem Entscheid stehen diese Insel besuchen zu wollen. Eine Reise dorthin ist nicht sich ins Flugzeug zu setzen und ein paar Stunden später ist man dort. Man begibt sich auf eine Zeitreise und taucht ein in eine fremde, faszinierende Welt. All das verpackt in ein grosses Abenteuer.     

 

Du hast eine Menge Lieblingsdestinationen. Auf welchem Platz würdest Du Socotra einordnen und weshalb?

Wertende Vergleiche zwischen Destinationen zu ziehen fällt mir immer schwer. Man kann kaum einer Destination mit einer Rangliste gerecht werden. Ich habe jedoch auf Socotra viele Plätze mit fotografischem Potential entdeckt und bin überzeugt, dass die Vielfälltigkeit dieser Insel meine Kunden begeistern wird.

Besten Dank für dieses interessante Gespräch

Interview: Urs Tillmanns

Informationen zu den Angeboten 2021 finden Sie auf der Website von Rolf Gemperle
Den Ausschrieb zur Socotra-Reise (28.03. bis 04.04.2022) finden Sie hier.

Rolf Gemperle

Als Rolf Gemperle (* 1965) mit 16 Jahren seine erste Kamera geschenkt bekam, ahnte er nicht, dass ihn die Fotografie fortan so intensiv begleiten würde. Jedoch wurde ihm vier Jahre später auf einer Weltreise klar, wie gut sich seine Freude am Orientierungslauf und an der Natur mit dem Fotografieren verbinden liess. Nach mehreren Reisen durch die USA entstand 2003 die Multivisionsschau «Gesichter der Natur» mit welcher er rund 5’000 Zuschauer begeistern konnte. Gleichzeitig begann er sein fotografisches Wissen in Reisen und Workshops weiterzugeben. Mit den Jahren hat sich diese Leidenschaft zu seiner Hauptbeschäftigung weiterentwickelt, mit einer vielfältigen Palette an Fotoreisen und Zielen rund um die Welt. Als engagierter Natur- und Landschafts-Fotograf ist Rolf Gemperle stets auf der Suche nach speziellen Momenten. Variationen in Licht, Form und Farbe begeistern ihn ebenso wie aussergewöhnliche Situationen mit Mensch und Tier.

 

 

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