Urs Tillmanns, 4. Dezember 2021, 14:37 Uhr

Buchtipp: Christian Scholz «Portraits – Femmes de Suisse»

Das Buch macht neugierig. Beim Durchblättern von «Portraits – Femmes de Suisse» bleibt man immer wieder an gewissen der 68 Portraits hängen, weil einem das Gesicht bekannt vorkommt, man aber den Namen nicht findet, oder weil einem das Bild mit dem natürlichen und aussagestarken Gesichtsausdruck besonders fasziniert. Eine unglaubliche Vielfalt – an Gesichtern und Gesichtsausdrücken. Emotionsgeladen, ernst, mal witzig, mal lachend, dann wieder nachdenklich, fragend, überzeugt – und überzeugend.

Wahrscheinlich ist das Geheimrezept von Christian Scholz’ Portraits seine einfache und spontane Arbeitsweise. Er fotografiert seine Modelle in ihrer Umgebung mit natürlichem Licht, meist aus freier Hand ohne viel Aufhebens. Dabei führt Scholz Regie, lenkt das Geschehen, strukturiert es, bis schliesslich alles wie von selbst abläuft. Die Modelle öffnen sich. Die Bilder, die jetzt entstehen, sind ein Geschenk für den Fotografen – und sein Modell. Vergleicht man das Buch mit anderen Werken von Christian Scholz wird einem bewusst, dass die Portraitfotografie seine liebste fotografische Domäne ist – die Bilder liefern den Beweis dazu.

Grundlage für das Buch ist sein umfangreiches Projekt «501 Portraitwerk Schweiz», mit dem sich Christian Scholz seit nunmehr 30 Jahren befasst und 501 Personenbildnisse zu einem Gesamtwerk vereint hat. Das Buch «Femmes de Suisse» ist ein thematisches Konzentrat daraus, das 55 Schweizerinnen (von einigen hat es mehr als ein Bild) aus verschiedenen Landesteilen zeigt. Es sind Prominente, die unser Land massgeblich mitgestaltet haben, Bekanntheit aus den verschiedensten Wirkungsbereichen und unbekannte Frauen in ihrer Umgebung, die in diesem Buch als fotografischen Essay «die Schweizer Frau» charakteristisch darstellen.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Im ersten Teil finden wir 24 Bilder im klassischen Stil, relativ eng beschnitten und mit eher ernsten Gesichtsausdrücken. Im zweiten Teil sind zwei Dutzend Fotos, die in lockerer Art fotografiert sind, mit Witz, Brennkraft, Augenspiel, Suggestion und Geheimnis; einige Bilder sind nur auf Körperdetails reduziert. Im dritten Teil präsentieren sich die Personenbildnisse in Dreiviertelansicht. «Schnitt in Kniehöhe, Evolution des Gehirns» kommentiert Christian Scholz diesen Bildstil. «Unbewusst ergänzt unser Auge diese reizvolle Sichtweise ins Volle.»

Diese Dreiteilung verleiht dem Buch eine besondere Spannung, und die Bilder präsentieren sich in einer interessanten Abfolge. Dass die Fotos keine Bildlegenden haben – die Namen sind in einem Inhaltsverzeichnis im Anhang des Buches vermerkt – macht die Sache noch spannender, indem man viele bekannte Gesichter nicht spontan zuordnen kann.

Auffallend in diesem Buch ist auch die perfekte technische Qualität der Schwarzweissbilder. Dies betrifft einmal die analoge Aufnahmetechnik von Christian Scholz, dann die Perfektion der Prints aus dem Labor von Ursula Heidelberger und schliesslich der hervorragende Druck im Triplex-Verfahren mit einer fotorealistischen Bildqualität.

Für wen ist dieses Buch? Für alle, die Freude an guter und spontaner Portraitfotografie haben, und besonders für Betrachterinnen und Betrachter, die dem Thema der Schweizer Frauen neugierig begegnen. Christian Scholz pflegt einen eigenen Portraitstil, der natürlich und aussagestark wirkt und von einer gepflegten und vorbildlichen Schwarzweiss-Qualität geprägt ist.

Urs Tillmanns

 

Buchbeschreibung des Verlages

Eine starke Präsenz strahlen sie alle aus, die Frauen in Christian Scholz‘ grossformatigem Bildband Portraits – Femmes de Suisse (Christoph Merian Verlag). Was diese Frauen auszeichnet und wie sie sich zeigen, das könnte dagegen unterschiedlicher kaum sein. ln kontrastreichem Schwarzweiss zeigen die Bilder bekannte und unbekannte Frauen aus verschiedensten Lebensbereichen und Regionen der Schweiz. Sie alle sind auf ihre Weise mit dem Land verbunden und verkörpern Identität und Individualität, Anmut und Leistung.

Was verbirgt sich hinter diesen Gesichtern? Die grosse Altersspanne zwischen der zweijährigen Julie Guignard und der 99-jährigen Alice Pauli setzt sich in einer grossen Vielfalt fort: Zu entdecken sind Frauen aus Wirtschaft und Sport, Landwirtschaft und Politik, Wissenschaft und Kunst. Offen oder zurückhaltend, freimütig oder gefasst, blicken sie in die Kamera. Oft ungeschminkt. Man spürt ihre Gegenwärtigkeit, Dynamik wie Konzentration in einem Moment.

«Frauen zu portraitieren ist für einen Mann immer ein Wagnis», sagt Christian Scholz. Es brauche Mut, Vorsicht, Kühnheit, Respekt und ein Gespür für eine oft einmalige, aussergewöhnliche Situation, die den künstlerisch-visuellen Dialog erst gelingen lässt. Der hervorragende Portraitist erforscht das menschliche Antlitz seit über dreissig Jahren immer neu, analog, ohne Stativ und Assistenz und in natürlichem Licht. Portraits- Femmes de Suisse ist ein eigenständiges Projekt, allerdings durchaus verbunden mit seinem Gesamtwerk «501- Portraitwerk Schweiz». Für die Präsentation seiner Arbeiten der Jahre 1992 bis 2021 hat der Künstler mit Bedacht die Dreiteilung gewählt: Auf klassische Aufnahmepositionen folgen Portraits mit intensiver Nähe und Originalität, abschliessend die Dreiviertelansicht. Das Buch ist ein aussergewöhnliches Werk zeitgenössischer Portraitkunst, eine Momentaufnahme von Frauen in der Schweiz der Gegenwart, die erstaunlicherweise zugleich zeitlos wirkt.

 

Der Inhalt

Pipilotti Rist / Alice Pauli / Yasmine Yamada / Daniela Riatsch / Doris Leuthard / Marina Kummer / Sévérine Dominizak / Michelle Gisin / Reina Guyer / Maria Dietrich / Stéphanie Lötscher / Akouavi Komion / Angela Aebli / Beatrice Simon / Tatyana Franck / Mengia Mathis / Nadia Guth Biasini / Renée Levi / Nathalie Seiler / Janine Birchler / Nora Refaeil / Katharina Blatter / Carla Caviezel

 

Mila / Mila / Doris Leuthard / Bettina Zuppinger / Cora / Christine Kehrli / Ulrike Wüthrich / Ulrike Wüthrich / Barbara Theler / Cora / Flurina Papavicini / Ursina Stoffel / Cora / Ladino Scholz / Pipilotti Rist / Lutgarde Honegger / Begüm Ürek / Annette Gigon / Carla Del Ponte / Beki Probst / Ursula Hauser / Brida von Castelberg / Ursula Steiner

 

Angela Aebli / Angela Rutschmann / Daniela Riatsch / Andrea Vetsch / Colette Bloch / Nadège Ngalula / Nadège Ngalula / Ane Garmendia mit Josu / Denise Dierauer / Corine Mauch / Noemi Nadelmann / Sabine Schneider / Stefanie Lohrer/ Yael Danon / Christo de Carouge / Christo de Carouge / Carole Hübscher / Julie Guignard

 

Anhang
Namenverzeichnis
Nachwort von Tatyana Franck
Notat von Christian Scholz
Dank
Biografie Christian Scholz
Biografie Tatyana Franck
Impressum

 

Der Fotograf

Christian Scholz (* 1951 in Stockholm) ist mit seinen Werken in Sammlungen des ln- und Auslands vertreten. Seine fotografischen Arbeiten beschäftigen sich nicht nur mit dem Antlitz des Menschen, sondern u.a. auch mit Körperlichkeit, Lichtzauber, Zeit, Raum oder mit der Rätselhaftigkeit der Wirklichkeit. Neben seinem «501 Portraitwerk Schweiz» sind verschiedene Werkzyklen entstanden, wie «Der Kompass des Lichts» (2014-2016), das vierteilige Projekt «Körper» (2002-2011) und «Flugkörper» mit einer Ausstellung im Flughafen Kloten (2016). Christian Scholz lebt und arbeitet in Zürich.  www.christianscholz.ch  /  www.theportraits.ch

 

Bibliografie

Christian Scholz «Portraits – Femmes de Suisse»
132 Seiten, 66 Schwarzweiss- Abbildungen
Format 29,5 x 32,5 cm gebunden, mit transparentem Schutzumschlag
Mit einem Nachwort von Tatyana Franck, Direktorin von Photo Elysée, Lausanne
Christoph Merian Verlag Basel, 2021
Preis: CHF 59.- / EUR 58,-
ISBN 978-3-85616-940-4

Das Buch ist im Buchhandel erhältlich, kann direkt beim Verlag bestellt oder im Ausland hier geordert werden.

 

Lesen Sie auch

• «Christian Scholz «Das ist die Kunst – Gespräche mit Gerd Sander», Fotointern 23.02.2019
• «Der Kompass des Lichts», Fotointern 11.02.2017
• «Bilder vom Fliegen», Fotointern 11.10.2016

 

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