Freiburg und Bern, zwei Städte, die sich in vielem ähnlich sind, die aber auch von Gegensätzen geprägt sind. Dies zeigen auch die seltenen Stereobilder der beiden Städte von 1860 bis 1910 aus der Sammlung von Richard Wolf, deren räumlicher Seheindruck ein visueller Genuss ist.
Stereobilder haben die Menschen schon fasziniert, seit es die Fotografie gibt. Mit einer speziellen Stereokamera mit zwei Objektiven wurden gleichzeitig auf der lichtempfindlichen Platte zwei Teilbilder aufgenommen, die nach der Entwicklung und Verarbeitung mit einem Stereoskop oder einer Stereobrille gleichzeitig betrachtet werden können. So entsteht ein Raumeindruck, der uns erlaubt die perspektivische Staffelung im Bild klar zu erkennen; wir können den Vordergrund, das Hauptmotiv und den Hintergrund räumlich zuordnen.
Stereobilder im Format 19,5 x 10 cm – so wie sie hier im Buch abgedruckt sind – waren von etwa 1860 bis in die 1930er-Jahre äusserst populär. Sie hatten damals etwa den gleichen Unterhaltungswert, wie das Fernsehen heute. Man konnte die Bilder in Fotohandlungen, an Kiosken und Tourisikzentren kaufen, man tauschte sie sich gegenseitig aus oder man betrachtete die räumlich wirkenden Bildpaare im Familienkreis, wobei nicht nur geografische Motive und eindrückliche Bauten die Runde machten, sondern auch die verschiedensten Erzählungsdarstellungen, bis hin zu erotischen Dreidimensionalien.
Stereobilder haben auch in Richard Wolf das Sammelfieber entfacht. Der Berner, der beruflich bedingt nach Freiburg kam, hat sich auf dreidimensionale Ansichten dieser beiden Städte der Epoche von 1860 bis 1910 konzentriert, hat diese immer wieder auf Floh- und Jahrmärkten entdeckt, und so ist eine beachtliche Kollektion zusammengekommen, welche die Besonderheiten der beiden Städte an der Aare und Saane reichhaltig dokumentieren. Die Rosinen dieser Sammlung sind nun in diesem Buch zu finden.
Dem Buch ist eine Stereobrille beigelegt, welche die räumliche Betrachtung der Abbildungen ermöglicht
Bern und Freiburg i.U. haben vieles gemeinsam: Sie liegen beide in einer Flussschlaufe mit ähnlicher Gesteinsbeschaffenheit, Bern wird von der Aare umflossen, Freiburg von der Saane, beide waren mit einer Burg befestigt, die heute allerdings nicht mehr existieren, und beide Städte standen im 11. Jahrhundert unter dem Einfluss des schwäbischen Adelsgeschlechts der Zähringer. Allerdings gibt es auch Unterschiede: Abgesehen davon, dass sich die beiden Städte im Freiburgerkrieg (1447-1448) blutig bekämpften, ist Bern evangelisch und Freiburg katholisch orientiert, und es gibt auch sprachlich einen «Röstigraben, da man in Bern deutsch und in Freiburg französisch spricht. Richard Wolf schält die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Städte in seinem Text noch deutlicher heraus.
Der besondere Wert dieses Buches sind die darin gezeigten Stereobilder aus seiner persönlichen Sammlung. Die Bilder zeigen vor allem Kirchen, öffentliche Bauten, Brücken, Brunnen, Denkmäler sowie historische Befestigungsanlagen – Objekte, von denen viele dem Zahn der Zeit zum Opfer fielen oder die durch Umbauten und ihre neue Umgebung heute kaum noch an damals erinnern. Auf wenigen Bildern entdecken wir Menschen in ihrer damaligen Mode, emsiges Marktleben oder selten Kutschen oder Fuhrwerke. Die Abbildungen sind von beeindruckender fotografischer und reprografischer Qualität und verblüffen, dank der mitgelieferten Stereobrille, durch ihren räumlichen Effekt.
Für wen ist dieses Buch? Es kristallisieren sich ganz klar zwei Interessentengruppen heraus: Einmal die Städteliebhaber von Bern und Freiburg, dann aber, und wahrscheinlich vor allem, die fotohistorisch Interessierten, die sich mit der Stereoskopie befassen und hervorragendes und geschichtlich aussergewöhnliches Bildmaterial suchen, um den räumlichen Seheffekt zu geniessen.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
Die Sammlung stereoskopischer Aufnahmen zeigt die urbanen Veduten der beiden Zähringerstädte Fribourg und Bern zwischen 1860 und 1910. Anhand der geografischen und geologischen Unterschiede wird die städtebauliche Entwicklung seit 1848 untersucht und mittels Stereobildern verifiziert. Als Bildmaterial dienen gut erhaltene Stereobilder bekannter und anonymer Provenienz. Dabei wird der Fokus auf die allgemeinen Stadtveduten und ihre typische Skyline gerichtet. Die fotografischen Themen und Bildkapitel zeigen Beispiele aus den typischen Stadtveduten an den beiden Wasserläufen Saane und Aare, vom Brückenbau über die mäandrierenden Flüsse, den Befestigungsanlagen an den exponierten Stellen, wichtige Denkmäler, die Sakralbauten und die lebenswichtigen Brunnen. Die über 70 Stereoaufnahmen sind in der Originalgrösse abgebildet, sodass sie mit der beigelegten Lorgnette/Stereobetrachter, ihrem Ursprung einer unterhaltenden Erinnerung gerecht, dreidimensional wahrgenommen werden können und somit die Rezeptionstechnik von vor gut 100 Jahren wiederentdeckt werden kann. Die Stereofotografie ist fast so alt wie die Fotografie, die 1839 in Paris der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Dabei wurde zu Beginn mit einer einfachen Linsenkamera ein Bild aufgenommen und anschliessend, horizontal leicht verschoben, ein zweites für eine Betrachtung mit dem anderen Auge. In einem Stereobetrachter (Stereoskop) erzeugen diese Doppelaufnahmen (Stereogramme/Stereos) einen verblüffenden dreidimensionalen Eindruck der Fotografie.
Der Inhalt
Geschichte der Stereofotografie
Meine biografische Motivation
Geografische und geologische Unterschied und Gemeinsamkeiten
Das historische Wachstum, Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Kulturpolitische und wirtschaftliche Entwicklung seit 1848
Stereogramm-Sammlung
Stadtveduten
Brücken
Befestigungsanlagen und historische Bauten
Denkmäler
Kirchen
Brunnen
Die Bedeutung der Saane und der Aare für die Stadtentwicklung
Ergänzungen Bern / E1gänzungen Freiburg / Impressum
Biografie
Richard Wolf wurde 1943 geboren und ist in Bern aufgewachsen. Nach der Ausbildung zum Gymnasiallehrer und dem nachträglichem Theologiestudium an der Universität Bern, siedelte er 1984 nach Freiburg um und wirkte 24 Jahre als Pfarrer in der reformierten Diasporalkirchgemeinde Fribourg. Seit seiner Pensionierung im Jahre 2008 lebt er weiterhin als Heimwehberner in Freiburg. Beide Städte sind ihm ans Herz gewachsen. Hinter ihrer architektonischen Ähnlichkeit verbirgt sich eine grundverschiedene Eigenartigkeit, die ihn fasziniert. Seit gut 20 Jahren sammelt Richard Wolf Stereogramme von Freiburg und Bern aus der Frühzeit der Fotografie, also ab 1860 bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.
Bibliografie
Richard Wolf: «Freiburg | Bern – Ein stereoskopischer Vergleich der beiden Zähringer Brücken- und Brunnenstädte 1860 – 1910
100 Seiten mit 84 Abbildungen, Fadenheftung, Broschiert mit Einschlag, Format 24 x 20 cm, mit Stereobrille, 2021
Sprache: deutsch
Texte: Richard Wolf, Fritz Franz Vogel
Verlag ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ, Diessenhofen
Preis: CHF 30.00, inkl. Stereobrille
ISBN 978-3-03858-411-7
Das Buch kann im Buchhandel erworben oder direkt beim Verlag per E-Mail bestellt werden.