Feuerstein ist ein bedeutender Name einer Fotografendynastie im Unterengadin. Das Buch erzählt die spannende Familiengeschichte von Johann, Domenic, Jon und Mic Feuerstein, die ein erfolgreiches Fotogeschäft mit Ansichtskartenverlag während mehr als hundert Jahren in Schuls führten.
Fotografendynastien gab es in der Schweiz eine ganze Menge: Meiner in Zürich, Linck in Winterthur, Taeschler in St.Gallen, Reinhard in Sachseln, Höflinger oder Hoffmann in Basel oder Zbinden in Schwarzenburg – um nur einige zu nennen. Es war vor rund hundert Jahren üblich, dass vor allem die Söhne in die Fussstapfen der Väter traten und das elterliche Geschäft übernahmen – so auch in der Fotografendynastie Feuerstein in Scuol. Obwohl deren Name vielleicht in der Deutschschweiz weniger bekannt ist als die oben genannten, so hat die Fotografenfamilie doch bei den Engadiner Touristen und damit über die Landesgrenzen hinaus eine beachtliche Bekanntheit erfahren, nicht zuletzt auch durch den Absichtskartenverlag und den doch sehr leicht einprägsamen Namen.
Die Fotografendynastie Feuerstein zählte vier Fotografen aus drei Generationen. Obwohl die Urheimat der Feuersteins wahrscheinlich im Bregenzerwald liegt, wanderte Anton Feuerstein (1849-1879) von Fuldera nach Scuol ein. Als 30jähriger fiel er einem Jagdunfall zum Opfer, wonach die Existenz der Witwe Anna Feuerstein-Erni (1851-1883) mit ihren vier Söhnen durch eine Geldsammlung von der Bevölkerung gesichert wurde. Der älteste Sohn Johann Feuerstein (1871-1945) beschliesst Fotograf zu werden, geht bei Alexander Flury in Pontresina in die Lehre und macht sich 1899 in Scuol selbständig. Vor allem die wohlhabenden Badegäste von Schuls-Tarasp und die umliegenden Hotels verhelfen dem jungen Fotografen zu einem florierenden Geschäft. Aufträge für den Bündner Heimatschutz, den Nationalpark und die Rhätische Bahn kommen hinzu und sorgen weiter für Bekanntheit des Schuoler Fotografen. Johann stirbt 1945 und hinterlässt mehr als 6000 grossformatige Glasplatten. Vater Johann und Sohn Domenic (1900-1949) pflegten ein konfliktträchtiges Verhältnis, weshalb Domenic 1928 mit seiner Frau Anna Huber (1900-1985) ins Tessin übersiedelte, wo er in Muralto ein Fotogeschäft eröffnete, das offiziell jedoch als Filiale der väterlichen Firma in Scuol geführt wird. Domenic ist nicht nur Fotograf, sondern er wird auch als Schriftsteller und später als Filmemacher berühmt. Der älteste Sohn von Domenic, Jon (1925-2010), geht bei seinem Grossvater Johann in die Lehre und übernimmt nach dessen Tod und dem Hinschied seines Vaters 1949 das Geschäft zusammen mit seinem jüngeren Bruder Mic (1928-2004). Jon und Mic sind sehr unterschiedliche Fotografen: Während Jon sich auf technische Aufnahmen spezialisiert und viel für die entstehenden Kraftwerke fotografiert, macht sich Mic als Tierfotograf und Tierfilmer einen Namen.
Ein wichtiger wirtschaftlicher Pfeiler war der Ansichtskartenverlag, der von Johann Feuerstein um 1914 gegründet wurde. Der nahegelegene Nationalpark und der Tourismus der Bäderhotels sorgten für den steten Erfolg dieses wichtigen Zusatzgeschäftes. Die Inhaber damaliger Fotogeschäfte pflegten nicht nur den Verkauf von Kameras und Zubehör sowie das Entwickeln und Kopieren der Filme für die Touristen, sondern sie waren auch bildschaffende Chronisten, welche das Zeit- und kulturelle Geschehen, von Hochzeitsbildern über Reportagen bis hin zu Aufnahmen von Unfällen und Katastrophen, dokumentierten.
Das Buch über die Familiengeschichte der Feuersteins bietet eine hervorragend recherchierte Erzählung der Erfolge und Schicksalsschläge der vier Fotografen Feuerstein, und damit eine umfassende Dokumentation dieser Fotografendynastie. Hinzu kommt die spannende und vielfältige fotografische Darstellung der unterschiedlichen Tätigkeits- und Stilrichtungen der vier Fotografen. Ein Kapitel wird speziell den Frauen der Fotografen gewidmet, deren Verdienst und persönlicher Einsatz als «unermüdliche Helferinnen» im Geschäft in der damaligen Zeit meist unerwähnt blieb.
Für wen ist dieses Buch? Das Buch hat in erste Linie einen sehr hohen fotohistorischen Wert, da damit die Geschichte die Fotografendynastie erstmals umfassend in einem voluminösen und spannenden Buchwerk dokumentiert ist. Dann ist es auch für das Engadin eine wichtige Publikation, die nicht nur ein wichtiges Stück Heimatgeschichte widerspiegelt, sondern mit vielen Bildern das Gesellschafts- und Wirtschaftsleben im Wandel der Zeit darstellt.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
Dieser Bildband widmet sich einer der bedeutendsten Fotografendynastien der Schweiz: drei Generationen der Familie Feuerstein aus Scuol. 1898 eröffnete Johann Feuerstein (1871–1945) in dem Unterengadiner Dorf eine einfache Fotowerkstatt. Bis zu seinem Tod betätigte er sich als Fotograf, der das Alltagsleben dokumentierte und ab 1914 als Chronist für den in jenem Jahr gegründeten Schweizerischen Nationalpark wirkte. Sein Sohn Domenic Feuerstein (1900–1949) kehrte 1935 nach Jahren der Selbstständigkeit in Locarno und Zuoz in den elterlichen Betrieb zurück. Gemeinsam bauten Vater und Sohn ihren Postkartenverlag auf, zudem veröffentlichte Domenic mehrere Bücher.
Auch Domenics Söhne Jon (1925–2010) und Mic Feuerstein (1928–2004) führten die Familientradition erfolgreich weiter. Jon spezialisierte sich auf technische Aufnahmen wie die Dokumentation der Engadiner Kraftwerke; Mic wurde ein bekannter Wildtierfotograf und später ein Pionier des schweizerischen Dokumentarfilms.
Die Feuersteins beschäftigten sich als Fotografen vorwiegend mit ihrer Umgebung, mit Natur und Kultur des Engadins sowie dessen wirtschaftlicher Erschliessung. Mit beinahe 400 spektakulären Abbildungen zeigt das Buch umfassend ihr Schaffen über drei Generationen und nahezu das gesamte 20. Jahrhundert hinweg. Der Bündner Journalist Ruedi Bruderer verortet es im lokalhistorischen, die Fotospezialisten Anton Holzer und Urs Stahel im internationalen fotohistorischen Kontext.
Der Inhalt
Vorwort – Urs Stahel
Weit blicken: Die Fotografendynastie Feuerstein – Anton Holzer
1871 – 1945: Johann Feuerstein: Gründer der Fotografendynastie – Ruedi Bruderer
1900 – 1949: Domenic Feuerstein: Fotograf und Schriftsteller – Ruedi Bruderer
1925 – 2010: Jon Feuerstein: Ansichtskarten und Kraftwerksbau – Ruedi Bruderer
1928 – 2004: Mic Feuerstein: Tiere im Fokus – Ruedi Bruderer
Der Ansichtskartenverlag – Seraina Feuerstein
Die Fotografen und Filmemacher und der Schweizerische Nationalpark – Gian Cla Feuerstein
Vater Anton: Der erste Feuerstein in Scuol – Ruedi Bruderer
Die Frauen: Ihre spezielle Würdigung & Porträts – Seraina Feuerstein & Gian Cla Feuerstein
Anhang
Bibliografie / Filmografie / Ausstellungen / Fundaziun Fotografia Feuerstein / Mitarbeit Publikation / Dank / Impressum
Die Autorinnen und Autoren
Ruedi Bruderer studierte nach dem Lehrerseminar Geschichte und Publizistik an der Universität Zürich und arbeitete danach über 30 Jahre er bei der SRG als Journalist, zuletzt bei Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR) in Chur. Er war schon früh mit der Familiengeschichte und Fotografentradition der Feuersteins vertraut und hat 2019 einen RTR-Film über die Fotografendynastie Feuerstein realisiert.
Gian Cla Feuerstein ist als Sohn von Domenic Feuerstein ein direkter Nachfahre der Fotografendynastie. Er studierte Forstwissenschaften an der ETH Zürich und ist beim Amt für Wald und Naturgefahren des Kantons Graubünden tätig. Seit der Gründung der Fundaziun Fotografia Feuerstein im Jahr 2012 ist er Stiftungsrat und als solcher für die digitale Erschliessung des Fotobestands der Fotografenfamilie verantwortlich. Im Jahr 2024 übernahm das Amt des Stiftungsratspräsidenten.
Seraina Feuerstein, Tochter von Mic Feuerstein, absolvierte ihre Ausbildung zur Grafikerin und gründete 1981 mit Ruedi Baur ihr eigenes Grafikatelier. Seit 1984 arbeitet sie als freischaffende Künstlerin und Ausstellungskuratorin in Zürich und Graubünden. Sie Mitglied des Stiftungsrats, hat das Buchprojekt initiiert und ist als Projektleiterin massgeblich für das Buchkonzept und die Gestaltung verantwortlich.
Anton Holzer studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Philosophie in Innsbruck, Bologna und Wien. Er ist Fotohistoriker, Publizist und Ausstellungskurator sowie seit 2001 Herausgeber der Zeitschrift «Fotogeschichte». Er war und ist beteiligt an diversen Forschungsprojekten und Publikationen zur Fotografiegeschichte, unter anderem zur Kriegsfotografie, zur Geschichte des Fotojournalismus sowie zu Exil und Fotografie.
Urs Stahel studierte deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft, Geschichte und Philosophie an der Universität Zürich und war Mitbegründer des Fotomuseums Winterthur sowie von 1993 bis 2013 dessen Direktor und Kurator. Er arbeitet als frei beruflicher Autor, Kurator, Dozent und Berater. Er ist Kurator der MAST in Bologna, Berater der MAST-Sammlung für Industriefotografie in Barcelona sowie der Collection of Art Vontobel, Zürich.
Bibliografie
Fotografendynastie Feuerstein
Johann Feuerstein, Domenic Feuerstein, Jon Feuerstein, Mic Feuerstein
336 Seiten, 14 farbige und 447 Schwarzweiss-Abbildungen, Fadenbindung, Hardcover, Format 24 x 32 cm, 2025, Gewicht 2,3 kg
Herausgeber: Fundaziun Fotografia Feuerstein, Seraina Feuerstein, Gian Cla Feuerstein
Sprachen: Deutsch und Rätoromanisch
Autoren: Ruedi Bruderer, Gian Cla Feuerstein, Seraina Feuerstein, Anton Holzer, Urs Stahel
Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich
Preis: CHF 79.00 / EUR 79,00
ISBN 978-3-03942-307-1
Das Buch kann im Buchhandel erworben oder direkt beim Verlag bestellt werden.
Weitere Informationen über den Nachlass der Fotografendynastie Feuerstein mit mehr als 11’000 Bildern finden Sie auf der Website der Stiftung Feuerstein.










