Die vorliegende Ausgabe von Soulful Photography ist der abstrakten Fotografie gewidmet – eine Fotografie, bei der nicht mehr das Motiv selbst von Bedeutung ist, sondern viel mehr dessen Wirkung durch Formen, Farben und Erscheinungen auf die Betrachtenden. Das Heft ist voll von spannenden Bildbeispielen.
Abstrakte Fotografie verblüfft. Sie hinterfragt die eigene Wahrnehmung und regt dazu an, persönliche Interpretationen und neue ästhetische Erfahrungen zu machen. Das Motiv ist meist auf dem Foto nicht mehr realistisch erkennbar. Es tritt in den Hintergrund, wird unwichtig, und durch Komposition, Farben, Formen, Linien, Texturen und Bewegung abgelöst, welche beim Betrachtenden Interesse wecken und die Fantasie anregen.
Dass die jüngste Ausgabe von Soul Photography vollumfänglich der abstrakten Fotografie gewidmet ist, ist der Zusammenarbeit von Herausgeber Kedar Misani und der Künstlerin Iris Depassé zu verdanken, die seit fünf Jahren in Holland die Akademie für Abstrakte Fotografie betreibt. Sie hat zum Thema ein Buch verfasst, tritt in TV-Sendungen auf und bietet ein breites Workshop-Programm, in welchem sie kreative Fotografinnen und Fotografen in die Welt der abstrakten Fotografie einweiht.
Iris Depassé, die Initiantin dieser Ausgabe, zeigt in ihrem Portfolio auch gleich, was sie unter abstrakter Fotografie versteht; dies mit Bildern, die nicht typische Fotografien sind, sondern die eben so gut Gemälde sein könnten. «Für mich hat die abstrakte Fotografie schon immer das Potenzial gehabt, den Fokus von dem, was wir sehen, auf die Art und Weise, wie wir etwas sehen, zu verlagern», sagt Iris Depassé «und einen Moment der Stille, des Staunens und der Verbundenheit zu bieten. Sie würdigen das Geheimnisvolle in dem, was wir nicht vollständig erklären können.»
Stanislav Bartnikas erlebt jedes Mal einen überwältigenden Moment, wenn er fliegt und auf die Erde hinunter schaut. Seine Gedanken verstummen, sein Körper fühlt sich leicht an und er versinkt in einen Zustand tiefer Meditation. Er beobachtet und gibt sich ganz seinem Gemütszustand hin. Er jagt nicht allein den Kompositionen oder der landschaftlichen Schönheit nach, sondern «ich spüre, wenn ein Ort unter mir lebendig ist, wenn seine Energie mich ruft», sagt Stanislav. «In diesem Moment drückt meine Hand fast von selbst den Auslöser. Die Energie dieses natürlichen Kraftortes fliesst durch mich in die Kamera, und das Foto hält sie fest».
Als Museologin hat sich Ellen Eisman oft dafür interessiert, was hinter einem Objekt steckt, welche Geschichten es uns erzählen kann und aus welchen Materialien es besteht. Heute arbeitet sie nicht mehr im Museum, doch ihre Neugier ist geblieben. Nach einem Burnout hat sie sich ein Mikroskop angeschafft, das ihr eine ganz neue Welt eröffnete und sie beim Experimentieren zur abstrakten Fotografie brachte. «Ich experimentiere mit verschiedenen Techniken und kombiniere mehrere Fotos, füge Farbe, Text oder Musik hinzu. Meine Bilder entstehen organisch während des kreativen Prozesses; manchmal bauen sie buchstäblich aufeinander auf und werden vielschichtig. Die Fotografie ist nicht mehr nur eine visuelle Erkundung – sie ist für mich zu einem Werkzeug der Heilung geworden» sagt Ellen Eisma.
Wilma Westers: «Oft kommt mir ein Bild ganz von selbst in den Sinn, wenn ich ruhig durch die Stadt, die Natur, einen Hafen oder einfach nur durch meinen Garten spaziere» sagt Wilma Westers. «Neugierig beuge ich mich vor oder gehe auf etwas zu, das meine Aufmerksamkeit erregt: schöne Farben, auffälliges Licht oder eine besondere Form. Zuerst verspüre ich ein freudiges Gefühl, eine angenehme Aufregung, und dann mache ich ein Foto». Für diejenigen, die seine Fotos betrachten, entsteht ein Fantasieraum individueller Geschichten mit eigenen Emotionen. Die Bilder, die Wilma für diese Sonderausgabe ausgewählt hat, vermitteln eine Stille, sind ruhig in Farbe und Form, aber dennoch ausdrucksstark.
Robert Hecht geht mit offenen Augen durch die Welt und entdeckt in einer Vielzahl von Materialien landschaftsähnliche Formen. Die Bilder seiner Serie sind ausgewählte Details von Rost und Farbe alter Autos auf einem Schrottplatz und sehen aus wie Landschaften. Deshalb nennt sie Robert Hecht «Landschaften des Geistes». «Ich glaube, dass kreative Fotografie mehr als nur eine Beschreibung bieten kann, indem sie über das Faktische hinausgeht und in den Bereich der Fantasie vordringt» sagt Robert Hecht. «Und doch tun selbst die abstraktesten Bilder beides, denn ein Foto ist gleichzeitig eine wörtliche Aufzeichnung eines Ausschnitts der visuellen Realität und eine Darstellung der Vision oder Seele des Fotografen. Es ist ein magisches Medium».
Ronald Peeters empfindet als künstlerischer Naturfotograf seit seiner Kindheit eine tiefe Verbundenheit mit der Natur. Sie sei eine Quelle reiner Stille, tiefer Weisheit und unermesslichen Vertrauens, und er sei auf seinen Streifzügen durch die Natur unaufhörlich auf der Suche nach neuen Wegen, um das auszudrücken, was sich ihm jenseits der unmittelbaren Wahrnehmung offenbart. Die Inspiration zu dieser Bildserie «Echo der Ewigkeit» kam ihm eines Morgens am Ufer eines nebelverhangenen Moores, als eine Gruppe von Kanadagänsen gerade ihr Tageswerk begannen. «Ich wurde Zeuge ihrer atemberaubenden Choreografie, der Anmut ihres Fluges, der Poesie ihrer Flügelschläge» erinnert sich Peeters. «Ich wollte ihre Flugkünste nicht in scharfen, statischen Fotos einfrieren, sondern vielmehr die Bewegung selbst einfangen – den zerbrechlichen Moment, die Dynamik, die Flüchtigkeit. Für mich hallt in diesen Bildern ein stilles Echo der Ewigkeit wider. Sie sind eine Ode an die Schönheit, an den Tanz des Lebens und an unsere tiefe Verbindung mit der Mutter Natur».
Die Bilder der Kunst- und Architekturfotografin Angie McMonigal aus Chicago sollen die Betrachtenden dazu bringen, ihr Umfeld aufmerksamer zu beachten und inne zu halten. Sie bieten eine meditative, detailreiche Perspektive, die sowohl von ihrem wissenschaftlichen Hintergrund als auch von ihrer tiefen Verbundenheit mit der natürlichen und der bebauten Umwelt geprägt ist. Das Wechselspiel zwischen Natur und Architektur, Chaos und Kontrolle prägt ihre Sichtweise. «In Architektur und Design sind wir darauf konditioniert, Gebäude als vollständige Formen zu interpretieren» sagt Angie McMonigal. «Dabei übersehen wir jedoch oft die einzelnen Komponenten, welche die Emotionen, Bedeutungen oder Erinnerungen transportieren. Diese Serie lenkt die Aufmerksamkeit zurück auf diese subtilen, oft übersehenen Momente und lädt zu einer intimeren Beziehung mit Raum und Licht ein».
Die Lesergalerie
Jede Ausgabe von Soulful Photographie schliesst mit einer Auswahl von Leserzusendungen zum gestellten Thema. Diesmal wurden die Einsendungen von Kate Barclay, Denis Oliver, Ron Rosenstock, Irma Strikwerda, Petra von Noord, Nicci Walker, Beat Hotz und Kedar Misani berücksichtigt.
Möchten auch Sie Ihre besten Fotos in Soulful Photography veröffentlichen? Die nächsten Ausgaben von Soulful Photography sind bereits in Vorbereitung: Die Januar/Februar-Ausgabe «Japan» ist kurz vor dem Abschluss (Stand 07.11.2025). Danach folgen die folgenden Themen: Nr 14 «Black & White II», Nr 15 «Floras», Nr 16 «China» und Nr 17 «Streetscapes». Bilder einsenden per E-Mail an kedar@goldenboat.in
Das Schweizer Fotomagazin «Soulful Photography» erscheint sechsmal pro Jahr englischsprachig und ist ausschliesslich im Jahresabonnement für CHF 80.00 / € 85.00 inkl. Versandspesen, erhältlich. Es gibt keine Online-Ausgabe. Verkaufsstellen gibt es zur Zeit im Restaurant The Sacred in Zürich, im Yogazentrum Ganapati in Winterthur und im Musikladen Gandharva Loka in Zürich. Die Ausgaben 1 bis 6 sind nicht mehr erhältlich.
Leseraktion 7 für 6: Neue Leserinnen und Leser von Fotointern.ch haben ab sofort die Gelegenheit ein Spezialabo von Soulful Photography zu bestellen: Sie bezahlen 6 Ausgaben und erhalten 7. Einfach den Jahresbetrag von CHF 80 auf 077 459 49 99 twinten und ihre Postadresse angeben. Das Angebot gilt nur für Neuabonnenten.
Weitere Informationen finden Sie unter www.soulful-photography.wordpress.com oder per E-Mail an kedar@goldenboat.in







