David Meili, 26. August 2008, 07:00 Uhr

Kulturtipp am Dienstag: Bergfotografie in Rossinières und Bern

Das Festival de de photografie „Alt.+ 1000“ findet auf 1 000 m über Meer in Rossinières/VD statt. So lässt sich eine Spätsommer-Wanderung mit Kulturgenuss verbinden. Wer sich ausserdem für hochalpine Fotografie interessiert und keinen Viertausender besteigen will, darf sich die Ausstellung Wand und Wagnis anlässlich zur Erstbesteigung des Eigers vor 150 Jahren im Alpinen Museum Bern nicht entgehen lassen.

Rossinières ist eines der idyllischsten Dörfer in den Waadtländer Voralpen, bekannt durch das grösste historische Chalet und als langjähriger Wohnort des Malers Balthus. Man erreicht das schmucke Bauerndorf mit der Bahn ab Montreux oder mit dem Auto in wenigen Minuten vom mondänen Gstaad. Die regionale Kulturvereinigung BienPublic, die auch Konzerte organisiert, hat sich mit dem Festival Grosses vorgenommen.

Kuratiert wird die Ausstellung von Marco Constantini, der seine Vorschläge einer Jury unter dem Vorsitz von Nicolas Savary, Professor für Fotografie an der Ecole de photographie, Vevey unterbreitet hat. Constantini ist Spezialist für Gegenwartskunst, liess sich jedoch rasch vom Thema begeistern. So ist eine aussergewöhnliche Zusammenstellung von Portfolios von jungen Fotografinnen und Fotografen entstanden. Man mag bemängeln, dass nahezu alle aus dem Umfeld der Ecole de photographie stammen, doch das tut der Qualität keinen Abbruch. Realisiert werden konnte die Ausstellung letztlich durch die ehrenamtliche Mitarbeit von Dutzenden von Kulturbegeisterten aus der Region.

Vanessa Püntener (1973) hat das Alltagsleben von Bergbauernfamilien im Kanton Uri festgehalten. Man erhält einen Einblick in eine Lebens- und Wirtschaftsform, die es in dieser Art vielleicht nicht mehr lange geben wird. Püntener stiess bei ihren Recherchen auf Schriften ihres eigenen Urgrossvaters, der Alpinspektor war. Daraus ist ein Buch entstanden.
Website: www.vanessapuentener.ch

Thomas Flechtner (1961) hat sich im Winter an Furka und Gotthard in Strassentunnel vorgewagt, die mit Schnee zugeschüttet sind und vermittelt bis anhin nie gesehene Bilder der Gewalt der Natur im Hochgebirge. Es sind ausgesprochen ästhetisch durchkomponierte Fotografien im Stil einer klassischen Architekturfotografie (sh. Einstiegsbild). Flechtner wurde nach dem Erscheinen seines Bildbands „Snow“ (Lars Müller Verlag) von der Kunstkritik in höchsten Tönen gelobt und mit Balthasar Burkhard verglichen.

Tonathiu Ambrosetti (1980) fotografiert in der gleichen Zone des Hochgebirges auf einen ersten Blick die Natur. Doch beim genaueren Hinschauen entdeckt man die Spuren der menschlichen Eingriffe, wie Stauseen. Tonathiu setzt seine tehmatische Linie langfristig und konsequent durch, unter anderem mit einem Portfolio über die Ruinen der Wolfschanze, der letzten Festung von Hitlers Armee.
Portfolios auf: www.tonathiu.ch

Die Landschaftsaufnahmen von Raphael Hefti (1976) von Gletschern und Bergen, die er nachts mit Leuchtbomben der Schweizer Armee beleuchtet hat, sind auch in der Deutschschweiz bereits bekannt. Hefti bewegt sich imZwischenbereich zwischen Fotografie und Konzeptkunst.
Weitere Arbeiten auf: www.raphaelhefti.ch

Eva Lauterlein (1977) stellt idyllische Momente aus der alpinen Welt dem heutigen Alltagsleben und der veränderten Landschaft gegenüber. Sie lässt offen, ob es Gegensätze oder Teile eines Gesamtbilds sind. Lauterlein setzt sich seit 2002 intensiv mit der zuerst kaum erkennbaren Manipulation von Bildern am Computer auseinander. Sie schafft dadurch unwirkliche, irritierende Momente.
Weitere Arbeiten auf: www.evalauterlein.net

Camille Scherrer (1984) zeigt Chalets und Scheunen in der Nacht, oft nur durch eine Stalllampe beleuchtet und greift auf die Ästhetik von alten Fotoplatten zurück, die sie bewundert. Scherrer, erst 24, hat bereits ein unglaublich vielseitiges und interessantes Oeuvre vorzuweisen. Es reicht von Plakaten bis zu Multimedia-Flashs für Diskotheken.
Werkübersicht: www.chipchip.ch

Benoît Vollmer (1983) fotografiert Skistationen im Hochgebirge ausserhalb der Saison als unwirkliche Geisterwelten. Vollmer überzeugt durch mehrfach publizierte Reportagen.
Beispiele auf: www.benoitvollmer.com

Anne-Sophie Küch (1984) arbeitet mit dem „Berg“ als Metapher im Alltag. Sie hat persönliche Objekte zu Bergen aufgeschichtet und beleuchet sie mit der Taschenlampe. Küch arbeitet intensiv am Verstehen der menschlichen Wahrnehmung, auch in Zusammenarbeit mit Kunstphilosophen der jungen Generation. Ihre Werke sind nicht einfach zu erschliessen, und es ist mutig, sie in diesem Umfeld zu zeigen.
Weitere Arbeiten und theoretische Erläuterungen auf: www.askuch.ch

Festival de photografie de la montagne „Alt. + 1000“, Rossinières/VD, bis 14. September 2008.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der über Website www.plus1000.ch bestellt werden. Die Website enthält weitere Informationen zur Ausstellung und einen Situationsplan.

Wer einen Querschnitt durch die traditionelle Bergfotografie erleben möchte, findet ihn in der reichlich dokumentierten Ausstellung „Wand und Wagnis“ im Alpinen Museum Bern. Zum Anlass des 150 Jahr-Jubliäums der Erstbesteigung des Eigers stellt die Ausstellung an der Besteigung des zweitberühmtesten Bergs der Schweiz und seiner Nordwand grundsätzliche Fragen zur Motivation der Menschen, die diese Risiken eingehen. Zur Ausstellung finden regelmässig Führungen und Filmprojektionen statt. Das Alpine Museum verfügt über bedeutende Bestände von historischen Fotografien, die regelmässig in Ausstellungen Eingang finden.

„Wand und Wagnis“. Ausstellung im Alpinen Museum, Bern. Bis 28. September 2008.

www.alpinesmuseum.ch

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