David Meili, 7. September 2008, 09:03 Uhr

Verzauberte Edith Hunkeler, neue Trends bei Politikerporträts und Zuwachs für die People-Presse

Pressespiegel zum Wochenende vom 6./7. September 2008

Für den Start der Paralympics in Beijing hat sich die Schweizer Illustrierte etwas Besonderes ausgedacht. Thomas Buchwalder setzt die Rollstuhl-Sportlerin Edith Hunkeler in Szene. Nicht im Rahmen einer Homestory, sondern als Nixe am Meeresstrand. Edith Hunkeler räkelt sich, schaut uns tief in die Augen und lässt Wasser und Sand über ihren Oberkörper perlen.

Der Bildbericht ist bewusst doppeldeutig und doppelbödig. Edith Hunkeler hat als Nixe zwar keinen Fischschwanz, doch einen gelähmten Unterleib, und wie sie im Interview darstellt, auch gefühllosen. Dass sie mit ihrem Partner, dem Unihockeyprofi Mark Wolf dennoch ein glückliches Liebesleben hat, dürfte vielen Paraplegiker/innen Mut machen. Wir wünschen der klugen und schönen Sportlerin in Beijng den verdienten Erfolg.

Die Politik in der Schweiz scheint sich im Kreis zu drehen. Seit Wochen reduzieren sich die Schlagzeilen der Tagespresse auf immer wieder gleiche Themen. Das Bild von Bundesrat Samuel Schmid beim Stehkaffee mit seinem früheren Armeechef wurde zweifellos schon mehr als hundert Mal abgedruckt. Nun durchbrechen innovative Fotografen die Langeweile. Peter Schneider hat für Keystone die jüngste, eher bizarre Pressekonferenz von Christoph Blocher und Christoph Mörgeli im Bild erfasst (Tages-Anzeiger, 6. September 2008, Seite 3). Sie zeigt einen tief in Gedanken versunkenen alt Bundesrat, der von seinem treusten Vasallen fragend angeschaut wird. Den Vordergrund bildet ein blutig roter Nebel, wie in einer Disco der siebziger Jahre. Mit im Bild befinden sich zwei Drittel einer Fernsehkamera. Ob der Nebel am Computer entstanden ist, wissen wir nicht. Doch das Bild überzeugt. Es zeigt die zunehmende Isolation und Einsamkeit der beiden Spitzenpoltiker in ihrer Schicksalsgemeinschaft.

Christian Grund hat für seine Porträts des aufsteigenden Stars der SP, Daniel Jositsch ebenfalls Verfremdung als Mitel gewählt. Auch hier wird man neugierig, wie seine Bilder für DAS MAGAZIN entstanden sind. Grund hat Jositsch in ein (natürlich) vorwärts fahrendes Auto gesetzt, mit Thee im Kartonbecher und einer Beleuchtung à la Hitchcock. Das zweifellos von Strafprofessor Jositsch abgesegnete Porträt lässt ebenso zwiespältige Gefühle zurück wie der Textbeitrag von Daniel Binswanger. Weder die Persönlichkeit des Politikers noch die neue Ausrichtung der Partei werden aus dem Bericht fassbar. DAS MAGAZIN hat mit dem Engagement von Christian Grund, der vor allem für Die Zeit tätig ist, keinen Aufwand gescheut. Man muss diese Bilder gesehen haben.

Auch Jositsch war mit der kurzen Liason einer Parlamentskollegin zumindest für einige Wochen in der Schweizer People-Presse präsent. Die internationale Szene ist durch eine neue, attraktive Darstellerin bereichert worden. An einer improvisierten Pressekonferenz hat die französische Justizminsterin Rachida Dati ihren Babybauch präsentiert und ist abgelichtet worden. Doch wer ist der Vater? Für Agenturen beginnt nun der Kampf um Archivbilder, die bis anhin vielleicht wertlos waren. Es gibt wilde Spekulationen und sogar Wetten, nachdem Dati sich dazu bekannte, ein „kompliziertes“ Privatleben zu führen. Der frühere spanische Ministerpräsident José Maria Aznar reagierte sogleich juristisch. Er verfolgt unerbittlich jegliches Gerücht und auch die Publikation von Pressebildern, die ihn und Rachida Dati gemeinsam zeigen und zweideutig interpretiert werden könnten.

Während in den Blogs die Spekulationen noch wilder ins Kraut schiessen, hält sich die führende französische People-Presse diskret zurück. Offensichtlich respektieren Closer wie ParisMatch den Wunsch von Madame, vorerst in Ruhe gelassen zu werden. Es lockt ja auch noch das Exklusivrecht für das Babybild. Zudem sitzt der Szene immer noch der Schock im Nacken über juristische Verfahren im Umfeld von Scheidung und Wiederverheiratung des Staatspräsidenten.

Die Schweizer Sonntagspresse hat an diesem regnerischen Tag viel zu bieten. Das Magazin zum SonntagsBlick befasst sich mit dem Botellon in Zürich, das weit mehr Aufsehen erregte als Massenbesäufnisse quer durch alle jüngeren Generation bei der Euro08, dem Stadtfest und der Streetparade. Der Textbeitrag relativiert etwas und vergleicht die zurückgelassene Abfallmengen am Bottelon mit anderen grösseren Anlässen. Die Bilder jedoch sind nicht für einen schwachen Magen bestimmt. Ein Teil der Aufnahmen stammt von Michael Würtenberg. Er dürfte sich den trinkfreudigen Teenies mit der Kamera vorsichtig genähert haben, nach dem beim Bottelon in Genf in der Woche zuvor ein Blick-Reporter verprügelt wurde.

Karl-Heinz Hug hat für den SonntagsBlick wiederum einen beneidenswerten Auftrag übernommen. Er porträtiert Prominente und solche, die es einmal waren mit ihren umweltfreundlichen Autos. Die in Montagetechnik gestaltete, informative Reportage hat Modellcharakter für neue visuelle Trends in Sonntags-Magazinen.

Die NZZ am Sonntag verfügt stets über gute Einzelbilder (mehrheitlich von Agenturen), doch man scheut sich an der Falkenstrasse vor eigentlichen Bildreportagen. Dieses Wochenende überzeugt wiederum ein Fussballbild. Urs Bucher (EQ Images) hat es aus der Schlussoffensive des Spiels Schweiz-Israel nach Zürich übermittelt. Originell ist die Bildserie über Sonntagnachmittage in der Schweiz im Ressort Gesellschaft. Diese Woche steht Opfikon (ZH) mit einer Aufnahme von Christine Bärlocher im Rampenlicht, – so wie sich der NZZ-Leser Opfikon vorstellt. Auch eine gestalterisch gute Aufnahme kann übel daherkommen, wenn sie ein billiges Zerrbild wiedergibt.

Doch die Rache findet sich im Ressort Style. Bereits Titelbild und Titel sind unfreiwillig komisch („Out of Africa ökologisch“, – Gepard auf Landrover). Dann folgen Konsumtipps für jene, die nicht in Opfikon leben und am Zürichberg oder an der Goldküste ganz andere, tiefgreifendere Sorgen haben. Unter *Style“ versteht die NZZ am Sonntag, auch was Bilder betrifft, auf ihre Weise.

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