David Meili, 12. Oktober 2008, 08:59 Uhr

Kuhbeben, Politstory mit und ohne Bilder und eine Miss in festen Händen

Pressespiegel zum Wochenende vom 11./12. Oktober 2008.
Jedes Jahr sorgt das Plakat zur Eröffnung der OLMA für Diskussionsstoff in der Presse der Ostschweiz. Nachdem sich die Volksmeinung jeweils über Bilder von vakuumierten St.Galler Bratwürsten und angebissenen Bürli ereifert hat, ist sie dieses Jahr über das Porträt einer unscharf verzitterten Kuh geteilt. Die einen mögen das grafisch attraktive Plakat, andere, wie das St. Galler Tagblatt, spotten über ein „Kuhbeben“. Hanspeter Egli, Direktor der volksverbundensten Messe der Schweiz freut sich sichtlich über die Empörung. Man spricht von der OLMA, die noch bis zum 19. Oktober auch für Fotograf/innen grossartige Sujets bietet.

Doch das St.Galler Tagblatt vermittelt substantiellere Informationen. Die Aufnahme stammt zum dritten Mal von Samuel Forrer, die grafische Umsetzung verantwortet Andrea Gmünder. Forrer ist Bilderbuch-Appenzeller, knorrig und diskret, arbeitet in der Informatik, tritt als Violonist auf ,und versteht wirklich etwas vom Fotografieren. Entstanden ist das Bild an einer Viehschau in Speicher als eine Kuh ausbüchste, ohne dass der Autofocus mithalten konnte. Ein Zufallstreffer ist es nicht, Forrer und Gmünder ist wiederholt ein grosser Wurf gelungen. Das Plakat ist preisverdächtig, und man ist gespannt darauf, wer als nächster die Disziplin „OLMA-Plakat“ an der Hörnern packt. Die Ausschreibung ist offen.

Tierisch ist auch die Ausgabe von DAS MAGAZIN an diesem Wochenende. Die Illustration zum Beitrag von Matthias Meili über die Gefühle der Tiere konnte niemand besser gestalten als Noe Flum, der mehrfach Preise für Reportagen und Werbefotografie gewonnen hat, doch dessen Stärken sich auch im Studio zeigen. Die Redaktion unter Guido Mingels würdigt die Hühner- und Schafporträts bereits im Editorial. Es fiel dem Team nicht leicht, das Topmodel für die Frontseite zu finden. Flum dürfte als Bewerber für die kommende ewz.selection gesetzt sein.

Es gibt sie noch, die Tageszeitung mit einer Bildredaktion, die auf Einmaligkeit und auch auf Aufträge setzt. Natürlich findet sie ihre Leser/innen in der Westschweiz, wo ein intellektuelles Publikum sehr viel mehr an Fotografie interessiert ist. Le Temps bringt diese Woche eine sinnbildliche Aufnahme von Bertrand Cottet (Startes) zur Heiligsprechung von Schwester Maria Bernarda aus dem aargauischen Auw. Patrick Gilliéron Lopreno zeigt mit einer Aufnahme der Protagonisten im Rechtsverfahren um die Genfer Kantonalbank BCGE ein Gruppenbild von hoher Qualität. Es macht Spass, die Samstagsausgabe von Le Temps durchzublättern und den Fotograf/innen nachzuspüren.

Doch, wie realisiert man einen Beitrag, wenn sich ein Politiker in seinem aktuellen Zustand weder interviewen noch fotografieren lässt. Der Blick hat die journalistische Regel Nummer 2 bereits befolgt und nach einem missglückten Schnappschuss von Bundesrat Hans-Rudolf Merz bei der Überführung ins Berner Inselspital ausführlich darüber geschrieben, wie unser Finanzminister abgeschirmt wird. Nachdem bekannt wurde, dass er sich zur Rehabilitation in einer Klinik im heimischen Appenzellerland befindet, blieb dem Blick nichts anderes übrig, als die Klinik von Aussen zu zeigen (mit einem aktuellen Bild von Mario Gaccioli, der tatsächlich hingefahren ist) und dann den Bundesrat im Sportdress auf dem Bundesplatz (Archivbild). Dass „Hans-Ruedi“  jeden Tag mit seiner Stellvertreterin Eveline Widmer-Schlumpf kurz telefoniert, und dass es ihm Tag für Tag besser geht, bildet die Hauptbotschaft des Beitrags. Nun fragt sich Sonntags-Blick heute folgerichtig: „Warum wird Merz so abgeschottet?„. Am Montag erfahren wir mehr.

Zögernd verhielt sich die Presse beim Unfalltod von Jörg Haider. Obwohl die Nachricht am Samstag bereits nach 6 Uhr morgens über die Nachrichtendienste verbreitet wurde, hielt man sich zurück. Zuerst berichtete die Online Ausgabe des Tages-Anzeiger, dann folgt die übroge Presse. Dass Haider nach der Präsentation eines schlüpfrigen Magazins mit seinem Volkswagen Phaeton sehr viel zu schnell fahren musste, um einen tödlichen Verkehrsunfall innerorts zu haben, wusste man und hieltz es lange der Leserschaft fern. Bild-Online gelang es offensichtlich, die Bilder der Party anzukaufen und gegen Abend zu publizieren. Selbst die sonst nicht lichtscheue Kronenzeitung hält sich in der Berichterstattung zurück, sicher nicht aus Pietät, sondern aus Angst vor einer Prozesslawine aus dem Umfeld des sonst im Umgang mit seinen Gegnern nicht unzimperlichen Politikers. Der Blick am Sonntag geht noch einen Schritt weiter und erklärt den Unfalltod von Haider so, dass er innerorts überholte, um am Geburtstag seiner Mutter teilnehmen zu können. Soviel Kitsch hätte man uns samt Bildcombo ersparen können. In der österreichischen Sonntagspresse dringt die PR durch: „So stirbt ein Held“, – nicht auf dem Motorrad, sondern in einer der sicheresten Limousinen der Welt.

Ringier hat bei der Exklusivberichterstattung über die neue Miss Schweiz Whitney Toyloy in der Schweizer Illustrierten aufgeholt. Erstmals wird eine amtierende Miss zweiseitig in inniger Umarmung mit ihrem „Schatz“ gezeigt. Freund Karim könnte ebenfalls als Mister Schweiz Karriere machen. Die Home-Story, fotografiert von Thomas Buchwalder ist eher nicht gelungen. Abgebildet wird das Zimmer einer behüteten Gymnasiastin. Ob das Thema ein Jahr durchhält, und was aus Whitney wird, beschäftigt nicht nur Insider der People Presse.

Die NZZ beglückt uns regelmässig mit einer Art Shopping-Magazin als Beilage. Z – Die schönen Seiten ist amerikanischen Luxusmagazinen nachempfunden, wie man sie früher in Airlines fand, wenn man sich in Warteschlaufen langweilte. Die aktuelle Ausgabe dreht sich um „Wein und Genuss“. Der Hauptartikel ist nicht sehr originell, denn schon seit mehr als einem Jahrzehnt befasst sich die Gourmet-Presse mit dem Thema der „Metzgete“ in der Nouvelle Cuisine. Thomas de Monaco hat hierzu perfekte Foodbilder geliefert. Vieles im Magazin ist auch redaktionell gar nicht so schlecht, doch für Leser/innen aufbereitet, die einen Château Pétrus für CHF 5 500.- (pro Flache) empfohlen bekommen und für Werbekunden von Bentley. Die Werber schwelgen in dieser Luxuswelt, selbst die Genfer Kantonalbank BCGE (sh.oben) inseriert. Die nächste Ausgabe erscheint in einem Monat zum Thema „Uhren und Schmuck“.Hat man im Vorfeld des Weihnachtsverkaufs etwas anderes erwartet?

Der 11. Oktober ist der Tag der „Palliative Care„, nur weiss man wenig über den Tag und das Anliegen der Promotoren. Im Tages-Anzeiger (Ausgabe Zürcher Unterland) erklärt Marlies Petrig, Leiterin des Krankenheimverband Zürcher Unterland im Begleittext zu einem grossflächigen Bildporträt von Yvon Baumann dar, was Palliative Care ist. Wir hätten lieber Bilder aus der Pflege selbst gesehen, doch es ist symptomatisch, dass eine hochbezahlte Funktionärin und nicht die Patienten/Kunden visuell ins Rampenlicht gestellt werden. Interviews sind kostengünstiger als Reportagen.

Der 11. Oktober ist auch der Tag des Outings für Homosexuelle. Nur werden von der People Presse Homoseexuelle, die sich noch nicht geoutet haben, eifrigst gesucht. Für den Fussball schreibt die taz bereits von einer „verzweifelten Suche“. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Fotografen und Kolleginnen und Kollegen aus der Modeszene zur Enttabuisierung der Homosexualität in der Gesellschaft beigetragen. Wenn sich an diesem Wochenende in der Presse kaum mehr Beiträge unter dem Titel finden, wie „Ich bin schwul (mit Bild)“, ist es auch das Verdienst von unserem Umfeld.

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