David Meili, 8. März 2009, 09:13 Uhr

Rania, Newsnetz als Erstzeitung, und kennen Sie in.?

Pressespiegel zum Wochenende vom 7./8. März 2009
090308_raniaZum Tag der Frau ist die jordanische Königin Rania in den internationalen Medien omnipräsent. Es ist nicht ungewöhnlich für den Nahen Osten, auch Frauen medial aufzubauen und in Szene zu setzen. Hinter den Aktivitäten steht eine hochprofessionelle Medienarbeit, die selbst die Präsenz auf YouTube gewährleistet. Darüber erfährt man in der Schweiz wenig, umsomehr über die unglückselige Minarett-Initiative. Vielleicht passen moderne Araberinnen nicht in unser Weltbild.

Die People-Presse hat sich in den vergangenen Monaten als weitgehend stabil erwiesen. Voici als eines der Leitmedien wirbt in der Ausgabe vom 28. Februar mit 20 zusätzlichen Seiten Redaktion. Mode, Kosmetik und Food sind die wichtigsten Stützen der Werbung, während Autos und Tourismus kaum mehr präsent sind. Voici hat offensichtlich mehr juristische als wirtschaftliche Probleme. Auf der Titelseite findet man ein Gerichtsuteil, das den Verlag Prisma Presse zum Eingeständnis verpflichtet, die Privatsphäre von François Hollande in Text und Bild missachtet zu haben. Die verschärfte Praxis der Gerichte führt dazu, dass die Abschlussredaktion (und das ist kein Gerücht) stets von Juristen begleitet wird.

Da hat es der SonntagsBlick einfacher. Unsere B-Promis sind überglücklich, wenn sie briefmarkengross auf der VIP-Seite von Claudia Schlup und Sabine Wunderlin (Fotos) erscheinen. Kein Highlight dürfte die Nacht des Schweizer Films im KKL gewesen sein, da kurzfristig alle internationalen Grössen absagten und die Träger des lokalen Schaffens unter sich blieben. Die Finanzwelt traf sich am Zürcher Opernball. Es mag Alexander Pereira doch etwas nachdenklich stimmen, dass Blick-Journalist Reza Rafi für „Grandezza“ nur zwei von fünf möglichen Smilies vergab. Doch in der Schweizer Illustrierten wird man ab Montag die „verliebtesten Paare, die schönsten Kleider“ und hoffentlich etwas bessere Bilder finden.

Ein Seitenblick in die NZZ am Sonntag beweist mit Bildern von Karin Hofer, dass der Opernball alles andere als glamourös war. Präsentiert sich so eine zukünftige Stadtpräsidentin? Die Bildredaktion der Qualitätszeitung übernimmt zudem üble Sitten von der Billigkonkurrenz. Auf Seite 23 wurde ein sehr gutes Bild der AFP derart layoutgerecht beschnitten, dass der Begriff „verstümmelt“ angebracht ist. Schade, dass es im Medienrecht kein „Offizialdelikt“ gibt.

Wie man guten Bildjournalismus im Blick machen kann, zeigt die Reportage von Max Kern und Toto Marti (Fotos) über Blerim Dzemaili in Turin. Angesehen vom Titel, der nun wirklich nicht salonwürdig ist, ist der Beitrag auch für Nicht-Sportfans lesenswert. Im Magazin zum SonntagsBlick findet man ein gediegenes Interview von Michael Merz mit dem Bankier Hans Vontobel (Fotos Siggi Bucher).

090308_vontobelAnlass ist die soeben im Römerhof Verlag von Anne Rüffer erschienene Biographie, die Susanne Giger einfühlsam aufgearbeitet hat.

Während sich die Wochen- und Sonntagspresse als krisenresistent erweist, zeichnen sicher immer mehr Probleme fürTageszeitungen ab. Verlegerpräsident Hans-Peter Lebrument spricht in einem Interview mit Le Temps Klartext und sieht die Bezahltzeitungen zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten in einem Existenzkampf. Angesprochen ist auch sein eigenes Medienhaus mit dem Flagschiff „Südostschweiz„. Neunzig Prozent des Umsatzes werden immer noch durch Printmedien generiert. Lebrument stellt generell die Frage nach der Zukunft der gedruckten Zeitung.

Es war ein mutiger Schritt, die Südostschweiz an sieben Tagen pro Woche herauszugeben, und auch die aktuelle Ausgabe von diesem Sonntag erscheint als Kraftakt der Redaktion. Inhaltlich bietet die Zeitung keine Überraschungen, und man fragt sich, ob sich die Wochenendarbeit von unseren Kollegen überhaupt auszahlt. Dennoch setzt Lebrument in seinem Interview auf die Stärke der Region und die lokale Leserbindung als wichtigstes Erfolgsrezept für die Pressevielfalt.

Für immer mehr Leser/innen im Grossraum Zürich wird Newsnetz zur Erstzeitung. Auf dem Internet findet man die meisten relevanten Beiträge bevor die Printausgaben von Tages-Anzeiger oder Basler Zeitung im Briefkasten liegen. Hat man die Zeitungen nicht abonniert, so kann man Nummern ohne erhebliche Informationslücken via Internet überspringen. Neu wird sich auch die Thurgauer Zeitung am Medienverbund auf dem Internet beteiligen. Frauenfeld ist längst Teil der Agglomeration Zürich geworden, nur spüren es die Thurgauer erst langsam.

Doch welche Chancen öffnen sich mit Newsnetz für die Fotografie? Der schlechte Ruf bei Bildproduzenten ist berechtigt, weil in der Vergangenheit nicht nur einmal Bilder aus Flickr übernommen und erst nach Interventionen der Urheber auch abgerechnet wurden. In der Zwischenzeit hat Newsnetz Nachbesserung versprochen und will die Crew auch in Sachen Publikationsethik auf das Niveau der Printmedien aus dem gleichen Verlag bringen. Doch was an Bildstrecken präsentiert wird, ist mehr als nur dürftig. Wir würden den Kolleg/innen ein Stage bei Platzhirschen, wie bei Bild in Berlin oder beim Stern in Hamburg.

090307_in_mediaVöllig unbekannt, doch in fast jedem Briefkasten zu finden ist die auflagenstärkste „Zeitung“ der Deutschschweiz. Diese Woche berichtet in. über 50 Jahre Barbie, mit einem attraktiven Cover und einer gut gestalteten Doppelseite. Dann folgen zwei halbseitige Inserate, und das wars. Immerhin 75 Prozent Redaktion und 25 Prozent Werbung.

Das Konzept ist ausbaufähig. Die Post betrachtet in. als Zeitschrift und setzt das „Lifestyle-Magazin“ (Eigenwerbung) als Shellfolder ein. Beliefert wird man am 5. März 2009 in K. mit folgenden Inhalten: Prospekte von Spar, Vögele, Jysk, Obi, Leemann Bettwaren, Visilab, Megastore und nochmals Spar. Ist in. Vorbote eines neuen Zeitalters der Printmedien? Auf alle Fälle erleichtert es dem sympathischen Jungbriefträger die Auslieferung, und man kann die Werbung bereits gebündelt wegwerfen.

Das Bild der Woche haben wir in der Südostschweiz am Sonntag gefunden. In der Lifestyle Beilage Chili präsentiert Anna Maier einen Concept Car ihres Sponsors Nissan. Maier trägt offensichtlich ein Kleid aus eigener Kollektion, und so ganz knapp passt einfach nichts zusammen. Der Fotograf ist unbekannt. Vielleicht ein Fall für www.klatschheftli.ch, wo weiter gelästert werden darf.

2 Kommentare zu “Rania, Newsnetz als Erstzeitung, und kennen Sie in.?”

  1. Der Hinweis auf die mangelhafte Qualität bei Newsnetz ist berechtigt und die dortige Praxis im respektlosen Umgang mit Urheberrechten und Flickr-Fotos eine freche Schande.

    Dabei ist „nicht nur einmal Bilder aus Flickr übernommen und erst nach Interventionen der Urheber auch abgerechnet wurden“ eigentlich ziemlich schön-geredet. Wie Kommentare hier auf Fotointern zeigen, wird öfter auch mal eine Intervention eines Fotografen einfach ignoriert und das gestolene Bild bei Newsnetz stillschweigend offline genommen: https://www.fotointern.ch/archiv/2009/02/18/peter-studer-rugt-bilderklau-von-newsnetz/comment-page-1/#comment-7389

  2. Hallo Dave
    Vielen Dank für den Tipp mit dem Nissan Murano hinter der Anna Maier. Wir nehmen gleich die Lupe zur Hand…
    Dein Pressespiegel ist übrigens sehr unterhaltsam. Bravo!
    Deine Amber

Kommentare sind geschlossen.

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