David Meili, 20. Dezember 2009, 11:00 Uhr

Verschlankte Bundesrätin, Handybilder verdrängen Partyfotografen und internationale Pressefotografie im Jahresüberblick

091220_DASMAGAZINDAS MAGAZIN bringt uns, wie erwartet, eine Doppelnummer (Shelf-Live gemäss Cover bis 08.01.2010). Die arg gestresste Redaktion muss ja irgendwann auch einmal ihre Familien- und Partnerpflichten erfüllen. Bis dann wird das Titelbild von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf selbst in Wartezimmern von Zahnärzten nicht mehr aufliegen.

„Ich kann das allein“, lautete das Leitmotiv des übrigens lesenswerten Beitrags von Martin Beglinger. Für die Porträts zeichnet Tom Haller. Um Frau Widmer-Schlumpf höher und schlanker zu machen, hat man eine Art Poster-in-Poster Layout gewählt und sie offensichtlich gestreckt. Sonst wäre das Kleid im West-Tyroler-Jägerlook preisverdächtig.

091220_FreitagBereits abgehakt auf Facebook und Internet-Foren sind die peinlichen Bilder auf Seiten 24 und 25 in DAS MAGAZIN. „Rico Czerwinski % Mathias Ninck“ beschenken sich, fotografiert von Walter Pfeiffer mit Büchern und leiten hinüber zum Geschenk an Trudi Müller-Bosshard, der Sonderedition einer von Max Küng promoteten Tasche aus dem Sortiment von Freitag.

Wer sich heute mit dieser Tasche am Einkaufssonntag in den Kreisen 4 und 5 auf die Strasse begibt, outet sich in der Szene definitiv als Proll. Was Walter Pfeiffer aus Trudy Müller-Bosshard gestaltet hat, ist hervorragend. Davon, und nicht vom Täschchen wünscht man sich eine Sonderedition zu Weihnachten.

Geschenke dominieren auch das SonntagsBlick Magazin. „Frohe Weihnachten Schweiz“ titelt der kurze, doch perfekte Beitrag von Barbara Lienhard und zeigt die Vielfalt von Feststimmungen in unserem Land mit Bildern von zwölf Fotografen auf. Im Mittelpunkt der Porträts steht Johann Wanner mit seinem Weihnachts-Märchenland in der Basler Altstadt, das 356 Tage im Jahr Weihnachten feiert.

Eine kurze persönliche Reminiszenz an Johann Wanner. Am feierlichen Anlass „100 Jahre Brauhaus“ der Brauerei Feldschlösschen waren 100 Prominente und einige wenige Journalisten geladen. Es war sehr feierlich, und das Gerücht ging herum, es seien auch Vertreter der Gründerfamilie anwesend. Ich tippte auf einen sehr stilvoll gekleideten älteren Herrn in Begleitung einer nicht minder eleganten Gattin und sprach ihn zögernd an. Es war Johann Wanner, in seiner Lebensgestaltung selbst ein Gesamtkunstwerk und nun überzeugend in Szene gesetzt von  Michael Sieber (Bild leider für Online-Publikation noch nicht verfügbar).

Darüber hinaus hat der SonntagsBlick an diesem Wochenende nicht viel zu bieten. Vermutlich aus Verlegenheit wird auf Seiten 2/3 mit einem PR-Interview und Partybildern von Mister Schweiz nachgefasst. Natürlich macht André Reithebuch nur privat „Party“, lässt sich nach einigen „Shots“ stets nach Hause ins Glarnerland fahren (wie es dort Brauch ist) etc. Interessant: Die Ausgeh-Bildagenturen haben offensichtlich keine Chance mehr gegen private Handy-Bilder, die erstens billiger sind und zweitens „authentisch“  wirken. „Authentisch“ dürfte das Wort zum Jahresende sein, denn Reithebuch selbst betont: „Darauf zu verzichten (Alkohol trinken), wäre nicht authentisch.“ Da warten wir auf weitere Paparrazzi-Bilder von Handys in seinem Umfeld.

Ernste Töne schlägt die NZZ an. Mit einer massiven Preiserhöhung um 16 Prozent für 2010 werden sich viele Abonnenten, vor allem der älteren Generation fragen, ob sie nicht auf die Positille verzichten könnten. Durchschlagen wir die Preiserhöhung in Haushalten der Agglomeration, wo traditionell neben dem Intelligenzblatt der Stadt auch ein Ableger der Landzeitung den Weg in den Briefkasten findet.

Sollten die Zürichsee-Medien die traditionelle Zürichsee-Zeitung als typische Zweitblatt an der Goldküste im Rahmen einer Nachfolgelösung an die TA-Mediagruppe verkaufen, so wäre ein Dominoeffekt auf der Zürcher Landschaft vorauszusehen, mit unabsehbaren Folgen für den Regionaljournalismus und die damit verbundenen, freiberuflichen Fotografen.

091220_NZZDie NZZ versüsst den Preisaufschlag mit einer sehenswerten NZZ Chronik 2009. Sie erscheint zum zweiten Mal in Magazinform und ist reich illustriert. Das Chronikjahr beginnt im Dezember 2008 und endet im November 2009, denn wir sind noch nicht am Ende. Für die Bildredaktion zeichnen Christian Güntlisberger und Karin Arzethauser verantwortlich. Für eine Ausstellung müsste man sie als Kuratoren bezeichnen. Es ist ihnen gelungen, einige der wirklich besten Pressebilder des zu Ende gehenden Jahres in sehr guter Druckqualität in das Magazin einzubringen.

Ein Wermutstropfen bleibt. Nur einige wenige Bilder kommen aus dem eigenen Haus, das die Auftragsfotografie massiv abgebaut hat. Christian Beutler und Karin Hofer sind vertreten. Es versteht sich, denn der Fokus ist auf das internationale Geschehen ausgerichtet, und drei führenden Agenturen, die regelmässig die NZZ beliefern, beschäftigen auch Schweizer Fotografen. Doch wenn die Abonnenten immer mehr Bilder sehen möchten, könnte man auch die Tradition des Bildjournalismus im eigenen Haus wieder aufleben lassen.

In sonntag.ch sucht man lange nach Lesens- und Sehenswertem. Der im Header angekündigte Auftritt zum Fotoshooting von Nationalrätin Natalie Rickli entpuppt sich auf Seite 10 zur Vorankündigung eines Beitrags in SI-Style. People-Redaktor Sacha Ercolani findet sie „für People-Magazine hochinteressant“. Illustriert wird der Beitrag durch den Ausriss aus SI-Style, das ab morgen der SI beiliegt. Kommentar überflüssig.

091220_OrangenTipp für Hobbyköche und Gutmenschen in Familien: Das Bild auf Seite 49 im SonntagsBlick Magazin zeigt Kandierte Orangenschalen, wie sie vermutlich nie einen Desserttisch zu Weihnachten selbstgemacht bereichern können. Das Rezept stimmt, doch das Resultat wird höchstens Mitleid erregen. Zurück bleiben eine verleckerte Küche, eine Vorweihnachts-Frustration, und die Aufnahme von René Frauenfelder. Michael Merz fügt den nächsten Tipp gleich bei: Die neapolitanische Konditorei von Paolo Caredda an der Josefstrasse in Zürich, wo die Muster vermutlich entstanden sind.

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