Urs Tillmanns, 27. Dezember 2009, 12:17 Uhr

Wie war 2009 und wie wird 2010?

Das Jahresende naht. Grund für einen Rückblick auf 2009 und einen Ausblick auf 2010 der Schweizer Fotobranche. Wie hat sich in der Zeit der Wirtschaftskrise der Umsatz in den Fachgeschäften, in den Fachmärkten und im Internet entwickelt? Wie sieht Marktanalyst Jürg Zweifel von GfK Hergiswil das kommende Jahr?

Herr Zweifel, vor einem Jahr waren Ihre Prognosen für 2009 eher düster. Wie wird das Jahr der Wirtschaftskrise herauskommen?

Weitaus besser als erwartet. Zwar hat die Schweiz immer noch mit zunehmender Arbeitslosigkeit und gedämpfter Kauflust der Konsumenten zu kämpfen, aber die Fotobranche konnte einen Zuwachs verbuchen – mindestens stückmässig. Dieser liegt bei den Kompaktkameras bei rund fünf Prozent und bei den Spiegelreflexkameras bei erstaunlichen 12 Prozent. Das heisst: Insgesamt hat die Fotobranche 2009 gut gearbeitet. Und in diesen Zahlen ist das Weihnachtsgeschäft noch nicht enthalten, das sich nach den ersten Echos sehr gut angelassen haben soll.

Prognose 2009-2010 Stück

Der Schweizer Fotomarkt hat 2009 um rund 5% zugelegt – im Gegensatz zu den anderen europäischen Ländern.

Und wie sieht es wertmässig aus?

Das ist die Kehrseite der Medaille. Der Umsatz der Branche dürfte um mehr als zehn Prozent zurückgegangen sein, noch stärker der Durchschnittspreis. Diesen Preiszerfall halte ich für die Branche für sehr gefährlich, weil sie zu weiteren Sparmassnahmen, Rationalisierungen und Einsparungen führen könnten.

Wie viele Kameras sind 2009 insgesamt in der Schweiz über die Theke gegangen?

Unsere Erhebungen gehen von rund 820’000 Kompakt- und 115’000 Spiegelreflexkameras aus. Das ist gegenüber dem Vorjahr über alles gerechnet eine stückzahlmässige Steigerung von einigen Prozenten, und damit steht die Schweiz im europäischen Umfeld glänzend da, denn alle anderen Länder haben beträchtliche Stückzahlrückgänge erleiden müssen. (Siehe dazu auch unser Interview mit Marion Knoche von GfK, Anm. d. Red.) Dann darf man nicht ausser Acht lassen, dass die Schweiz – und vor allem der Detailhandel – bisher insgesamt im Vergleich zum Ausland diese Krise sehr gut bewältigt hat.

Prognose 2009-2010 Preis

Der Durchschnittspreis der Kameras weiter zurück gegangen. Für 2010 rechnet GfK eher eine Stabilisierung.

Die Spiegelreflexkameras sind ja die derzeitigen Trendprodukte. Wie sehen Sie hier die Entwicklung?

Im Trend liegen nur jene Spiegelreflexmodelle, die interessante Zusatzfunktionen aufweisen. So hat jede zweite verkaufte Spiegelreflexkamera HD-Video. Aber es sind auch andere Features gefragt, wie Gesichts- und Smile-Erkennung beispielsweise. Die Entwicklung geht leider dahin, dass gerade bei diesen technologischen Topprodukten der Preiskampf ausgefochten wird, obwohl die Industrie bei dieser Kategorie einen höheren Gewinn generieren könnte.

Gibt es eigentlich starke saisonale Schwankungen?

Es hat in den letzten Jahren zwei ausgesprochene Spitzenmonate gegeben: Juli und Dezember. Beides ist erklärbar: Viele Leute haben sich zur Ferienzeit eine Kamera zugelegt, und das Weihnachtsgeschäft ist sowieso traditionell immer sehr stark und für uns ein wichtiger Konsumbarometer. Hier sind viele Kompaktkameras mittlerweile in einer für Geschenkartikel interessanten Preisklasse.

Wie hat sich der Internethandel entwickelt?

Das Internetangebot hat nach unseren Befragungen nochmals zugelegt und dürfte jetzt etwa ein Sechstel des Verkaufsvolumens (Stück) in der Schweiz ausmachen. Wichtig dabei ist die Tatsache, dass nur bestimmte Modelle und vor allem in der oberen Preisklasse die Renner im Internet sind. Das heisst, die Leute informieren sich im Vorfeld, im Internet oder in Fachzeitschriften und kaufen dann online. Leider gibt es auch solch unfaire Fälle wo der Kunde sich im Fachhandel beraten lässt und dann im Internet das günstigste Angebot sucht …

In der Schweiz oder im Ausland?

Mehrheitlich in der Schweiz. Es sind eigentlich nur fünf bis sechs Adressen, die den grossen Anteil ausmachen. Bei ausländischen Anbietern einzukaufen ist für die Schweizer Käufer nicht besonders lukrativ, vor allem wegen den Zollzuschlägen und Gebühren. Zudem sind die wenigsten Artikel im europäischen Ausland massiv günstiger als hier.

Wie haben sich die Fotoverkäufe in den Fachmärkten im Jahr 2009 entwickelt?

Die Fachmärkte und Grossverteiler haben insgesamt im Fotobereich zweistellig zugelegt. Nun darf man sich von diesem Zuwachs nicht blenden lassen, weil Saturn und weiter flächenexpandierende Filialen neu dazu gekommen sind. So ist es im Moment schwer zu eruieren, wie gross der Zuwachs bei den traditionellen Fachmärkten effektiv ist. Dabei laufen hier vor allem preisattraktive Modelle, sowohl bei den Kompakt- als auch bei den Spiegelreflexkameras. Hochpreisige Produkte sind hier kaum zu finden.

Stichwort ‚Persönliche Beratung‘: Wie hat sich der Fachhandel entwickelt?

Der Zuwachs im Internet und in den Fachmärkten ist zum grossen Teil zu Lasten des Fotofachhandels abgelaufen. Wir gehen davon aus, dass die Anzahl Verkaufspunkte des Fachhandels in den letzten drei Jahren um etwa einen Drittel geschrumpft ist.

Wird dieses ‚Lädelisterben‘ so weiter gehen?

Der Ausdruck ‚Lädelisterben‘ ist insofern korrekt, als viele kleinere Geschäfte ihr Nachfolgeproblem nicht lösen konnten oder nicht rechtzeitig auf den Digitaltrend eingeschwenkt waren. Das hat in den letzten Jahren zu einer Bereinigung geführt, so dass wir aktuell noch knapp 400 Verkaufspunkte der Fachhändler rechnen – Tendenz weiter fallend. Es gibt jedoch einen «harten Kern», der sehr gut arbeitet. Vor allem mittlere und grössere Fachhändler entwickeln sich sehr positiv und konnten mit mehreren Filialen eine gute Kostengesamtrechnung vorlegen. Der Fachhandel dürfte am besten beraten sein, wenn er sich auf einige ausgewählte, leistungsstarke Kompaktkameras und vor allem auf hochpreisige und erklärungsintensive Produkte beschränkt. Damit kann er auch Stammkunden begeistern.

Leistungsstark hört sich nach ‚mehr Pixel‘ an. Dreht sich die Pixelspirale weiter?

Unsere langfristigen Erhebungen zeigen in der Kompaktklasse bei 10 Megapixeln den grössten Zuwachs. Wahrscheinlich ist die Information, dass mehr Pixel nicht unbedingt mehr Qualität ergeben, inzwischen bei den Konsumenten angekommen. Man kauft eine Kamera nicht unbedingt, weil sie mit einer höheren Auflösung buhlt, sondern es sind andere Argumente, wie Design und Zusatzfeatures wichtiger geworden.

Inzwischen sind ja die Mobiltelefone in Sachen Pixel da, wo früher die Kameras waren. Haben die Handys zugelegt?

In der Tat schreiten auch die Pixelzahlen in den Mobiletelefonen fort. So sind es aktuell gegen 30% aller Handys mit eingebauter Kamera grösser 5 MP. Andererseits ist der Markt derart gesättigt, dass auch nach einem guten Weihnachtsgeschäft der Handymarkt wohl leicht rückläufige Zahlen ausweisen wird. Die Kamera ist also eine Selbstverständlichkeit geworden, und man hat das fotografierende Handy einfach immer für Schnappschüsse dabei. Für die meisten Leute ist es kein Medium, um die Fotografie wirklich ernsthaft zu betreiben. Ich vergleiche das Fotohandy oft mit dem Taschenrechner, der übrigens auch in jedem Handy und in jeden Computer zu finden ist. Deswegen ist der Taschenrechnermarkt nicht kollabiert, sondern ist bis heute ein solides und lukratives Geschäft für die Anbieter geblieben.

Wir stehen vor der Schwelle 2010. Wie wird das nächste Jahr? Geht die Krise weiter?

Alle Anzeichen und Prognosen deuten leider in die Richtung, dass die Krise mindestens in den ersten zwei Dritteln des Jahres nicht durchgestanden sein wird. Aber wie 2009 zeigt, muss dies nicht unbedingt für die Fotobranche in der Schweiz gelten. Ich bin dieses Jahr optimistisch und rechne erneut mit einer leichten Zunahme in Stück und hoffe dabei, dass ich Ende des Jahres wieder positives berichten kann. Und gleichzeitig würde ich der Branche noch eine etwas bessere Rendite wünschen.

Herr Zweifel, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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2 Kommentare zu “Wie war 2009 und wie wird 2010?”

  1. Lieber Urs, hallo Herr Zweifel

    Vielen Dank für den interessanten Rückblick ins 2009 und die, wie immer, kompetente Analyse.

    Bei untenstehender Aussage über den Internethandel und den Fachhandel sehe ich Probleme:

    Internet:“Wichtig dabei ist die Tatsache, dass nur bestimmte Modelle und vor allem in der oberen Preisklasse die Renner im Internet sind.“
    Fachandel:
    „Der Fachhandel dürfte am besten beraten sein, wenn er sich auf einige ausgewählte, leistungsstarke Kompaktkameras und vor allem auf hochpreisige und erklärungsintensive Produkte beschränkt.“

    Trotz drakonischen Preisnachlässen bei den Topprodukten ist es uns(Fachhandel) oftmals nicht möglich den Verkauf zu tätigen. Zusätzlich zum ruinösen Preiskampf importieren unsere Kollegen vom www. viel aus dem währungsgünstigen Ausland.

    Leider findet auch die unfaire Situation durch Beratung beim Händler tagtäglich statt…wer kauft schon ein so teures Produkt ohne es vorher in der Hand gehabt zu haben.

    Trotz allem: Wir hatten ein tolles Jahr! Viele Kunde sehen hinter einem höheren Preis auch die diversen Dienstleistungen: Beratung, Demonstration Lagerhaltung, Kurse, Troubleshooter, Reparaturservice, Zubehör …….

    Wir freuen uns auf’s 2010 und wünschen Allen viel Erfolg und Freude!

    Markus Säuberli
    Foto Video Zumstein AG, Bern

  2. Sehr geehrter Herr Säuberli

    Besten Dank für Ihren Feedback.

    Es freut mich sehr zu hören, dass Sie ein gutes 2009 hatten!
    Ich weiss auch, dass dies ohne grosse Anstrengungen gar nicht möglich gewesen wäre. Herzliche Gratulation!

    Viele Grüsse und einen guten Jahreswechsel wünscht

    Jürg Zweifel

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