David Meili, 14. Februar 2010, 10:28 Uhr

Simi siegt mit Reuters, Eva Braun war Fotofachangestellte und Christa Markwalder wurde porzellanisiert

Pressespiegel zum Wochenende vom 13./14. Februar 2010
Der nach einem Tag und einer Produktionsnacht bereits „historische“ Sieg von Simon Ammann dominiert die Sonntagsmedien. Begleitet hat ihn in den wenigen Sekunden der grossartigen sportlichen Leistung Reuters.  Doch wer steht hinter den Aufnahmen, die Sportgeschichte schreiben?
(Bildnachweis: Reuters/BlickOnline)

Bei den Bildnachweisen der führenden Sonntagszeitungen werden wir nicht fündig, ausser auf sonntag.ch. Da tritt Michael Dalder, einer der weltbesten Sportfotografen als Autor auf.

Skispringen ist für Fotografen eine ebenso beliebte wie verhasste Disziplin. Man kann nicht gleichzeitig oben und unten stehen, die Lichtverhältnisse sind oft problematisch, und die Schärfe-Nachführung ist zu langsam. Sven Thomann hat sich für den SonntagsBlick mit gutem Instinkt für den Empfang von Simon Ammann am Podest vorbereitet und liefert für den Text von Carl Schönenberger etwas aufgepeppte, doch überzeugende Bilder.

Es überrascht nicht, dass SF DRS weitergehende Möglichkeiten zur Vermarktung der technisch aufwändigen Sportübertragungen sucht (Beitrag im Tages-Anzeiger vom 12. Februar). Mit der konsequenten Umstellung auf digitale Aufnahme- und Postproduktion steht nun der Weg ins Printmedium offen.

Gegen die Kollegen vom HD-Fernsehen müssen sich bei Premium-Veranstaltungen selbst professionelle Sportfotografen mit Nischenplätzen zufrieden geben. Nur noch wenige  Schweizer Printmedien und deren Agenturen sind mit Fotografen in Vancouver präsent. Bereits an der nächsten Winterolympiade könnten sie durch Bildredaktoren im Newsroom am Leutschenbach ersetzt werden. Verloren gehen würden die Authentizität  und das Teamwork zwischen Bild und Text, das nur bei Präsenz vor Ort zu überzeugenden Resultaten führen kann.

Das magazin zum SonntagBlick zeigt Basel in einer Sondernummer als „Labor der Zukunft“. Karl-Heinz Hug hat prominente Baslerinnen und Basler porträtiert. Nach dem Bildnachweis haben wir lange gesucht. Schade, denn die Aufnahmen von Hug sind hervorragend. Wir hoffen, sie nächstes Mal an der ewz.selection 2011 zu entdecken.

Ein weiterer fotografischer Höhepunkt im Heft ist die Reportage von Gabrielle Kleinert mit Fotos von Nicolas Righetti über Kleinbasel. Wenn man die Fasnacht zehn Tage vor Fasnachtsbeginn in ein Printmedium miteinbeziehen will, muss man mehr als ein Jahr zuvor planen. Das schafft und leistet sich in der sich ausdünnenden Schweizer Verlagsszene eigentlich nur noch Ringier.

DAS MAGAZIN wirkt an diesem Wochenende billig. Fabian Biasio hat Aufnahmen zu den „Recherchen“ von Thomas Zaugg über den Organhandel im Balkan-Krieg beigesteuert. Zaugg schreibt mehr über den Journalisten Michael Montgomery, der die Story aufgebracht hat, als über das Thema selbst. „Das Land Kosovo ist ein verwunschenes Schloss“, schreibt Zaugg, der vermutlich zum ersten Mal den Balkan bereist hat. Biasio hätte besser den verstörten Journalisten im Bild dargestellt, als vom Blitzlicht verwirrte Dorfbewohner.

Nur im Kopf kann man in DAS MAGAZIN visuell die Genitalverstümmelung einer Dreizehnjährigen von der Zürcher Golfküste erleben (Beitrag von Andrea Schafroth). Bei einem Beitrag über Somalia hätte man das Mädchen und  seine Eltern im Bild gezeigt.

In Abständen von ein bis zwei Jahren wärmt die deutsche Wochenpresse historische Aufnahmen des Privatlebens von Adolf  Hitler auf. Nun ist die erste wissenschaftliche und daher etwas trockene Biographie über Eva Braun erschienen. Sie bringt neue Erkenntnisse für die Fotogeschichte. Man wusste bereits, dass der Funke zwischen Adolf Hitler und Eva Braun im Fotofachgeschäft von Heinrich Hoffmann hinübersprang.

Doch Eva Braun wurde durch die Mitarbeit im Fotofachgeschäft von Hoffmann selbst zur leidenschaftlichen Fotografin und Amateur-Farb -Filmerin der ersten Stunde. Sie verfügte dank Rollei, Agfa und anderen regierungsnahen Unternehmen stets über die neuste Technologie und auch über Möglichkeiten, die Bilder verarbeiten zu lassen. Was die Historikern Heike Görtemaker  aufgedeckt hat, ist fotohistorisch noch kaum ausgeleuchtet.

Ein interessantes Experiment wagt Honda. Der Filmemacher und experimentierfreudige Kameramann Claudio von Planta begleitet potenzielle Honda-Kunden auf Probefahrten mit dem neuen Modell CR-Z quer durch Europa und erstellt daraus ein Roadmovie. Die Kampagne www.liveeverylitre.com kann auf dem Internet verfolgt werden und die User können mitbestimmen, wer porträtiert wird. Von Planta hat die Idee mitentwickelt. Immer mehr schätzen Werber und Hersteller den kreativen Input von Fotografen und Filmern. Oft fehlt es nur am Mut, mit  Ideen vorzusprechen.

Christa Markwalder ist als Nationalrätin DIE Hoffnungsträgerin der arg gebeutelten FDP. Sie ist kompetent, innovativ, lernfähig, – ïhr Handicap: Good Looking.   Doch derart modelliert, wie auf einem von BlickOnline publizierten Bild würde sie sich selbst nicht in Szene setzen.  Gibt es einen PhotoShop-Plugin für Porzellanisierung? (Bildnachweis: BlickOnline).

Im Kommentar-Bereich von BlickOnline hat sich eine Leserin darüber beklagt, dass bei Art On Ice in St. Moritz kaum schöne Menschen in Erscheinung traten. Kein Wunder, nachdem Hanspeter Danuser als Initiator der Veranstaltung und Kurdirektor abserviert wurde, blieb nur noch wenig zum Fotografieren. Doch  wie die Finanz- verläuft auch die Eventbranche zyklisch. In zwei/drei Jahren wird Art On Ice wieder gesellschaftsfähig und für die People-Fotografie attraktiv sein.

Vor einer Woche haben wir darauf hingewiesen, dass die Übernahme der DDP durch die SDA Fragen aufwirft. Nun hat sich gemäss Tages-Anzeiger vom 13. Februar auch die Wettbewerbskommission (Weko) eingeschaltet und möchte mehr über den „Deal“ wissen. Grund für eine Intervention wäre eine „unzulässige Wettbewerbsabsprache“. Doch da die Kunden der SDA auch die Aktionäre sind, öffnet sich für Juristen ein weites Feld.

Der Beitrag im Tages-Anzeiger deckt auf, dass SRG-Vertreter Gérard Tschopp  im Verwaltungsrat der SDA nur deshalb für die Übernahme gestimmt hatte, weil die Drohung im Raum stand, den französischsprachigen Dienst wegzusparen.

Für freiberufliche Fotografen ist die Entwicklung fatal. Es zeichnet sich ab, dass auf nationaler Ebene nur noch ein Nachrichtendienst und dann vermutlich auch nur noch eine Bildagentur  als Vertragspartnerin die Brosamen verteilen werden.  Wiederum erfolgt der Ruf nach einem griffigen Mediengesetz, das seit Jahrzehnten von den nunmehr auf ein klägliches Dutzend zusammengeschrumpften Verlegern und den Gewerkschaften  verhindert wird.

Hinweise zum Wandel in der Schweizer Medienlandschaft finden sich oft nur am Rande, so im Kommentar von Christof Moser in Sonntag.ch zum Newsroom bei Blick. Er unterstellt dem erfolgreichen Blick am Abend, dass die meisten Beiträge vom Qualitätsjournalismus abgeschrieben würden.

Damit verkennt Moser, dass Blick am Abend erfolgreich ist, weil ein engagiertes Team während des Tages für die Abendpendler eigene Beiträge recherchiert und und aktuelle Fotos publiziert. Wie Roger Blum in einem bemerkenswerten Beitrag in sonntag.ch betr. die Übernahme der BaZ schreibt, wandelt sich die Medienlandschaft nun auch in der Schweiz sehr rasch. Was selbst Roger Blum endlich begriffen hat, sollte auch bei Christof Moser zu einem „aha“ führen.

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