Urs Tillmanns, 18. September 2010, 08:00 Uhr

photokina: CAPcam – die ferngesteuerte, vollautomatische Fachkamera

Seit über einem Jahr sind sie am Tüfteln, Kamerakonstrukteur Charlie Gfeller und Elektroniker Rolf Eigenheer. Jetzt steht sie da, die ferngesteuerte, vollautomatische Fachkamera, welche die Einstellzeiten bei Studioaufnahmen nicht nur auf Sekunden reduziert, sondern dabei eine nicht zu übertreffende, mathematische Einstellpräzision erreicht.

Zugegeben, fertig ist sie noch nicht. Wenigstens nicht so, dass man sie morgen auf den Markt bringen könnte. Aber technisch ist sie soweit, dass man das Prinzip dieser neuartigen Fachkamera plausibel erklären kann. Zudem – die Gelegenheit ist günstig – ist die neuartige Kamera auf der photokina zu bewundern, und zwar am Stand von Schneider Kreuznach.

Charlie Gfeller (links), der vor genau 40 Jahren die Sinar p entwickelt, und Rolf Eigenheer (rechts), der die letzten 10 Jahre die Elektronik für Sinar massgeschneidert hatte, gründeten vor vier Jahren die GFAE GmbH und spezialisierten sich damit auf die Entwicklung und Realisierung von elektronischen Systemen. Vom Kamera-Bazillus wurden sie dabei nie ganz befreit, und so begannen sie vor gut einem Jahr damit, eine völlig neue, vollautomatische Fachkamera zu entwickeln. Vollautomatisch in dem Sinn, dass der Fotograf auf einem Display – dem CAPcamPad oder auf einem Laptop – im Livebild die gewünschten Schärfepunkte bestimmen kann, wonach die Kamera, von 12 Motoreinheiten und über Gewindestangen getrieben, die optimale Einstellung der Objektiv- und Bildebene selbsttätig vornimmt.

Im Gegensatz zu einer üblichen Fachkamera, die auf einer optischen Bank und damit fest verbundenen Standarten beruht, kann bei der CAPcam die Schwenkachse eine beliebige Position einnehmen und auch schräg verlaufen. Aber darum, wie die Schwenkung vorgenommen wird und ob sinnvoller mit der Objektiv- oder Bildebene geschwenkt wird und um wie viele Grad, braucht sich der Fotograf überhaupt nicht mehr zu kümmern. Er wählt auf dem unter Umständen mehrere Meter weit von der Kamera entfernten Steuerdisplay oder auf einem Laptop im Livebild die gewünschten Scharfeinstellpunkte, klickt Okay – und in Sekundenschnelle fahren Objektiv und Digitalrückteil in die optimale Position – fertig.

Vier unabhängige Einstellparameter

Durch ihre basislose, mehrachsige Konstruktion können vier verschiedene Parameter unabhängig voneinander verstellt und optimiert werden:

Die Perspektive bei gleichzeitiger Wahrung des Bildausschnittes und der Bildebene

Die Schärfeebene, die mit der Fokussierung auf drei beliebig wählbare Schärfepunkte eindeutig definiert wird. Dabei bleiben der Bildausschnitt und die Perspektive erhalten.

Der Bildausschnitt kann exakt auf der Bildebene verschoben werden, wobei Fokus und Perspektive erhalten bleiben.

Der Bildkreis, und damit die optimale Abbildungsleistung des Objektivs, kann unabhängig von allen anderen Einstellungen angepasst werden.

Nicht nur die Kamera lässt sich ferngesteuert bedienen, sondern auch die Stativplatte. So sind auch automatische Panorama- und 3D-Aufnahmen möglich

Ferngesteuerte Produktionsmaschine fürs Studio

Das Haupteinsatzgebiet sind zweifelsohne Sachaufnahmen im Studio, bei denen kurze Produktionszeiten vorgegeben sind und Massenaufträge in möglichst kurzer Zeit perfekt abgewickelt werden müssen. Dabei können die Einstellparameter der Aufnahmen gespeichert und bei gleichen Aufgaben perfekt reproduzierbar wieder abgerufen werden.

Durch die fehlende Basis und die freie Achsverstellung der CAPcam sind auch sehr lange oder extrem kurze Auszüge und damit die Verwendung von starken Weitwinkelobjektiven möglich. Auch ist die Kamera so konstruiert, dass nahezu jedes Objektiv und jedes Digitalback daran verwendet werden kann. «Theoretisch ist es sogar möglich, eine Spiegelreflexkamera anzusetzen, wenn dazu Bedarf besteht» ergänzt Charlie Gfeller.

Die Kamera kann über eine beliebige Distanz ferngesteuert werden, was in Extremfällen den roboterunterstützten Einsatz ermöglicht oder sogar eine völlig unbemannte Bedienung, beispielsweise in Risikoumgebungen.

Kostengünstige Produktion

Betrachtet man die Konstruktion der Kamera genauer, so stellt man fest, dass viele der mechanischen Teile mehrfach vorkommen, was deren Produktion – wenn es dann einmal soweit ist – erheblich kostengünstiger gestaltet. Einen Preis gibt es natürlich noch nicht, aber die Erfinder meinen, dass sie etwa in der Grössenordnung von anderhalb Sinar p2 liegen dürfte.

Ungewohntes Aussehen

Während andere Hersteller Design und Marketing bei der Entwicklung neuer Produkte in den Vordergrund stellen, wurde dieses neue Produkt offensichtlich kompromisslos der Optik unterstellt und aus den technischen Möglichkeiten heraus entwickelt.

«Viele halten Fachkameras für nicht mehr weiter entwicklungsfähig» sagt Elektroniker Rolf Eigenheer. «Es fehlt an Ideen und Innovationen, und hier haben wir einen völlig neuen Weg beschritten, der von der technischen Machbarkeit bestimmt war.»

Nun, einen Design-Preis wird die neuartige Kamera in dieser Phase ihrer Entwicklung wohl kaum bekommen, und sie sieht derzeit noch genau so ungewohnt und futuristisch aus, wie die Sinar p vor 40 Jahren. «Damals», so erinnert sich deren Konstrukteur Charlie Gfeller, «stiess das Design der andersartigen Fachkamera mit den grossen Gelenkblöcken für die asymmetrischen Schwenkungen auch auf Kopfschütteln, aber die Praxisvorteile des Gerätes machten alle Kritikpunkte wett. Und so wird es mit der CAPcam auch sein. Innovationen brauchen immer etwas Mut. Wir sind jedenfalls gespannt, wie die CAPcam auf der photokina ankommt …».

Urs Tillmanns

Details zur Firma GFAE GmbH finden Sie hier.

Die CAPcam ist auf der photokina am Stand von Schneider Kreuznach, Halle 4.2, Stand No 21, zu sehen.

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(update 27.09.2010) Inzwischen gibt es ein Video auf YouTube, welches die Arbeitsweise der CAPcam verdeutlicht:

2 Kommentare zu “photokina: CAPcam – die ferngesteuerte, vollautomatische Fachkamera”

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