Urs Tillmanns, 4. Januar 2011, 16:00 Uhr

Warum Jürg Kaufmann in der dritten Dimension fotografiert

Jürg Kaufmann ist einer der bekanntesten Yacht- und Actionfotografen, der die bekanntesten Segelregatten der Welt mit beeindruckenden Bildern dokumentiert. Seit gut einem Jahr hat er die 3D-Fotografie als neues Medium für seine Aufnahmen entdeckt. Wie er dazu kam, und wie seine Segelbilder in der dritten Dimension wirken, zeigt dieser Bericht.

Wie kamen Sie auf die Idee in 3D zu fotografieren?

Anfang 2010 zusammen mit dem befreundeten Fotograf Daniel Forster fragten wir uns beim Drink nach einem 3D Film, warum in der Yachtfotografie niemand die dritte Dimension in einem Foto darzustellt. Schon länger hatte ich den Eindruck nur ein Teil des Erlebten in meinen Bilder wiederzugeben, doch wusste ich nicht wie dies zu lösen ist. Plötzlich sah ich dafür die Lösung: 3D! Seit diesem Moment bin ich fasziniert von den Möglichkeiten, welche die 3D Fotografie bietet.

Was sind dabei die Herausforderungen?

Es gab viele und es wird auch noch einige geben. Wir sehen ein 3D-Film im Kino, meistens eine Computeranimation, und machen uns Vorstellungen über mögliche Anwendungen und Bilder. Bei den ersten Fotos haben wir dann gemerkt, dass die dritte Dimension im Vergleich zu normalen Fotos noch ein paar Anforderungen mehr an den Fotografen stellt. Es ist sehr spannend zu lernen wie Physik und Mathematik auf ein Bild wirken. Vorurteile gab es auch; das sei nichts Neues, es sei nur ein kurzfristiger Trend, die kritische Haltung gegenüber der 3D Brillen etc. In der Zwischenzeit hat sich das aber etwas relativiert. Ich denke, es gibt Bereiche, wo 3D Sinn macht und andere etwas weniger. Zum Glück fand ich sehr schnell die nötige Unterstützung bei der Nikon Schweiz. Sie stellten mir die nötigen Objektive zur Verfügung, denn alles muss doppelt vorhanden sein. Mit den ersten Publikationen mussten plötzlich sehr grosse Mengen 3D Brillen besorgt werden und da half mir die Firma Rodenstock.

Wieso sehen wir in 3D?

Unsere beide Augen sehen ein Objekt aus verschiedenen Winkel und unser Hirn hat gelernt, diese Informationen zu interpretieren, was dann eben die 3D Sicht ergibt. Das genau ist aber die Schwierigkeit in der Darstellung. Wir müssen über die Augen unterschiedliche Informationen ins Hirn senden, solange wir eine einzige Quelle bzw. ein Bild haben, übernehmen die 3D Brillen eine Filterfunktion und senden je eine Sicht an das entsprechende Auge. Dies geht über verschiedene Techniken: Polarisierungsfilter oder Anaglyphen mit der Farbtrennung mit Rot und Cyan. In der 3DTV Technologie kommen Shutter-Brilllen zum Einsatz, bei denen Laser-Strahlen unsere Augenposition einlesen und das positionsentsprechende Bild über kleinen Linsen ins Auge projizieren können. Leider können dann nur so viele Personen das Bild betrachten wie eingebaute Lasersysteme verfügar sind. Die Bildschirmhersteller haben für die Zukunft da noch ein paar Aufgaben zu lösen, vielleicht können in Zukunft Monitore sogar Hologramme darstellen. Ein bekannter Computer-Hersteller hat ein Patent angemeldet, das in diese Richtung geht, was  ein guter Schritt wäre, um von den Brillen wegzukommen.

Fotografie wird immer mehr Physik und Mathematik …

Mit den heutigen Kameras, sei es im Profi- aber auch im Amateurbereich, übernimmt die Kamera viel Denkarbeit. Man muss sich viel weniger Gedanken machen über die Zusammenhänge der Distanzen, Schärfentiefe und Brennweiten etc. Bei der 3D Fotografie hatte ich das Gefühl nochmals ganz von vorne anfangen zu müssen.

Warum das? Es ist ganz einfach zu erklären: Die Distanz zwischen der Augen eines Menschen beträgt ca. 6.5 cm. Das bedeutet, dass wir mit unseren Augen die dritte Dimension nur bis auf ca. 10 Meter wahrnehmen. Grössere Distanzen können wir schätzen, basierend auf unseren Erfahrungen. Als Betrachter erwarte ich aber die dritte Dimension auch über diese Distanz im Foto wieder zu finden.

Zu nah darf des Objekt auch nicht vor der Kamera stehen. Der Mensch kann seine Augen bewegen und Konvergenz anpassen. Dazu fokussieren wir eigentlich nur auf eine sehr kleine Fläche. In der Actionfotografie kann ich nicht alle paar Sekunden die Konvergenz der Kameras anpassen, die Schärfentiefe berechnen etc. und das erst noch bei zwei Kameras. In der Zwischenzeit habe ich Erfahrungswerte und ein Programm, und damit ist es einfacher mit der Technik umzugehen, und ich kann mich wieder stärker auf die Bildkomposition konzentrieren.

3D bzw. Stereoskopie ist ja nichts Neues. Warum plötzlich der Wirbel um dieses Thema?

Stimmt, die meisten erinnern sich: Als Kinder hatten wir so eine Art Feldstecher mit Bildern und da konnte man in 3D Bilder betrachten. Es waren aber meistens statische Objekte. Heute machen wir vieles genau gleich, nur in einem dynamischen Umfeld und mit grösseren Qualitätserwartungen.

Was genau die treibende Faktoren sind im Film und TV Markt weiss ich nicht. Jedenfalls werden grosse Summen in 3D Filme, Entwicklung und Promotion von 3D Fernsehen investiert. Mich fasziniert es Situationen in 3D festzuhalten und dies danach in Ruhe zu betrachten. Das Raumgefühl wiederzugeben, wie hoch es auf dem Masten ist, wie die Wellen vor dem Bug explodieren, die Teamarbeit auf einer Rennyacht in räumlicher Tiefe zu sehen, oder die Formen und Volumen darzustellen. Das ist genau das, was ich vor einem Jahr am Suchen war.

Die 3D Fotografie ist faszinierend, aber wo kann man sie praktisch einsetzen?

Ich sehe in erster Linie in der Werbefotografie kommerzielle Möglichkeiten, doch haben die Creative Directors dieses Medium offensichtlich noch nicht entdeckt. Diese räumliche Bildwirkung, wie sie meine Yachtaufnahmen zeigen, ist für die Werbung beispielsweise für Autos, Outdoor-Bekleidung und Luxusgüter geradezu prädenstiniert. Und ich glaube auch fest, dass irgend jemand den Stein lostreten wird und damit dazu beitragen wird, dass die 3D-Fotografie schnell populärer wird.

Wo kann man Ihre Bilder sehen?

Am nächsten Sonntag, am 9. Januar 2011 im Fotoforum der Photo10 um 20:00 Uhr zeigen wir das erste Mal eine Sammlung meiner besten 3D Fotos auf einer 6 mal 4 Meter grossen Leinwand im Full HD Format. Das wird sicher ein spezielles Erlebnis. Zusätzlich zeigt Nikon ein paar meiner 3D Fotos im Grossformat auf ihrem Stand. Zudem auf meiner Internet-Seite, auf der Sie noch weitere Informationen und mehr Bildmaterial zu diesem spannenden Thema finden.

Jürg Kaufmann mit seiner Stereokamera

2 Kommentare zu “Warum Jürg Kaufmann in der dritten Dimension fotografiert”

  1. Bis es soweit ist kann man sich ja mit (Ihren) 3D-Gravuren behelfen welche es mangels innovationen schon seit langem schwer haben. Es wird mit dieser technik genauso enden wie mit den minilabs. überall machen immer mehr dasselbe. der rest ist bekannt.

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