David Meili, 3. Juli 2011, 10:19 Uhr

Ivan S., Christoph Blocher auf dem Gotthard und Erinnerungen an Anne Sinclair

Pressespiegel zum Wochenende vom 3./4. Juli 2011
Nachdem Dominique Strauss-Kahn in den Sonntagsmedien vorläufig nichts mehr hingibt, visualisiert die SVP Ivan S. in Inseraten. S. soll ausgeschafft werden, doch die Linken verhindern angeblich die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative. Er sieht, mit einem Balken abgedeckt, etwa so aus, wie ein Zuhälter aus St. Pauli in einem alten Tatort.

Das Inserat ist prominent plaziert, so auf der Frontpage von Der Sonntag. Das Grosi im Mittelland wird zweifellos der SVP die Stimme geben. Doch dass Vergewaltiger meist unscheinbare, schüchterne Menschen sind und selbst Zuhälter aus dem Balkan längst nicht mehr in diesem Look auftreten, wird sie nach einer Überdosis an Medienkonsum nicht glauben. (Es ist ein Agenturbild, vielleicht sogar ergoogelt.)

Dem SonntagsBlick kann man keine einseitige Berichterstattung vorwerfen. Nach den Diskussionen um den Schwager einer SP-Bundesrätin (an prominenter Stelle in den eigenen Reihen der Redaktion) bringt Marcel Odermatt einen PR-Beitrag über die PR von Christoph Blocher mit einem Making-Of des Shootings von Karl-Heinz Hug.

Da muss doch der eine oder andere eine Kröte geschluckt haben. Beim Making-of (erst im Print) trägt Blocher eine Thermojacke. Die Halbkörperaufnahme erfolgte in blauem Hemd vor dem blauen See. Blocher feilt nun an der Rede, die er am 1. August auf dem Pass halten wird, vielleicht auch an einem Second Plan, wenn es schneit.

Politisch kompensiert wird der Beitrag durch ein Interview mit Alain Berset, einem der fähigsten Politiker der mittleren Generation (Foto: Saskja Rosset). Sabine Wunderlin traf auf  Sabine Dahinden im Wald, wo sie schon Katzenfutter ass (so der Titel). Der SonntagsBlick ist gar nicht so schlecht, und zumindest unterhaltsam. (Bildnachweis: Sabine Wunderlin für Ringier)

In DAS MAGAZIN gelingt es Mathias Ninck, ein kleines Kapitel Schweizer Geschichte aufzudecken, das lange verdrängt wurde. 1975 wurde die „Anarchisten“-Gruppe Bändlistrasse von der Polizei verhaftet und dann vor Gericht gestellt. Ninck setzt in seinem Beitrag eines der damaligen Mitglieder, Urs Städeli seinem achtundzwanzigjährigen Sohn gegenüber. Pierluigi Macor hat von beiden eindrückliche Porträts erstellt. Es ist ein hervorragender Beitrag, bei dem auch das Layout überzeugt.  Serge Hoeltschi bringt die Bilder zu einem Beitrag von Peter Haffner über San Francisco.

DAS MAGAZIN hat online ein Problem. Die Site unterstützt den IE seit Wochen nicht. Wir lassen uns nicht zwingen, einen alternativen Browser zu installieren. Nachfragen waren sinnlos, vielleicht ist der Informatiker bereits am Surfen, in Tarifa oder so. Dadurch können wir auch keine Bilder einfügen und nicht auf die Bildstrecken von Serge Hoeltschi zugreifen.

Das SonntagsBlick magazin präsentiert eine Sondernummer mit 99 Ausflugstipps für Familien, die Hobby-FotografInnen interessieren dürften. Das Heft behalten wir gerne auf, auch für Verwandte und Freunde aus dem Ausland. Es ist sehr sorgfältig redigiert und ansprechend illustriert.

Wer stürzt zuerst ins Sommerloch? Zur Zeit wird eifrig Stehsatz produziert, während SF längst auf Sommerbetrieb umgestellt hat.  Nun wurde ein Teil der Themen trivial verbraten. Der Sonntag bringt Buchtipps für BundesrätInnen, Die NZZamSonntag hat die Personen „direkt“ befragt“, wo sie allenfalls die Bücher lesen. Newsnetz fragt sich als Running Gag, wo die BundesrätInnen ihre Ferien verbringen und bringt alte Bildli. Am nächsten Wochenende erwarten wir die vorproduzierten Reportagen.
Billiger geht es nicht mehr, und die LeserInnen interessiert es auch nicht. Sommerferien,wie in den fünfziger Jahren gibt es nicht mehr. Es ist die beste Zeit, um vom Home Office aus die zweite Jahreshälfte zu erarbeiten. Wer in der zweiten Augustwoche zurückkommt, hat verloren, auch als FotografIn.

SF wird noch tiefer sinken. Kurt-Emil Merki verfügt offensichtlich über Insider-Informationen und bringt sie in Der Sonntag. Nicht alle Berichterstattung ist uneigennützigt, und letztlich fragt man sich nach  vielen Jahren über Messmethoden und Qualitätskriterien. Dass man bei der SRG Qualität nicht senderübergreifend nach Standards, wie sie zum Beispiel arte kennt, definiert hat, dürfte sich nun bei der Diskussion um die Konzessionsgebühren rächen.

Tom Haller hat für Der Sonntag Coop-Chef Hansueli Loosli neben einer Zimmerpflanze (?) porträtiert. Fazit, wer „ennet der Grenze“ einkauft, ist ein „Profiteur“. Dass die Coop im europäischen Verbund Coopernic im Ausland einkauft, lässt das Lachen von Loosli etwas schal. Roger Blum meldet sich wieder einmal zu Wort. In einem lesenswerten Beitrag setzt er sich, wie in seiner Zeit als Hochschulprofessor für Qualitätsjournalismus ein (Seite 13). Er beruft sich auf Leo Schürmann (1972). Doch man fragt sich, ob er die ökonomischen Realitäten der Medien je noch verstehen wird.

Kurt-Emil Merki setzt sich in seinem Kommentar in Der Sonntag entschieden und mutig für einen Medien-GAV ein (Seite 31). Wir haben schon mehrfach berichtet, dass es für freiberufliche FotografInnen keine Mindestansätze mehr gibt, und KollegInnen im Rentenalter zum Teil gratis arbeiten, nur um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.

Man kann mit der freien Marktwirtschaft argumentieren, doch insbesondere die Printmedien profitieren in der Logistik und steuermässig von zahlreichen Privilegien, und ihr Präsident bringt immer wieder einen nahezu öffentlich-rechtlichen Auftrag in die Diskussion. Eine Strukturbereinigung ist absehbar. Selbst wenn wir für Reportagen längst kein Filmmaterial mehr verbrauchen, sollten wir fair bezahlt werden.

Die NZZamSonntag wird gemäss persoenlich.ch ein neues Style-Magazin im Format A4 realisieren, wobei Z Die schönen Seiten beibehalten wird. Mit dem standardisierten Format erhofft man sich mehr Werbeaufträge. Die Werber und die Fotografen freut es, dass man spät, doch vielleicht nicht zu spät zur Einsicht gelangt ist. Möglich, dass Agenturen bereits ein Kombi mit den Produkten aus der Werdstrasse anbieten. Die Produktionskosten liessen sich dadurch in einem auf europäischen Niveau sehr kleinen Markt entscheidend senken.

Zurück zu Dominique Strauss-Kahn, zweifellos kein Vorzeigepolitiker der Sozialisten in Frankreich. An diesem Fall war für den investigativen Journalismus bereits zu Beginn vieles seltsam. In Hotels der gehobenen Klasse treten „Zimmermädchen“ nur zu zweit auf, auch wegen möglichen Diebstählen, oder wenn der Gast das halbe Inventar mit sich nimmt, dann als Zeuginnen. So dürfte es zu einem Fall „Sofitel“ werden. Fotografisch ins Bild gesetzt wurde Strauss-Kahn in den vergangenen Tagen gezielt durch (PR-) Agenturen mit seiner in Frankreich sehr populären Gattin Anne Sinclair.

Wer Anne Sinclair an einem Anlass vor etwa zwanzig Jahren begegnete, staunt, wie sie gealtert hat.  Euer Berichterstatter steht vor den Spiegel und mustert sich. Auch er ist älter geworden. (Sie war damals 42, er 38.)
Anne Sinclair ist Enkelin des Galeristen Paul Rosenberg, eines des bedeutendsten Kunsthändlers des zwanzigsten Jahrhunderts. Ihre Mutter Nanette wurde von Pablo Picasso gemalt. Von kaum einer Persönlichkeit in den französischen Medien gibt es so viele Fotografien. Ihre Biographie auf der (französischen) Wikipedia wird immer wieder beschönigt und verändert.

4 Kommentare zu “Ivan S., Christoph Blocher auf dem Gotthard und Erinnerungen an Anne Sinclair”

  1. Einmal mehr Erstaunen. Wenn man nicht nur Sonntagszeitungen anschauen würde, sondern ab und an auch mal die Tagesausgabe läse, wüsste man woher Ivan S. kommt. Bei der Agentur übrigens unter „GANG MEMBER“ auffindbar. Weiter überrascht die Tatsache, dass der Schreiber sowohl weiss wie das Grosi im Mittelland abstimmt (ich werds ihr ausrichten), und wie die Zuhälter auf St. Pauli und auf dem Balkan aussehen. Keine Ausgabe ohne falschgeschriebenen FotografInnennamen, diesmal hat es Frau Rosset erwischt. Und wieso ist DSK „zweifellos kein Vorzeigepolitiker der Sozialisten in Frankreich“? Ich dachte, er sei es bis jetzt gewesen. Vorzeigepolitiker und Lichtgestalt. Deswegen ja das ganze Gewese. Wieso werden „Zimmermädchen“ angeführt, ein Zeichen für Intellekt? Und ja – Grossartig: Sie haben Frau Sinclair kennengelernt. Die junge Anne Sinclair. Besten Dank für die Information. Und Nanette! Wie haben wir früher immer gesagt? „Lieber von Picasso gemalt, als vom Schicksal gezeichnet“ – Soviel zum Unterschied zwischen Nanette, der Tochter Paul Rosenbergs und ihrer Tochter, der Gattin von DSK.

  2. Vielen Dank Ralph Diener
    Das „s“ bei Kollegin Rosset habe ich korrigiert. Weil wir am Sonntag die Beiträge nicht gegenlesen können, riskiert man Fehler:
    Anne Sinclair wurde ich um 1990 im Louvre vorgestellt. Ichhabe dort im Rahmen eines Museumsprojektes zeitweise gearbeitet, und mein „Chef“ sagte mir, da drüben ist ein Empfang, da gibt es Champagner und Häppchen. Und dann sagte er aus Jux: „Jetzt stelle ich Dich Anne Sinclair vor.“ Das hat er auch gemacht, es war ein kurzes Date. Doch sie hat Freunde in Gstaad, die ich besser „kenne“.

  3. Anne S. war mal eine charmante TV-Moderatorin auf France? in den 80ern etc. Interessant ist wie in den Medien mitgeteilt wird dass DSK eine reiche Erbin geheiratet hat. Wie wenn er arm wäre. Die ganze Geschichte stinkt zum Himmel, war teilweise abgekartetes Machtspiel wo viele viele Fäden zogen, wie immer in der Weltpolitik. BTW: Hab das bereits auf arlesheimreloaded.ch von Anfang an vermutet. Geld – Sex und Gewalt-ein explosives Gemisch!

  4. Erinnere mich an die Begegnung, A.S. war bei Pierre Rosenberg, dem Direktor des Louvre und kam dann auch ins Comité. Daher kannte sie mein Kollege, der Direktor des Forschungslabors war. Ich weiss nicht, ob Paul und Pierre aus der gleichen Familie stammen. Die Frau von Pierre ist eine gebürtige Rothschild.

Schreibe einen Kommentar

  • Kommentare werden erst nach Sichtung durch die Redaktion publiziert
  • Beachten Sie unsere Kriterien für Kommentare im Impressum
  • Nutzen Sie für Liefer- und Kontaktnachweise die Angaben im entsprechenden Artikel
  • Für Reparaturanfragen und Support bei Problemen wenden Sie sich bitte direkt an den Hersteller (siehe dessen Website) oder Ihren Händler
  • Beachten Sie, dass Fotointern.ch eine reine und unabhängige Informationsseite ist und keine Waren verkauft oder vermittelt
  • Ein Kommentar darf maximal 800 Zeichen enthalten.

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Noch 800 Zeichen

Werbung
Werbung

Abonnieren Sie jetzt Fotointern per E-Mail direkt in Ihr Postfach und verpassen Sie keine Beiträge mehr. Wir nutzen MailChimp für den Versand. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Ihr Browser ist veraltet!

Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser, um diese Website korrekt dazustellen.Den Browser jetzt aktualisieren

×