Urs Tillmanns, 3. Juli 2011, 07:00 Uhr

Sensorreinigung: Jetzt geht’s ans Herzstück

Wie reinigt man einen Sensor? Wie oft? Und was muss man dabei beachten? Selbsthilfe – oder geht man besser zur Servicestelle? Fotointern.ch hat sich mit einem Techniker der Dienstleistungsfirma Sertronics unterhalten und gibt hier wichtige Tipps weiter, wie man einen Sensor reinigt und was man besser bleiben lassen sollte.

Der Sensor ist das empfindlichste Teil der Kamera, und nichts ist ärgerlicher, als das perfide Staubkorn in der Ecke oben rechts, das unverdrossen auf jedem Bild einen weiteren Arbeitsschritt im Photoshop nötig macht. Manchmal ist es mit einem Mausklick weggestempelt, manchmal liegt es jedoch hartnäckig auf einer feinen Struktur und verlangt mehr Aufwand, um aus dem Bild zu verschwinden. Irgendwann nervt das Ding dermassen, dass ein unumstösslicher Entscheid fällt: der Sensor muss gereinigt werden! Aber wie …?

Die schwarzen Punkte auf dem Bild nerven nicht nur, sondern sie sind ein klares Zeichen, dass der Sensor gereinigt werden muss. Ein Kontrollbild gegen eine monotone Fläche, z.B. weisse Wand oder Himmel, mit kleiner Blende fotografiert, zeigt wo der Staub sitzt (Beispielfoto: Markus Zitt)

Wir haben uns an einen Spezialisten gewandt, für den das Sensorreinigen zum Alltag gehört: Raphael Müller, Techniker bei Sertronics, ein Dienstleistungsunternehmen, das unter anderem Kamerareparaturen für Canon, Sony und andere Marken ausführt. «Oft sehe ich der Kamera schon äusserlich an, wie stark der Sensor verunreinigt ist» sagt Raphael. Will heissen: eine Kamera, die in einer staubreichen Umgebung eingesetzt wird, ist eben auch innerlich stärker verschmutzt als eine, die wenig gebraucht wird und kaum dem Staub ausgesetzt ist.

Der Sensor ist vom Spiegel und dem Verschluss verdeckt. Hier die verschiedenen Sensorgrössen im Vergleich

Staub ist überall. Und in der Kamera werden feinste Staubpartikel bei jeder Aufnahme – bei jedem Spiegelschlag – umhergewirbelt. Man kann sich kaum vorstellen, was in den kleinen Spiegelkasten an Luftzirkulation abläuft, denn schliesslich bewegt der Spiegel mehr als zwei Drittel des Luftvolumens in einem unglaublichen Tempo. Danach setzt sich der aufgewirbelte Staub wieder irgendwo im Spiegelkasten nieder: an den Gehäusewänden, auf dem Spiegel, auf der Einstellscheibe des Suchers oder – und jetzt wird’s ärgerlich – eben auch auf dem Sensor. Und dort werden die Partikel auf jedem Bild abgebildet, zwar unscharf, aber unübersehbar und störend. Je kleiner die Blende, desto schärfer präsentieren sich die Körner und Fäden.

Der Sensor ist ein komplexes, hoch empfindliches und vor allem teures Teil. Deshalb ist bei der Reinigung höchste Vorsicht angesagt

Nun gibt es ja Kamera mit einem eingebauten Vibrator, das heisst mit einem Piezoelement, welches den Sensor beim Einschalten leicht in Schwingung versetzt, damit die Staubpartikel abfallen und auf einem Klebeband unterhalb des Sensor aufgefangen werden. Ob dies sehr effizient ist? «Das mag für kleine Staubpartikel eine gewisse Wirkung haben» meint Raphael. «Aber die wirklich dicken Brocken, die man auch auf dem Bild sieht, können damit kaum abgeschüttelt werden. Da hilft nur die gelegentliche Sensorreinigung.»

Bevor man mit der Sensorreinigung beginnt, muss der Arbeitsplatz ,möglichst staubfrei sein und die Kamera muss äusserlich gereinigt werden. Dazu gehört auch das Reinigen des Spiegels, was vorsichtig mit einem Mikrofasertuch geschieht

«Das gab es früher in der analogen Fotografie nicht!» werden jetzt jene denken, die etwas wehmütig an das gute alte Filmzeitalter zurückdenken. Kameraseits richtig. Doch haben Sie die vielen Stunden bereits vergessen, die Sie mit Ausflecken der Vergrösserungen verbrachten? Oder die schwarzen Punkte bei der Diaprojektion, weil sich der Staub irgendwo im Diarähmchen an vier Glas- und zwei Filmflächen versteckte? Jetzt sitzt das staubige Übel woanders. Mal sehen, wie ihm der Profi nun zuleibe rückt …

 

Woran man zuerst denken muss

Bevor Raphael Müller ans Werk geht, gibt er zwei Dinge zu bedenken: «Erstens reinige ich die Kamera zuerst gründlich äusserlich» betont er, «denn es nützt nichts, wenn ich mit der Innenreinigung beginne und dabei immer wieder frische Staubpartikel vom Gehäuse ins Innere gelangen. Zweitens sollte der Raum, beziehungsweise die unmittelbare Umgebung der Kamera, einigermassen staubfrei sein. Ein feucht aufgenommener Küchentisch ist für diese heikle Arbeit sicher geeigneter als ein seit Wochen unaufgeräumten Schreitisch mit ungeleerten Aschenbechern. Da sollte man das Objektiv schon gar nicht vom Gehäuse wegnehmen …»

Das Reinigungsprgramm (Spiegel hochklappen und Verschluss öffnen) benötigt minutenlang viel Strom. Bedienungsanleitung der Kamera beachten!

Die nächste Voraussetzung ist, dass die Kamera am Netzgerät angeschlossen ist oder dass der Akku voll geladen ist. Während des Reinigungsvorgangs muss der Verschluss geöffnet und der Spiegel hochgeklappt sein, damit der Sensor freiliegt. Das braucht relativ viel Strom über eine lange Zeitdauer, denn wenn der Sensor stark verschmutzt ist, kann es gut und gerne eine Viertelstunde dauern, bis der Reinigungsvorgang abgeschlossen ist. Wird die Kamera in dieser Zeit plötzlich stromlos, so schliesst der Verschluss und kann dabei durch ein Hilfsmittel, das wir gerade einsetzen, beschädigt werden. Jetzt haben wir ausser der ungelösten Sensorreinigung ein neues Problem, das unter Umständen ganz schön dicke zu Buche schlagen kann.

Von Delkin gibt es den praktischen Set «Sensorscope», in welchem alles notwendige Material enthalten ist

 

Drei Verfahren – drei Chancen …

Raphael Müller hat drei Methoden, um den Sensor zu reinigen, wobei jede steigernd eine stärkere Wirkung entfaltet. «Allerdings sind das meine persönlich bevorzugten Methoden, die sich im Laufe der Jahre bei mir bewährt haben» präzisiert Raphael. «Einige meiner Kollegen ziehen andere Arbeitsweisen vor, und die Industrie bietet ja auch immer neue Hilfsmittel an, die sich im Kampf gegen den Staub bewähren dürften.»

Methode Eins: Die Kamera mit dem Blasebalg ausblasen. Dabei Kamera nach unten halten, damit die Staubpartikel herausfallen

Methode Eins ist der Blasebalg. Mit diesem antistatischen Spezialblasebalg bläst man mit mässigem Druck den Spiegelkasten aus. Dabei sollte die Kamera so nach unten gehalten werden, dass die Staubpartikel aus der Kamera herausfallen können. Nun gibt es neben den Blasebälgen auch das Gegenteil, nämlich spezielle Ministaubsauger, mit denen der Staub aus der Kamera gesogen werden kann. Raphael rät davor ab, weil diese zu wenig effizient seien und weil durch das Absaugen der Luft neue, eventuell staubhaltige Luft in die Kamera hineingesogen wird.

Methode Zwei: Mit dem Haftstempel Staub entfernen. Dabei den Haftstempel jedesmal auf einer Klebefläche reinigen

Methode Zwei ist der Stamp (die Stempel-Methode). Der kleine Kunststoffstempel (z.B. SpeckGrabber von Kinetronics) hat eine staubanziehende Oberfläche, an welcher die Staubpartikel anhaften. Nach jedem Einsatz bestempelt man eine spezielle Klebefläche, an welcher die Staubpartikel kleben bleiben. Diesen Vorgang wiederholt man so oft, bis keine Staubpartikel mehr auf dem Sensor zu sehen sind. Der viereckige Stempel von Visible Dust hat eine ideale Form, um bis in die Ecken des Sensors zu gelangen. Es gibt auch eine spezielle Kunstsfoffmasse, die aus der Uhrenindustrie kommt. Sie bewährt sich allerdings zur Sensorreinigung nur bedingt, weil man nur das Zentrum des Sensors erreicht, jedoch nicht die Ecken.

Methode Drei (für harnäckige Fälle): Die Pinselmethode mit Spezial-Flüssigkeit. Die Pinsenbreite muss der Sensorhöhe entsprchen, sonst gibt es Striemen. Ganz rechts sieht man die Staubrückstände nach der Reinigung

Methode Drei sind die Swaps (die Pinsel-Methode). Die Pinsel sind hermetisch verpackt und dürfen nur einmal eingesetzt werden. Sie haben verschiedene Breiten, die der Sensorhöhe entsprechen und mit dem Crop-Faktor bezeichnet sind:

• Grösse 1,6 für APS-C Sensoren

• Grösse 1,3 für APS-H Sensoren und

• Grösse 1,0 für Vollformatsensoren.

Zu den Pinseln gibt es eine spezielle Reinigungsflüssigkeit, von der einige Tropfen auf die Pinselspitze geträufelt werden. Verwenden Sie keine anderen Reinigungsmittel, weil diese Zusatzstoffe enthalten können, die beim Auftrocknen Rückstände bilden, die kaum wieder wegzubringen sind. Nun streicht man mit leichtem Druck den feuchten Pinsel über die Sensoroberfläche von einer Seite zur anderen und wieder zurück. Wichtig ist, dass die Pinselbreite zum Sensor passt. Ist der Pinsel zu schmal, entstehen Striemen. Die feinen Staubpartikel sind auf dem hellen Pinsel unschwer zu erkennen. «Die Pinselmethode ist die effizienteste, aber zugleich auch die riskanteste» erklärt Raphael. «Bei normaler Verschmutzung wende ich eine Methode nach der anderen an und kontrolliere laufend wieder den Erfolg der Reinigung. Handelt es sich jedoch um eine stark verschmutzte Kamera, so bringen die ersten beiden Methoden kaum etwas. Dann wende ich sofort die Pinselmethode an.»

Wie lange dauert eine Reinigung? «Unterschiedlich» sagt Raphael. «Bei uns ist die Sensorreinigung immer Teil des Gesamtprozesses ‚Check and Clean‘. Dabei kontrollieren wir die wichtigsten Funktionen der Kamera, Reinigen diese äusserlich und machen uns dann an den Sensor. Manchmal dauert dies fünf Minuten, machmal eine Viertelstunde oder noch länger. Aber es hilft dem Kunden wenig, wenn zwar der Sensor wieder sauber ist, aber das Autofokussystem nicht einwandfrei arbeitet.»

 

Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser

Eines der wichtigsten Werkzeuge wurde noch gar nicht erwähnt, nämlich die Sensorlupe. Es ist eine Speziallupe mit sechs LED-Leuchten, die auf das Bajonett gesetzt wird und dazu dient, die Staubpartikel visuell zu erkennen. «Ich benutze sie laufend, um den Erfolg meiner Arbeit verfolgen zu können» erklärt Raphael, «und mit ein bisschen Übung sieht man sofort, ob der Sensor staubfrei ist oder wo noch weiter gereinigt werden muss.»

Mit der Sensorlupe sind die Staubpartikel auf dem Sensor deutlich sichtbar

Nach erfolgreicher Reinigung löst Raphael zehn- bis zwanzigmal aus und kontrolliert den Sensor erneut. Ist dieser immer noch staubfrei, so ist die Arbeit beendet. Sitzt irgendwo wieder ein lachendes Staubkorn mitten auf dem Sensor, beginnt sie von Neuem …

Ausser der Betrachtung mit der Lupe gibt es noch eine weitere Möglichkeit, um den Staub auf dem Sensor festzustellen – und zu dokumentieren: Fotografieren Sie eine gleichmässige Fläche – zum Beispiel den wolkenlosen Himmel oder eine weisse Wand – mit möglichst geschlossener Blende. Auf dem Bild erkennen Sie jedes störende Staubpartikel und können es auch leicht auf dem Sensor lokalisieren.

Übrigens: Der Staub, den Sie möglicherweise im Sucher sehen, ist nicht auf dem Sensor, sondern auf der Einstellscheibe. Ist zwar logisch, wollte jedoch der Vollständigkeit halber doch noch gesagt sein.

 

Die Don’ts …

Was sollte man nicht tun? «Generell sollte man keine Methoden selbst ausprobieren, die nicht von berufener Seite empfohlen werden. Das Risiko von Beschädigungen ist schlichtweg zu gross. Dazu gehören Wattestäbchen, die Fuseln hinterlassen können» mahnt Raphael, «dazu gehören Fensterreiniger oder andere ‚garantiert rückstandsfreie‘ Reinigungsmittel, aber auch die rotierenden Pinsel, um den Staub wegzuwirbeln, haben sich nicht bewährt, weil der Staub im Spiegelkasten bleibt und nach einigen Auslösungen perfiderweise seinen Platz wieder auf dem Sensor findet. Aber, wie schon gesagt, das sind meine persönlichen Erfahrungen. Andere Techniken schwören wahrscheinlich auf ihre bewährten Mittel …»

 

Lohnt es sich, den Sensor selbst zu reinigen?

Wir haben Raphael Müller noch eine Weile bei seiner Arbeit zugeschaut und waren beeindruckt, welche Geduld und Akribie der Techniker dabei aufbringt. Ob ich die auch hätte? Anders gefragt: Lohnt es sich, diese Arbeit selbst erledigen zu wollen, oder sollte man sie besser den Spezialisten überlassen? Und wenn ja, wie häufig?

«Grundsätzlich sollte man den Sensor nur reinigen, wenn es wirklich nötig ist» klärt Raphael auf. «Denn jeder Eingriff ist mit einem gewissen Risiko verbunden. Man kann leicht den Verschluss beschädigen oder den Sensor zerkratzen, und dann kostet die Reparatur je nach Kamera und Sensorgrösse schnell ein paar hundert bis über tausend Franken. Aber es ist gut, wenn man weiss, wie es geht und welche Regeln man dabei beachten muss, denn vielleicht kommt man einmal in die Lage, dass man einen Sensor selbst reinigen muss, weil am Nordpol gerade mal keine Servicestelle zur Verfügung steht.»

Urs Tillmanns

Sertronics AG
Fegistrasse 5
CH-8957 Spreitenbach
Tel. 056 417 71 11

 

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Die Redaktion übernimmt keinerlei Haftung für Schäden, die bei Reingungsversuchen entstehen.

2 Kommentare zu “Sensorreinigung: Jetzt geht’s ans Herzstück”

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