Urs Tillmanns, 23. Juni 2012, 07:00 Uhr

Thema Langzeitarchivierung: «IS&T Archiving Conference 2012» in Kopenhagen

Die jährlich stattfindende «IS&T Archiving Konferenz» fand dieses Jahr in Kopenhagen statt. Rund 140 Teilnehmer aus allen fünf Kontinenten informierten sich vom 12. bis 15. Juni 2012 über den Stand der Forschung und aktuelle Entwicklungen im Bereich der digitalen Langzeitarchivierung und nutzten die Konferenz zum regen Erfahrungsaustausch.

Bereits zum neunten Mal führte in diesem Jahr die IS&T (Society for Imaging Science and Technology, www.imaging.org) die Archiving Konferenz durch. Die jährlich ausgerichtete Konferenz, die sich mit Strategien und Technologien zur digitalen Bewahrung von Kulturgütern befasst, fand nach Bern und Den Haag zum dritten Mal in einer europäischen Stadt, diesmal in Kopenhagen, statt.

Das Dänische Nationalmuseum war Gastgeber für die Vorträge der IS&T Archiving Konferenz 2012, die vom 12. bis 15. Juni 2012 in Kopenhagen stattfand

 

Vor dem reich befrachteten Vortragsprogramm bot sich den Teilnehmern die Gelegenheit, sich in einer Reihe von zwei- bis vierstündigen Intensivkursen durch ausgewiesene Experten in Themen wie Kamera-/Scanner-Kalibrierung und Farbmanagement, Imaging Workflow und Benchmarking, Preservation Planning oder der Anwendung von JPEG 2000 im archivischen Umfeld unterrichten zu lassen.

In seiner einleitenden Keynote zum Vortragsprogramm wies James Reilly, Gründer und Leiter des Image Permanence Institute (www.imagepermanenceinstitute.org) am Rochester Institute of Technology (RIT, www.rit.edu), auf die Schwierigkeiten hin, die durch die rasante Entwicklung bei den Digitaldruckverfahren und die Kurzlebigkeit entsprechender Produkte auf die Archive zukommen. Eine exakte Identifizierung von mittels Digitaldruckverfahren erstellten Bildern, welche Voraussetzung für die Aufbewahrung unter idealen Lagerbedingungen ist, wird durch die Vielfalt der Produkte enorm erschwert. Gleichzeitig fehlen standardisierte Testmethoden, um die Archivbeständigkeit dieser Medien, bei welchen gegenüber den konventionellen fotografischen Prints auch neue Zerfallserscheinungen zu beobachten sind, zu untersuchen. Reilly rief deshalb die Industrie dazu auf, sich an der Entwicklung entsprechender Testverfahren aktiv zu beteiligen.

Das mehrheitlich technisch orientierte Vortragsprogramm gliederte sich in die Bereiche Aufbau digitaler Assets, Workflow und Metadatenerfassung, Digital Asset Management, 3D Imaging sowie Qualitätsmanagement, Testmethoden und Standards. Weitere Themenschwerpunkte, die teilweise auch in Poster-Sessions präsentiert wurden, bildeten die digitale Langzeitarchivierung von audiovisuellen Medien, Dateiformate und die Migrierung von digitalen Daten sowie Speichermedien für die digitale Langzeitarchivierung und Preservation Planning.


Blick auf das historische Gebäude der Dänischen Königlichen Bibliothek in Kopenhagen (Bildmitte) mit imposanten modernen Anbau

Das dicht gedrängte Vortragsprogramm liess leider wenig Raum für Diskussionen zu den vorgetragenen Themen. Umso intensiver wurden die Pausen von den Teilnehmenden für angeregten Meinungs- und Erfahrungsaustausch genutzt. Gerade in diesem internationalen Erfahrungsaustausch liegt ein besonderer Wert dieser Konferenz: viele der teilnehmenden Institutionen (mehrheitlich Archive und Bibliotheken) waren ursprünglich vorwiegend historisch ausgerichtet und mussten sich das technologische Knowhow zuerst aneignen. Dem Austausch mit ähnlich gelagerten Institutionen und Unternehmen wird deshalb grosse Bedeutung beigemessen.

Etliche Referenten berichteten im Rahmen ihrer Vorträge über ihre gemachten Erfahrungen in abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten. Mit einer erstaunlichen Offenheit wurde dabei auch darüber berichtet, wo in der Vergangenheit Fehler gemacht worden sind, um so andere Institutionen und Unternehmen eben nicht nur von den positiven sondern auch von den negativen Erfahrungen profitieren zu lassen. Eine der Referentinnen führte denn auch als ersten Punkt, den sie aus ihrem Projekt gelernt habe, an, dass es von zentraler Bedeutung sei, aus den Erfahrungen anderer zu lernen. Dies ist besonders für kleinere Institutionen und Unternehmen wichtig, da diesen vielfach die Ressourcen und Kenntnisse fehlen, um beispielsweise eine Validierungssoftware für die Überprüfung von Dateiformaten zu evaluieren. Hier können Richtlinien und Empfehlungen auf nationaler und internationaler Ebene eine wertvolle Hilfe bieten. In der Schweiz werden beispielsweise solche Empfehlungen und Richtlinien sowie Software-Tools von der KOST (Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen, www.kost-ceco.ch) herausgegeben.

Im Rahmen der „Behind the Scene“ Tour konnten sich die Besucher unter anderem über die Tätigkeiten der Abteilung Karten, Druck und Fotografien der Königlichen Bibliothek informieren.

 

Standardisierte Testmethoden bei der Digitalisierung von analogen Fotografien

Im Bereich der Qualitätssicherung bei der Digitalisierung von analogen Fotografien und Dokumenten haben die Anstrengungen der letzten Jahre bei der Standardisierung von Testmethoden und der Entwicklung von Testmitteln Früchte getragen und zur Publikation etlicher Richtlinien geführt, wie beispielsweise die aus dem Niederländischen Programm Metamorfoze (www.metamorfoze.nl) stammenden Richtlinien für die Digitalisierung von Papier-basierten Kulturgütern, welche vom Niederländischen Nationalarchiv (www.archief.nl) im Rahmen des nationalen Programms «Images for the Future» (www.beeldenvoordetoekomst.nl) auf die Digitalisierung von Fotografien, einschliesslich Negativen adaptiert wurde. Diese Richtlinien, die für die Qualitätssicherung in diesem Bereich benötigten Testmittel und deren weitere Optimierung bildeten einen weiteren Themenschwerpunkt der Konferenz.

Die Besucher erhielten auch Einblick in historische Fotos und Fotoalben, die Teil der fotografischen Sammlung der Königlichen Bibliothek sind.

So positiv die Entwicklungen im Bereich der Qualitätssicherung sind, in einigen Präsentationen und Diskussionen am Rande der Konferenz wurde auch eine gewisse Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass vielerorts das entsprechende technischen Knowhow nicht oder nicht mehr vorhanden ist und dieses in aktuellen fotografischen Ausbildungen einen zu geringen Stellenwert einnimmt. – Möglicherweise müssen Archive und Museen künftig selber Mittel und Wege finden, um einen geeignet gebildeten Nachwuchs für die Digitalisierung von Dokumenten und Objekten in ihrem Umfeld sicherzustellen.

Bemerkenswert im Zusammenhang mit dem Thema Qualitätssicherung bei digitalen Bilddaten war unter anderen eine Präsentation von Pictura BV (www.pictura.nl), einem Niederländischen Dienstleistungsunternehmen, welches im grossen Stil Digitalisierungsprojekte realisiert. Pictura stellte einen Web-basierten Service für die Analyse von Testbildern vor. Nutzer dieser Dienstleistung können Bilder von Testtafeln, die sie aufgenommen haben, via Internet hochladen und erhalten innert kurzer Zeit die Resultate der Analyse ihrer Testaufnahmen einschliesslich der Angabe, ob diese den relevanten Standards, wie beispielsweise den oben erwähnten Metamorfoze Richtlinien, entsprechen. Pictura bietet diese Dienstleistung ihren Partnern zur kostenlosen Nutzung an, kommerzielle Nutzer bezahlen dafür eine geringfügige Gebühr.

Die Sammlung enthält unter anderem eine grosse Anzahl Fotografien von Kriegsgefangenen in Dänemark während und nach dem 1. Weltkrieg, die kürzlich digitalisiert wurde.

Während sich frühere Archiving Konferenzen noch schwerpunktmässig mit den technischen Aspekten der Langzeitarchivierung umfangreicher digitaler Datenbestände und der Bewahrung der Datenintegrität auf Bit-Ebene beschäftigte, so scheinen diese Themen inzwischen vermehrt in den Hintergrund getreten zu sein. Hingegen gaben die Berechnung der Kosten für diese Langzeitarchivierung sowie die dauerhafte Nutzbarhaltung der Datenbestände vermehrt zu reden, um hier nur einige Aspekte zu erwähnen, die unter dem Fachbegriff Preservation Planning zusammengefasst werden. Eine seriöse Planung der Archivierungs- und Erhaltungstätigkeiten schliesst mit ein, dass regelmässig die archivierten Datenformate auf das Risiko untersucht werden, dass diese obsolet werden können, und Strategien entwickelt werden, obsolete Dateiformate in aktuelle zu migrieren, ohne dass dabei ihre Nutzbarkeit tangiert wird. Während diese Thematik bei Office- und Bilddaten durch etablierte Standard-Formate wie PDF/A (eine für die Langzeitarchivierung standardisierte Variante von PDF), TIFF und JPEG 2000 weitgehend gelöst scheint, ist sie bei Datenbanken und Daten aus Spezialanwendungen weitaus komplexer und deshalb von einer Lösung noch weiter entfernt. Aber auch die etablierten Standard-Formate geben immer wieder Anlass zu Diskussionen, so auch an der diesjährigen Archiving Konferenz. Deshalb ist eine regelmässige Analyse der mit den archivierten Dateiformaten verbundenen Risiken zu einer permanenten Aufgabe geworden. Gesprächsstoff gab insbesondere die Weiterentwicklung des PDF/A Standards, bei der kurz nach Verabschiedung der Version 2.0 bereits eine Version 3.0 geplant wird, die offenbar die Einbettung jeglicher Art von Dateien einschliesslich nicht PDF/A konformer Formate wie ZIP oder Programmdateien in ein PDF/A zulassen soll. Etliche Teilnehmer der Konferenz manifestierten ihren Widerstand gegen dieses Ansinnen der verantwortlichen Expertengruppe der ISO.

In und um die Königliche Bibliothek treten auch in architektonischer Hinsicht Vergangenheit und Gegenwart in einer spannenden Dialog.

Abgerundet wurde das Rahmenprogramm der Konferenz mit Besuchen bei lokal ansässigen Unternehmen und Institutionen. Wahlweise konnten sich die Teilnehmer für Besuche bei Hasselblad, Phase One, dem Dänischen Nationalarchiv oder der Dänischen Königlichen Bibliothek entscheiden, um dort eine Blick hinter die Kulissen zu erhalten und mit Fachleuten zu diversen Themen zu diskutieren. Auch dieses Angebot wurde von den Teilnehmern rege genutzt.

Zum Abschluss der Konferenz konnten sowohl Veranstalter als auch Referenten und Teilnehmer eine durchwegs positive Bilanz ziehen und sich den Termin für die Archiving Konferenz 2013, welche vom 2. bis 5. April 2013 in Washington DC durchgeführt werden wird, in ihre Kalender eintragen. Nähere Angaben zu dieser zehnten Auflage der IS&T Archiving Konferenz werden rechtzeitig auf der oben erwähnten Website der IS&T publiziert werden.

Romano Padeste

 

 

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