Urs Tillmanns, 13. Januar 2013, 07:00 Uhr

Die kleinste EOS in der Praxis

Sie hat lange auf sich warten lassen, die erste Kompaktsystemkamera von Canon. Doch nun ist sie da und präsentiert sich ebenso klein und handlich wie eine Kompaktkamera, mit dem Unterschied, dass sie als Systemkamera auf die Verwendung von Wechselobjektiven ausgelegt ist. Wir haben sie in der Praxis erprobt.

Etwa mit der Grösse einer Zigarettenpackung und kleiner als eine Canon PowerShot G12 liegt die EOS M gut in der Hand, besonders wenn man relativ kleine Hände hat. Sie fühlt sich wertig und ergonomisch an, obwohl man sich für eine sicherere Haltung, speziell mit EF-Objektiven, auf der rechten Vorderseite noch einen etwas grösseren Griffwulst wünschen könnte. Aber dann wäre sie wieder grösser geworden. Oder könnte man diesen vielleicht anschraubbar gestalten …?

Die Kamera macht auch einen aufgeräumten und bedienungseinfachen Eindruck, und man würde auf den ersten Blick kaum ahnen, wie viele Einstellmöglichkeiten sich in ihr, beziehungsweise hinter den Touchscreen verbergen.

Touchscreen – als Gate zur Kreativität

Je länger je mehr müssen wir uns daran gewöhnen, dass die Bedienung generell über das Display erfolgt. Was Handys und Tablets vorgemacht haben, findet sich je länger je mehr auch in modernen Kameras wieder.

Die Bedienung der Canon EOS M erweist sich als sehr einfach und praxisfreundlich und ist weitgehend an die Menüstruktur der EOS Spiegelreflex- und G-Modelle angelehnt. Wer sich dort zurecht findet, hat auch keinerlei Probleme mit der EOS M. Kommt hinzu, dass die wählbaren Menüpunkt durchgehend kommentiert sind, so dass auch symbolunbedarfte Benutzer den Sinn und die Effekte der Bedienungsikonen sehr gut verstehen dürften.

Die Menüstruktur der EOS M gleicht derjenigen der Canon EOS- und G-Modelle. Canon-Fotografen finden sich darin sofort zurecht

Erfreulich an der EOS M ist einerseits der vorhandene Zubehörschuh für die Verwendung externer Blitzgeräte, sowie der zur Kamera lieferbare EF-EOS M Mount Adapter, welcher die Verwendung von EOS EF-Objektiven an der EOS M mit dem vollen Funktionsangebot ermöglicht. Dazu zwei Kommentare:

• Die Verwendung externer Blitzgeräte drängt sich schon auf, weil die kompakte EOS M kein integriertes Blitzgerät besitzt. Das mag von vielen als Mangel empfunden werden, ist aber wahrscheinlich ein sinnvoller Entscheid, denn die Platzverhältnisse des Kameragehäuses lassen kaum die Integration einer Ausklappblitzes zu, der nicht zu roten Augen führen würde. Deshalb liefert Canon zur EOS M den neuen Miniblitz Speedlite 90EX, der in den Hotshoe eingefahren wird und so mit immerhin 70 mm Abstand zur optischen Achse den unbeliebten Rotaugeneffekt praktisch ausschliesst. Hätte man diesen aufklappbar gestaltet, dann wäre auch indirektes Blitzen (in beschränktem Masse) möglich. Ob allerdings Canon bei der Lösung des Gehäuses ohne Blitz bleibt, und nicht auf Grund des Marktdrucks im nächsten Modell doch mit einem integrierten Blitz kommt, steht noch in Canons verschlossenen Tresoren geschrieben.

Der Miniblitz Speedlite 90EX gehört zum Lieferumfang. Mit 70 mm Abstand zur optischen Achse verhindert er weitgehend rote Augen

• Der EF-EOS M Mount Adapter war ein logischer Schachzug bei der Markteinführung der EOS M, um sich das Potential der EOS Spiegelreflexkamerabesitzer als Abnehmer von Zweitgehäusen zu sichern. Die Lösung ist naheliegend, zumal die kleine Schwester mit dem Standardzoom 18-55 mm oder den 22mm Pancake auch qualitativ Resultate ergibt, die sich kaum merklich von denjenigen der (APS-C) EOS Spiegelreflexmodelle unterscheiden. Selbstverständlich ist die EOS M in der Lage RAW-Dateien abzuspeichern, was wohl eine Grundbedingung für den professionellen Einsatz ist. Als Zweitkamera auf einer Expedition ist die kleine EOS M also durchaus eine interessante Lösung, auch wenn das munzige Gehäuse an gewissen Schwerpfündern von Objektiven nicht gerade sehr profihaft aussieht. Aber letztlich ist das Bildergebnis massgebend …

Zum Lieferumfang des EOS M Kits gehören das Standardzoom 18-55 mm sowie das Pancake 22 mm. Wie ist ihre Qualität …

 

Das EF-M 1:3,5-5,6/18-55mm IS STM in seiner 18mm Weitwinkelposition mit 300%-Ausschnitt

Das EF-M 1:3,5-5,6/18-55mm IS STM in seiner 55mm Teleposition mit 300%-Ausschnitt

Das EF-M 1:2/22mm IS STM mit 300%-Ausschnitt

Die Qualität der Kamera ist mit dem 18 Millionen-Sensor im APS-C Format und dem bewährten Digic 5 Prozessor erstaunlich und dürfte auch hohe Ansprüche befriedigen. Auch die beiden Standardobjektive, das Standardzoom EF-M 1:3,5-5,6/18-55mm IS STM und das Pancake-Objektiv EF-M 1:2/22mm STM machen mit Metallgehäuse und Metallbajonett einen sehr wertigen Eindruck und enttäuschten auch in der Praxis nicht. 18 bis 55 mm Objektive haben sich im Bereich der Kompaktsystemkameras (CSC) auch bei anderen Marken als Standardzooms durchgesetzt, obwohl man sich oft in der Praxis oft einen etwas grösseren Brennweitenbereich wünschen würde. Doch weitere Objektive zum EOS M-System dürften schon bald zu erwarten sein.

Das Rauschverhalten der EOS M bei verschiedenen ISO-Werten

Auch das Rauschverhalten der EOS M ist mehr als befriedigend, was unser Text mit dem Empfindlichkeiten von ISO 100 bis ISO 12’800 zeigt. In der Praxis können die ISO 3’200 demnach problemlos benutzt werden. Auch bei ISO 6’400 fällt die Körnigkeit noch kaum ins Gewicht, erst bei ISO 12’800 ist das Rauschen auffallend.

Mit dem Pancake-Objektiv EF-M 1:2/22mm STM wird die EOS M fast ebenso kompakt wie eine Canon G-Kamera

Mit dem lichtstarken Pancake-Objektiv EF-M 1:2/22mm STM macht die EOS M einen sehr kompakten Eindruck und wird schon fast taschenkonform. Allerdings bin ich persönlich kein grosser Freund dieser Art von Objektiven, zumal die Brennweite von 22 mm innerhalb des Zoombereichs des Normalzooms 18-55 mm liegt und mit den kleinbildentsprechenden 35 mm Brennweite auch keine wirkliche Weitwinkelbrennweite ist. Bezüglich der optischen Qualität steht sie allerdings dem doppelt so langen Standardzoom kaum nach, wie unser Test zeigte.

Mit dem EF-EOS M-Adapter können sämtliche Canon EF-Objektive an der EOS M verwendet werden 

 

Breite Praxispalette

Was sich in dem kleinen Gehäuse an Praxismöglichkeiten verbergen, wird einem erst bewusst, wenn man sich intensiver mit der Kamera befasst. Grundsätzlich richtet sich die Kamera an drei Arten von Usern, was schon das Moduswahlrad unterhalb des Auslösers verrät:

Das Moduswahlrad der EOS M mit den drei Positionen: A-Modus, Foto-Modus und Videofunktion

Der grüne A-Modus ist die Kameraeinstellung für technisch weniger versierte, die ganz einfach in einem intelligenten Automatikmodus gute Bilder machen wollen. Die Kamera arbeitet dabei mit einer recht ausgeklügelten Motiverkennung und wählt automatisch dazu passenden Automatikprogramme. Im A-Modus haben die Farben eine intensivere Wirkung, was über die Wahl eines entsprechenden Kreativfilters auf Wunsch korrigiert werden kann.

Die Canon EOS M ist mit vielen, auch individuell einstellbaren Motivprogrammen ausgestattet

Der Foto-Modus ist die Normalstellung für alle Nutzer, die möglichst alle fotografischen Möglichkeiten der Kamera verwenden möchten. Für die Schnelleinsteiger gibt es dazu das Q-Feld, oben links auf dem Touchscreen, mit dem die AF-Methode, der AF-Betrieb, die Bildaufnahmequalität, die Kreativfilter, der Weissabgleich, der Bildstil, die automatische Belichtungsoptimierung und die Belichtungsmessmethode eingestellt werden können.

Über das Q-Feld können die wichtigsten Einstellungen der Kamera angewählt werden 

Der Aufnahmemodus (Manuelle Belichtung, Zeitautomatik, Blenden- und Programmautomatik) sowie die Motivprogramme Kreativ-Automatik, Porträt, Landschaft, Nahaufnahme, Sport, Nachaufnahme, Nachaufnahme ohne Stativ und HDR-Gegenlicht, werden über das Aufnahmemodus oben links gewählt. Mit der Kreativ-Automatik (CA) – ein vielleicht etwas unglückliche Bezeichnung, weil Kreativität wohl kaum automatisch funktioniert, Effekteinstellungen wäre besser gewesen – kann ein Umgebungseffekt (Farben lebendig, warm weich, kräftig, heller, dunkler, monochrom) gewählt oder der Hintergrund schärfer oder stärker unscharf eingestellt werden, wobei der zu erwartende Effekt in einem Beispielbild visualisiert wird. Weiter können in den Programmen Porträt, Landschaft, Nahaufnahme und Bewegung verschiedene Motiv- und Beleuchtungstypen (Tageslicht, Schatten, wolkig, Kunstlicht, Leuchtstofflampe, Abendlicht) gewählt werden. Mit dem Motivprogramm HDR-Gegenlicht werden drei Aufnahmen unterschiedlicher Belichtung realisiert, die in der Kamera zu einem HDR-Bild vereint werden. Damit noch nicht genug, denn das reichhaltiger Menü sieht auch noch eine Reihe von Effektfiltern vor, nämlich Schwarzweiss-Körnigkeit, Weichzeichner, Fischaugeneffekt, Ölgemäldeeffekt, Aquarelleffekt, Spielzeugkameraeffekt und Miniatureffekt. Abgesehen davon kann mit sechs Vorgaben der persönliche Bildstil festgelegt werden

Auf  dem Touchscreen kann das Autofokus-Messfeld an einen beliebigen Ort verschoben werden

Wie heute üblich arbeitet die EOS M auch mit Gesichtserkennung und der Autofokus-Gesichtsverfolgung, mit welcher das Autofokussystem einer Person, die sich im Bild bewegt, automatisch folgt. Natürlich kann der kontinuierliche Autofokus auch ausgestellt werden. Oder es kann der FlexiZone-Multi-AF Modus angewählt werden, um neun Fokussierzonen oder bis zu 31 Autofokus-Messfelder zur Scharfeinstellung nutzen zu können. Was in der Praxis sinnvoll und nützlich ist, ist das beliebige Verschieben des Autofokusfelds (FlexiZone-Single) auf dem Touchscreen, so dass die Schärfe jederzeit auf einen bestimmten Motivbereich verlegt werden kann. Und wer alles über den Touchscreen bedienen will, kann auch den Auslöser aufs Display verlegen.

Über die Info-Taste gelangt man zur Schnelleinstellung – wie bei den Spiegelreflexmodellen von Canon

Auch im Bereich der Belichtungssteuer bietet die EOS M alles Erdenkliche, wie Belichtungskorrektur, Blitzbelichtungskorrektur, Belichtungsreihenautomatik, Belichtungsspeicherung, bis hin zur automatischen Korrektur von Helligkeit und Kontrast (Auto Lighting Optimizer), welche auch individuell gestaltet und abgespeichert werden kann.

Das sind bei weitem nicht alle Einstellparameter der EOS M, aber die wichtigsten. Und wer sich mit den Menüs in Canon Spiegelreflexkameras etwas auskennt, dem kommen nicht nur die Begriffe und Möglichkeiten bekannt vor, sondern auch die Menüstruktur selbst.

Über die Kreativ-Automatik kann die Unschärfe (Bokeh) des Hintergrundes eingestellt werden

Die dritte Position des Betriebsartenschalters ist den Videografen vorbehalten. Auch im Bereich des bewegten Bildes ist die EOS M mit ihrer HD-Qualität 1080p auf der Höhe. Für Videos hat die EOS M interessante Einstellmöglichkeiten, wie manuelle Belichtung, Belichtungskorrektur, Autofokus und Servo-AF, Positionswahl des AF-Feldes, Wahl der Bildqualität und Bildrate und andere. Die Video Start-/Stop-Taste, die in den anderen Betriebsarten keine Funktion hat, befindet sich ergonomisch günstig neben der Daumenmulde. Selbstverständlich können während dem Videofilmen auch Standbilder über den normaler Auslöser aufgenommen werden. Soweit auch hier die EOS M eine interessante technische Ausstattung mit vielen Praxismöglichkeiten bietet, so sehr erwachen bei mir Zweifel, ob mit dieser leichten Kamera aus freier Hand überhaupt befriedigende Videos aufgenommen werden können. Die Kamera hat dazu ganz einfach zu wenig Masse. Das Stativ ist angesagt – oder vielleicht auch der eingangs gewünschte Griffwust auf der Frontseite der Kamera, der viel verbessern dürfte. Wer weiss, vielleicht findet sich dieser auf der EOS M2 – oder wie auch immer …

Herz der neuen Canon Kompaktsystemkamera: der APS-C Sensor und ein neues Bajonett

Unser Fazit: Die Canon EOS M und ihre technischen Möglichkeiten werden wahrscheinlich allgemein unterschätzt. Man muss schon einige Stunden opfern und vielleicht auch das 350 Seiten starke Handbuch, das es als pdf auf der CD gibt, studieren, um wirklich alle Funktionen realisieren und ausprobieren zu können. Das kleine gedruckte Büchlein, das der Kamera beiliegt, ist wirklich nur für die ersten Schritte, und wer einfach so ein bisschen rumpröbelt, wird nie alle Geheimnisse der EOS M entdecken. Die Aufnahmequalität ist durchaus überzeugend und dürfte auch für viele (APS C) Spiegelreflexfotografen so gut sein, dass ein Gehäusewechsel kaum wahrgenommen werden dürfte. Fotografen mit grossen Händen dürften bemängeln, dass die EOS M etwas zu wenig griffig ist, und vielen «Grün-Automatik-Fotografen» dürfte ein eingebauter Blitz fehlen – weil man den mitglieferten Kleinblitz wahrscheinlich eh zu Hause lässt. Jedenfalls hat Canon die Richtung ihrer neuen Kameraklasse klar definiert, und wir dürfen gespannt sein, was wohl wann als nächstes kommt: welche Objektive, und vielleicht schon bald eine EOS M2 …

Urs Tillmanns

Weitere Informationen und die technischen Daten zur Canon EOS M finden Sie unter www.canon.ch

 

 

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