Urs Tillmanns, 11. November 2014, 13:00 Uhr

ASIP-Symposium «Sammeln und gesammelt werden»

ASIP LogoDie ASIP (Association Suisse des Institutions pour la Photographie) und das Centre de Ia Photographie Geneve organisieren zusammen ein Symposium zum Thema «Sammeln», in welchem hochkarätige Archivare, Sammler und Wissenschaftler referieren. Das Symposium findet am Freitag, 5. Dezember 2014 im Genfer Kunstzentrum BAC statt. Der Eintritt ist frei, doch ist eine Anmeldung erforderlich.

 

Was sammeln wir, wenn wir sammeln? Wie sammeln wir? Wie wählen wir aus? Was werfen wir weg? Was kommt in die private Schatulle, was ins regionale, ins nationale Museum? Was in den Müll? Boris Groys fragte sich sogar: Sammeln wir oder werden wir gesammelt? Spezifischer auf die Fotografie zugeschnitten: Worauf achten wir heute beim Sammeln? Wie archivieren wir Fotografien? Wie ordnen wir das visuelle Gedächtnis der Gesellschaft? Was soll es uns in der Zukunft an Wissen, an Quellen, an Erinnerung ermöglichen? Wie sammeln wir in der Zukunft, wenn viele Fotografien nur noch als elektronische Daten existieren?

ASIP, die Association Suisse des Institutions pour Ia Photographie, und das Centre de Ia Photographie Geneve, organisieren am Freitag, 5. Dezember 2014 ein Nachmittagssymposium, an dem wir mit Theoretikerlnnen, Künstlerinnen, Archivarinnen und Sammlerinnen ins vertiefende Gespräch kommen werden. Fünf Vorträge mit anschliessender Diskussion sind vorgesehen. Die hier gestellten Fragen werden von den Vortragenden erweitert und vertieft.

Die Veranstaltung wird im BAC durchgeführt, dem Genfer Kunstzentrum, in dem das Mamco, das Centre d’art Contemporain und das Centre de Ia Photographie Genève (CPG) zu Hause sind. Sie findet statt im Rahmen der Generalversammlung der ASIP und ist zugleich Teil des 3D-Jahr-Jubiläums des CPG, das Ende November und Anfang Dezember gefeiert wird.

 

14:00 – 14:15 Begrüssung durch Urs Stahel, Präsident ASIP / Joerg Bader, Directeur Centre de la Photographie Genève

Die Vorträge

14:15 – 15:00 Beat Wyss: Das Archiv als Bildagentur

Wer nach dem Fotomuseum der Zukunft fragt, handelt sich eine Gleichung mit drei Unbekannten ein: Neben der Frage, was überhaupt in Zukunft sei, ist die Rolle eines «Museums» im postmusealen Zeitalter ebenso fraglich wie die einer Fotografie als Sammlungsgegenstand. Wie schreibt George Orwell in «Nineteen eighty Jour», jenem Roman über eine Zukunft, die heuer exakt schon dreissig Jahre vorbei ist: «Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft». Der Vortragende dreht also das Fernrohr um, blickt tief in die Vergangenheit und holt sich Rat bei Charles Sanders Peirce, der im gleichen Jahr wie das Lichtbild geboren wurde. Das utopische Potential dieses Mediums ist in seiner heroischen Vergangenheit zu suchen, als Andre Malraux das «Musee imaginaire» publizierte. Vielleicht geht es in Zukunft weniger um ein Sammeln als um das Teilen von Bildern.

Prof. Dr. Beat Wyss lehrt Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Gastprofessuren führten ihn unter anderem an die Cornell University, lthaca, N.Y., Aarhus Universitet, Dänemark, Universität Tallinn, Estland. Wyss ist Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Zuletzt erschienene Publikationen: Renaissance als Kulturtechnik, Philo Fine Arts: Hamburg 2013; Bilder von der Globalisierung, Berlin: Insel, 2010; Nach den grossen Erzählungen, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2009.

15:00 – 15:45 Antoine de Galbert: Die Welt verstehen und/oder ein Selbstbildnis wagen

Meine Sammlung ist keinesfalls auf ein Thema oder ein Medium beschränkt. Die Werke, die mich umgeben, sind einzig dazu da, mir zu helfen, die Welt zu verstehen und eine Introspektion vorzunehmen oder ein Selbstbildnis zu enthüllen. Ich kümmere mich dabei keineswegs um kunstgeschichtliche Kenntnisse oder um den Kunstmarkt. Meine Motivation könnte folgende sein: Fotografie zu kaufen bedeutet nicht unbedingt, dass man Sammler von Fotografien ist. Ich habe etwa 500 Fotografien gesammelt, ohne in irgendwelcher Weise ein Experte zu sein.

Antoine de Galbert, geboren 1955, ist Sammler, Präsident und Gründer des Maison Rouge, Paris

15:45 К 16:30 Esther Baur: Vom Potential der historischen Fotografie für das Archiv. Eine kritische Überprüfung

Die Zeiten haben sich glücklicherweise geändert: Heute besteht über den Status der historischen Fotografie in den Archiven weitgehend Einigkeit und die grundsätzliche Archivwürdigkeit audiovisueller Dokumente wie der Fotografie ist in den Archivgesetzen verankert. Das Staatsarchiv Basel-Stadt verwahrt heute weit mehr als eine Million Fotografien, was in der Tradition dieses Archivs begründet liegt, das vergleichsweise sehr früh den eigenständigen Wert der Fotografie erkannt hat. Der von der digitalen Technologie vorangetriebene rasante gesamtgesellschaftliche Kulturwandel auch im Umgang mit kulturellen Inhalten betrifft die Archive als traditionelle Kultur- und Gedächtnisinstitutionen in hohem Mass. Seit 2000 investiert das Archiv systematisch in die Entwicklung und den Ausbau seiner digitalen Infrastrukturen – u.a. damit Fotografien online zur Verfügung gestellt werden können. Da die Fotografie zu den strategischen Säulen des Staatsarchivs gehört, spielt sie auch bei den konzeptuellen Überlegungen zur zukunftsfähigen Neuausrichtung des Archivs im digitalen Umfeld und in einem Neubau an einem neuen Ort eine zentrale Rolle.

Esther Bauer: Studium der Geschichte und Kunstgeschichte mit Abschluss 1989; ab 1994 bis 2007 mit wenigen Unterbrüchen im Staatsarchiv verantwortlich für den Bereich audiovisuelle Medien, insbesondere die historische Fotografie. Seit 1997 tätig als Lehrbeauftragte am Departement Geschichte der Universität Basel im Modul «Archive- Medien- Theorien» und seit 2007 Staatsarchivarin des Kantons Basel-Stadt.

16:30 – 16:45 Pause

16:45 – 17:30 Peter Piller: Vorzüge der Absichtslosigkeit

1. Dem ersten Blick ist unbedingt zu misstrauen. Ich warte darauf, dass sich die Bilder mir aufdrängen, mich verfolgen, sich hinterrücks anschleichen, eher als dass ich welche suche.
2. Langeweilie ist ein anzustrebender Zustand. Langeweile bedeutet, mit einem Material ganz vertraut geworden zu sein. Langeweile lenkt das Sehen vom Zentrum zu den Rändern hin.
3. Auswahl, Kategorisierung und Benennung sind persönliche Setzungen, keiner Objektivität verpflichtet.
4. Unbedingt Anhäufungen vermeiden. Beim Archivieren geht es nicht um Quantität.
5. Nicht alles unter Nutzungsaspekten beurteilen. Nicht verwendbares Material aufbewahren, damit man es ein paar Jahre später neu sichten kann, wenn man ein anderer geworden ist.
6. Jedes Bild auch darauf befragen, welchen Assoziationsraum von Missverständnissen es aufweist. Verständnis und Missverständnis als gleichwertig ansehen.

Peter Piller, geboren 1968 in Fritzlar, lebt und arbeitet in Hamburg, seit 2006 ist er Professor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig. Diverse Einzelausstellungen u.a. im Fotomuseum Winterthur und im Centre de Ia photographie Genève.

17:30 – 18:15 Pascale Bausse: Das Centre National des Arts Plastiques, ein Museum ohne Wände

Das CNAP greift direkt in die Kunstökonomie als öffentlicher Sammler ein. Es sammelt und verwaltet, im Auftrag des französischen Staates unter dem Namen «Fonds national d’art contemporain», einen Korpus von Werken, die aus allen Bereichen visueller Kunst stammen. Dieser einzigartige Fonds ist auch einmalig in seinem Umfang: Er zählt heute 95’000 Werke und befindet sich ganz nah am gegenwärtigen Kunstschaffen.

Der technologische Paradigmenwechsel der Fotografie warf neue Fragen im Bereich der Sammlungspolitik des CNAP auf, spezielle jene die Originalität des Werkes betreffend und führte zu Überlegungen einer möglichen Evolution der Ankaufsmodalitäten. Was wird gekauft? Ein physisches Werk oder Daten, die seine Dematerialisierung/Rematerialisierung ermöglicht und so auch eine Vereinfachung seiner Handhabung zur Folge haben? Tragen die von der Digitalisierung angebotenen Möglichkeiten nicht zu einer Demokratisierung der Fotokunst bei? Ist somit eine Alternative zur aktuellen Zirkulation der Ausstellungen denkbar?

Pascal Beausse ist für den fotografischen Teil der grossen Sammlung des Centre national des arts plastiques in Paris verantwortlich. Er arbeitet als Kunstkritiker und Kurator und unterrichtet Geschichte der Fototheorie am HEAD, der Haute Ecole d’art et de design in Genf.

18:15 – 18:30 Schlusswort Jörg Bader

Tagungssprachen sind Deutsch und Französisch. Es wird simultan übersetzt.

Tagungsort: Centre de la photographie Genève, BAC – Bâtiment d’art contemporain (Auditorium), 28, rue des Bains, CH-1205 Genève

Der Eintritt ist frei. Da die Plätze beschränkt sind, ist eine Anmeldung unbedingt erforderlich.

Weitere Informationen und die Anmeldung  finden Sie hier.

 


Weitere Fotoevents, Ausstellungen, Workshops, Reisen und Fotobörsen finden Sie laufend aktualisiert unter www.fotoagenda.ch

 

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