Urs Tillmanns, 6. Juni 2015, 08:00 Uhr

Buchtipp: «Welt in Farbe»

Noch ist die Ausstellung «Welt in Farbe» im Rietberg-Museum Zürich bis 27. September 2015 zu sehen. Doch danach wird nur noch der Katalog an diese frühesten Farbbilder aus Europa, Asien und dem Orient erinnern. Er wird damit zu einer wichtigen Dokumentation, die uns längst vergangene fremdländischer Kulturen in Erinnerung ruft – dazu noch in Farbe.

 

Wer an der Geschichte der Farbfotografie interessiert ist, wer Bilder ferner Kulturen vor hundert Jahren in Europa, Asien, Afrika und Amerika sehen möchte, der sollte die Ausstellung «Welt in Farbe» (Fotointern.ch berichtete), die gegenwärtig im Rietberg Museum zu sehen ist, keinesfalls verpassen. Und falls doch, so bleibt wenigsten der Katalog ein bleibendes Dokument, in welchem ein repräsentativer Querschnitt dieser prachtvolle Sammlung dokumentiert ist.

Ausserhalb Frankreichs ist die Sammlung von Albert Kahn wenig bekannt. Sie ist im Musée Albert-Kahn in Boulogne-Billancourt im Norden von Paris untergebracht und erinnert an ein einmaliges Projekt des französischen Philanthropen, der 1913/14 zwanzig Fotografen nach Europa, Asien, Afrika und Amerika entsandte, um Menschen, Landschaften und Monumente zu fotografieren – und zwar in Farbe.

Welt in Farbe 01

Die Farbfotografie war damals noch wenigen Spezialisten vorbehalten, die es verstanden, mit dem Dreifarbenkameras umzugehen, oder die sich den modernen Autochrome-Platten der Gebrüder Lumière bedienen könnten. Dieses früheste kommerzielle Farbverfahren, mit eingefärbten Kartoffelstärkekörnern als Farbfilter vor der Emulsion, brachten erstmals in einem Arbeitsgang Farbaufnahmen zu Stande, welche die Motive in «natürlichen Farben» zeigten und verhältnismässig einfach in der Verarbeitung waren. Die Farbfotografie hatte damit einen ersten Durchbruch zur Popularisierung errungen, obgleich sie für den nächsten grossen Schritt – die chromogene Farbentwicklung – weitere drei Jahrzehnte zuwarten musste.

Albert Kahn hat mit seinem Projekt Grossartiges geleistet und der westlichen Welt eine aussergewöhnliche Kulturbotschaft vermittelt. Mit dem Grossprojekt wollte der französische Bankier in einer Zeit, als die Nationen zum grossen Krieg rüsteten, einen Beitrag zum Weltfrieden leisten. Der Krieg machte dem Projekt einen Strich durch die Rechnung, doch sind uns rund 72’000 Glasplatten als Erbe geblieben, das heute so einmalig ist, wie der dokumentarische Stellenwert dieses Ausstellungskataloges.

Welt in Farbe 02

Das Projekt verfolgte ursprünglich noch sehr viel weitere Ziele. Die Bilder hätten in allen Ländern in Schulen und Universitäten als didaktische Medien eingesetzt werden sollen. Was heute davon bleibt, ist die Sammlung im Museum Albert Kahn in Paris, die gegenwärtige Ausstellung im Rietberg-Museum und ein Katalog, der Freunden der frühen Farbfotografie und Interessenten der Kulturgeschichte eine unverzichtbare Dokumentation ist.

Es sind aber nicht nur die bisher kaum gesehenen Bilder im Katalog, die uns begeistern, sondern auch die informativen Texte ausgesuchter Autoren zur Bedeutung dieser Arbeit in der Foto- und Kulturgeschichte, sowie die aufschlussreichen Erläuterungen zu den einzelnen Bildern. Hier kommt ein spannendes und aufklärendes Hintergrundwissen hinzu, das den Wert des Kataloges nochmals auf eine höhere Ebene stellt.

Urs Tillmanns

Welt in Farbe 03

 

Buchbeschreibung des Verlages

Die Welt am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Dem Vergessen entrissen und neu entdeckt: frühe Farbfotografien aus dem Archiv der Medienpioniere Albert Kahn, Sergej M. Prokudin-Gorskii und Adolf Miethe.

Unser fotografisches Gedächtnis der Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts scheint aus schwarz-weissen Bildern zu bestehen. Doch bereits vor dem Ersten Weltkrieg erfuhr die Farbfotografie dank Albert Kahn (1860–1940) und anderer Pioniere entscheidende Impulse. Der wohlhabende Bankier nutzte sein Vermögen, um das von den Brüdern Lumière erfundene farbfotografische Verfahren zu fördern und «Les archives de la planète» anzulegen, in denen er über 70 000 Farbbildaufnahmen aus aller Welt zusammentrug, um am Vorabend des Krieges ein Zeichen der Völkerverständigung zu setzen: Das Fremde rückte so in sichtbare Nähe. Der Band präsentiert eines der grössten Fotoprojekte der damaligen Zeit und setzt es mit den Farbfotografien von Sergej Michailowitsch Prokudin-Gorskii sowie den Alben von Adolf Miethe und Buchwerken wie Bilder aus den deutschen Kolonien des Carl Weller-Verlages in Beziehung.

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Der Inhalt

Albert Lutz: Grusswort

Jürgen Wilhelm | Ulrike Lubek: 1914 – Mitten in Europa

Welt in Farbe 05

Milena Karabaic | Thomas Schleper: Global und in Color

Gabriele Uelsberg | Lothar Altringer | Thomas Oberender | Gereon Sievernich: Vorwort

Welt in Farbe 06

Rolf Sachsse: Bunte Bilder der Welt

Franziska Maria Scheuer: Völkerverständigung durch Bilder

Bildteill: Europa |Nordafrika

Welt in Farbe 07

Thomas Schleper: Im Garten der Bilder – Spekulation über die Sympathie

Bildteil 2: Balkan | Türkei

Wiebke Siever: Der verschwundene Bilderschatz des letzten Zaren

Welt in Farbe 08

Rebekka Welker: Die Indien-Reise von Stéphane Passet

Bildteil 3: Asien

Christoph Antweiler | Rolf Sachsse: Bilderläuterungen

Welt in Farbe 09

Rolf Sachsse: Historische Biografien

Wiebke Siever: Auswahlbibliografie

Autorenbiografien

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Texte von Christoph Antweiler, Rolf Sachsse, Franziska Scheuer, Thomas Schleper, Wiebke Siever, Rebekka Welker

Bildrechte: Albert Kahn,« Les archives de la planète», 1913-1914 / © Musée Albert-Kahn, Département des Hauts-de-Seine, France

 

Bibliografie

«Welt in Farbe – Farbfotografie vor dem Krieg»
Hrsg. LVR-LandesMuseum Bonn
Gestaltung von Reschke, Steffens & Kruse
Texte in Deutsch
144 Seiten, 101 Abbildungen
Format: 24,30 x 28,00 cm
Broschur
Verlag Haje Cantz, Ostfildern
ISBN 978-3-7757-3644-2
Preis: CHF 38.– (bzw CHF 28.– im Museum Rietberg)

Webseite des Rietberg-Museums Zürich.

 

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