Urs Tillmanns, 30. April 2016, 07:48 Uhr

Buchtipp: Werner Bischof – Standpunkt

Werner Bischof hätte diesen Monat seinen hundertsten Geburtstag gefeiert. Zu seinem Zentennium findet heute im Musée Elysée eine Hommage statt, es gab mehrere Ausstellungen, es sind zahlreiche Artikel sowie zwei wichtige Bücher erschienen: «Helvetica», das wir bereits vorgestellt haben und «Standpunkt», auf welches wir hier näher eingehen möchten.

 

Das Schaffen von Werner Bischof ist sehr reichhaltig dokumentiert. Immer wieder wurden seine ikonalen Bilder in Ausstellungen präsentiert sowie in Büchern und Zeitschriften gezeigt und beschrieben – zum Beispiel in vielen prachtvollen «Du»-Ausgaben . Kein Zweifel: Werner Bischof war und bleibt einer der grössten Schweizer Fotografen.

Jetzt, zu seinem hundertsten Geburtstag (dieser wäre am 26. April gewesen) sind zwei neue Bücher erschienen, welche beide das Gesamtwerk von Werner Bischof aus neuer Sicht angehen. Es ist einmal das Buch «Helvetica», welches zur Eröffnung der Ausstellung im Musée Elysée am 27. Januar dieses Jahres erschien und das auf Fotointern.ch bereits rezensiert wurde. Als zweites ist das Buch «Standpunkt» im Verlag Scheidegger & Spiess anfangs April zur Bischof-Ausstellung in der Photobastei herausgekommen, das nun hier genauer vorgestellt werden soll.

Beide Bücher haben, im Gegensatz zu früheren Erscheinungen, etwas gemeinsam: Sie zeigen viel neues Material von Werner Bischof, darunter Bilder aus seiner Frühzeit, die man bisher kaum zu sehen bekam, dann aber – und damit kommt beiden Bücher ein enormer Wert zu – auch weiteres Material, wie Kontaktbögen, Skizzen und Zeichnungen. Es werden auch sehr lesenswerte Briefe wiedergegeben, die Werner Bischof von seinen unzähligen Reisen an seine Frau Rosellina und an seine befreundeten Magnum-Fotografen schrieb. Beide Bücher sind mehr als «nur» Bildbände. Sie geben uns einen spannenden und – vor allem für junge Fotografen – lehrreichen Einblick in die Gedankenwelt von Werner Bischof, in seine Erlebnisse und Erfahrungen sowie in seine Arbeitsweise.

 

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Wie kaum bei anderen Fotografen enthält das Archiv Werner Bischof, das von seinem Sohn Marco Bischof und Tania Samara Kuhn betreut wird, eine Fülle von Aufzeichnungen, Reiseberichte, Tagebücher, Skizzen, Vorträge und persönliche Korrespondenz. Alle diese Dokumente tragen dazu bei, dass wir uns heute ein sehr genaues Bild von Werner Bischofs Leben machen können, von seiner Arbeitsweise sowie von seinen damals sehr unüblichen und gewagten Reisedestinationen. Es war die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, die seine Motivwelt prägte, das zerstörte Europa, die unruhigen und von fremden Mächten besetzten asiatischen Länder und zum Schluss der amerikanische Kontinent, mit den zukunftsweisenden Vereinigten Staaten sowie den ärmlichen südamerikanischen Ländern. Werner Bischof hat uns ein grossartiges Erbe von Bildern hinterlassen, die eine für uns damals völlig unbekannte Welt mit wertvollen und einmaligen Bilddokumenten zeigte. Es sind aber nicht nur Dokumente, denn das Auge von Werner Bischof, sein Sinn für Ästhetik und sein Flair für grafische Gestaltung hat aus an sich banalen Motiven perfekte Fotografien und aussagestarke Bilder gemacht.

Das vorliegende Buch «Standpunkt» erzählt nicht nur die Geschichte des Schaffens von Werner Bischof, sondern es gibt uns einen bisher ungeahnten Einblick in seine Persönlichkeit, in seine Privatsphäre und in die Erlebnisse hinter seinen Bildern. Die Bildlegenden im Buch sind Kommentare und Erklärungen, die meist auf der Rückseite der Fotos von Werner Bischof selbst vermerkt sind und so den Bilddokumenten eine besondere und wirkungsvolle Authentizität verleihen. Es ist, als hätte Werner Bischof dieses Buch selbst gemacht, als wollte er uns zu seinem hundertsten Geburtstag seine ganze spannende Lebensgeschichte selbst erzählen.

 

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Auch wenn man die Biografie des berühmten Fotografen Werner Bischof glaubt gut zu kennen, auch wenn man wahrscheinlich die meisten seiner Bilder schon gesehen und bewundert hat, so bringt dieses Buch viel Neues. Es erklärt nicht nur viele der Bilder, es zeigt nicht nur neue Werke von Werner Bischof, darunter auch seine Skizzen und Zeichnungen, sondern es offenbart uns seine tiefe Liebesbeziehung zu seiner Rosellina, die sich durch die weiten Reisen und langen Trennungen immer wieder auf’s Neue beweisen musste. Bis Werner Bischof eines Tages im Mai 1954 in den peruanischen Anden für immer verstummte …

Zwei Bücher sind in Werner Bischofs Jubiläumsjahr erschienen, «Helvetica» und «Standpunkt». Beide befassen sich nicht nur mit dem Lebenswerk von Werner Bischof, sondern beide bringen Bereicherungen zu seiner Biografie. Beide zeigen uns Bilder, die bisher noch nie publiziert worden waren und komplettieren so unseren Wissensstand über sein fotografisches Werk. Während sich «Helvetica» – wie auch die Ausstellung im Musée Elysée in Lausanne – vor allem mit dem Frühwerk von Werner Bischof auseinandersetzt, gewährt uns «Standpunkt» einen Einblick in seine Privatsphäre und vermittelt viel Hintergrundwissen zu seinen Fotos. Er lässt uns authentisch teilhaben an seinen Reisen, seinen Abenteuern und an den ungewohnten Situationen, die zu den grossartigen Bildern geführt haben. Das ist der besondere Wert dieses Buches …

Urs Tillmanns

 

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Anmerkung: Wie bereits angekündigt, findet heute (Samstag, 30. April 2016) in Musée Elysée in Lausanne eine Hommage an Werner Bischof statt, mit verschiedenen Vorträgen, Filmvorführungen und Podiumsdiskussionen. Der Eintritt dazu ist heute kostenlos.
Die Doppelausstellung über Werner Bischof in Musée Elysée dauert noch bin morgen Sonntag, 1. Mai 2016. Details zu beiden Veranstaltungen finden Sie auf www.elysee.ch

 

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Buchbeschreibung des Verlages

2016 könnte der berühmte Schweizer Fotograf Werner Bischof (1916–1954) seinen 100. Geburtstag feiern. Zu diesem Anlass erscheint ein grosses Buch, das Leben und Schaffen des fotografischen Zeitzeugen aus einer neuen Perspektive erzählt: Erstmals werden neben vielen der weltbekannten Fotoikonen zahlreiche unveröffentlichte Aufnahmen, Zeichnungen, Briefe und Tagebucheinträge aus dem Nachlass präsentiert. Bischofs Lebensgeschichte, sein fotografisches Credo und die Reiseeindrücke werden somit in seinen eigenen Worten nacherzählt.

Werner Bischof begann als Studio- und Werbefotograf, wandte sich dann aber früh der Natur- und Dokumentarfotograf zu. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bereiste der 29-Jährige Süddeutschland, Frankreich sowie die Niederlande und dokumentierte die existenzielle Not, die ihm dort begegnete. 1949 wurden seine Aufnahmen erstmals in der Zeitschrift Life veröffentlicht, und Bischof trat der neu gegründeten Arbeitsgemeinschaft Magnum Photos bei. Ab 1951 war er im Mittleren und im Fernen Osten unterwegs, wo er die Hungersnot in Bihar vor die Augen der Weltöffentlichkeit brachte und im Auftrag von Paris Match als Korrespondent über den Indochina-Krieg berichtete. 1953 machte er sich auf eine grosse Reise durch Nord- und Südamerika auf. Im Mai 1954 verunglückte er tödlich mit seinem Geländewagen in den peruanischen Anden.

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Der Inhalt

Deutschland 1945

Frankreich 1945

Italien / Griechenland 1946

Ungarn / Rumänien / Polen 1947

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Indien 1951/52

Korea 1951/52

Japan 1951/52

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Hongkong 1952

Indochina 1952

USA 1953/54

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Mexiko 1945

Panama 1954

Peru 1954

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Bibliografie

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Werner Bischof – Standpunkt

Das Buch zum 100. Geburtstag: Leben und Schaffen des legendären Magnum-Fotografen.
Fotografien, Zeichnungen und Texte von Werner Bischof. Mit Beiträgen von Marco Bischof, Kristen Lubben und Fred Ritchin. Herausgegeben vom Werner Bischof Estate, Marco Bischof und Tania Samara Kuhn.

Inhalt: 312 Seiten, 135 farbige und 150 Duplex-Abbildungen, gebunden. 1. Auflage, 2016

Format: 25 x 30 cm

Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich
ISBN 978-3-85881-508-8

Preis: CHF 79.00 / EUR 77.00

Das Buch kann hier online bestellt werden

 

 

 

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