Urs Tillmanns, 19. Mai 2017, 15:00 Uhr

BelleVue zeigt «fragil» – eine Gruppenausstellung der GAF Basel

Am Sonntag, 21. Mai 2017 eröffnet das BelleVue – Ort für Fotografie – die Gruppenausstellung der autodidaktischen FotografInnen (GAF) Basel. «fragil» zeigt anregende wie nachdenkliche Bildessays der sieben Fotografinnen und Fotografen, die sich während eines Jahres intensiv mit dem Jahresthema «Bruch» des BelleVue beschäftigt haben. Die Ausstellung ist bis 18. Juni 2017 zu sehen.

 

Die Ausstellung zeigt anregende wie nachdenkliche Bildessays von Fotografinnen und Fotografen, die sich während eines Jahres intensiv mit dem Jahresthema «Bruch» des BelleVue beschäftigt haben. Brüche gehören zu unserem Leben; wie feine Linien ziehen sie sich hindurch. Manche bemerken wir kaum, andere treten unvermittelt und eindeutig hervor. Was geschieht mit meiner Tochter, wenn sie kurz vor der Pubertät steht? Was passiert mit meinem Vater, wenn er in Rente geht und plötzlich keinen vorgeschriebenen Tagesablauf mehr hat? Wie gehe ich damit um, wenn meine Stimmung stets einen Anflug von Melancholie zeigt? Wie geht es Menschen, die plötzlich die Kündigung ihrer geliebten Wohnung erhalten oder die nach der Flucht versuchen, bei uns eine neue Heimat zu finden? Die Fotoarbeiten erzählen sinnbildlich, aber auch konkret und werfen wichtige Fragen auf.

 

 

Catherine Fischler «Ich»

Das Leben und die Entwicklung eines jeden Menschen ist einzigartig. Von der Geburt bis zum Tod durchleben wir unglaublich viele Entwicklungsschritte und Lebensphasen, doch kaum eine ist wohl prägnanter als die Zeit zwischen Kind und Teenager.

Im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren verändert sich ein Kind auf eine andere Weise als in den Jahren davor. Es geschieht eine Metamorphose, die nicht nur die Eltern wahrnehmen, sondern auch das Kind selbst. Diese sensible Wandlung geschieht in einem Alter, in dem die jungen Menschen zwar schon ein ausgeprägtes Selbstbild haben, ein klares Verständnis vom eigenen Ich müssen sie jedoch noch entwickeln.

Mit meiner Arbeit wage ich den Versuch, diesen Wandel von der Kindheit in die Pubertät in fotografischer Zeitraffung festzuhalten. Die Aufnahmen entstanden in sieben aufeinanderfolgenden Tagen immer um die gleiche Uhrzeit.

Catherine Fischler, *1966 in Zürich, Schweiz, ist Physiotherapeutin und hat ein zweijähriges gestalterisches Propädeutikums an der Kunsthochschule in Zürich absolviert. Sie fotografiert vor allem Porträts, Essays und Auftragsarbeiten für regionale Firmen und Kleinbetriebe.

 

Matthias Forster «Atempause von Hermes»

Die Arbeit thematisiert infrastrukturell bedingte Brüche im Stadtraum. Atempause von Hermes versetzt den Gott des Verkehrs in den Aggregatzustand der Bewegungslosigkeit und visualisiert so das Spannungsverhältnis zwischen Stillstand und Bewegung. Darin offenbaren sich die Qualitäten von Ruhe, Leere und Ordnung.

Matthias Forster, *1976 in Bern, Schweiz, arbeitet als Architekt, besucht die GAF-Basel und absolviert am MAZ, der Schweizer Journalistenschule, den Studiengang Fotografie. Als experimentierfreudiger Mensch erkundet er die Bruchlinien der Fotografie und versucht diese auszuloten. Ihn interessiert die Beziehung zwischen Chaos und Ordnung und er schätzt die Ruhe und Klarheit, die auch in seiner Bildsprache wiederzufinden ist.

 

Mario Heller «Der Flughafenmann»

Mein Vater hat über 40 Jahre lang gearbeitet, fünf Tage die Woche. Täglich verbrachte er neun Stunden im Büro. Sein eigentlicher Beruf war jedoch nicht Kaufmann, sondern Familienvater. Er sorgte sich stets um seine Familie. Meine Mutter arbeitete am Flughafen Zürich bei der Sicherheitskontrolle. Als er 65 wurde, trat er in den Ruhestand. Als Mittel gegen Langeweile begleitete er meine Mutter täglich zum Flughafen und liess sich von dem emsigen Treiben und vom Duft der grossen weiten Welt faszinieren. Mit leuchtenden Augen erzählt er von den grossen Flugzeugen, die er gesehen hat, von den exakten Abflugzeiten und von den riesigen Gebäuden – keine einzige Ecke bleibt ihm darin verborgen.

Der Flughafen als Ort, um den Lebensabend zu verbringen wurde so zu meinem fortlaufenden Langzeitprojekt. Die letzten zwei Bilder dieser Arbeit zeigen meinen Vater bei einem Flug mit der JU-52. Es war mein Geburtstagsgeschenk zu seinem siebzigsten Geburtstag. Als ich noch ein Kind war, rannte er stets zum Fenster, wenn man das laute Röhren dieser alten Maschinen über unserem Haus hören konnte. Meinen Vater nochmals abheben zu sehen – das wollte ich auf keinen Fall verpassen.

Mario Heller, *1991 in Muri AG, Schweiz, absolvierte die einjährige Pressefotografie Ausbildung am MAZ – Die Schweizer Journalistenschule sowie ein zweijähriges Praktikum bei einer Zeitung. Als freischaffender Fotograf legt er seinen Fokus auf die Reportage- und Porträtfotografie.

 

Oliver Hochstrasser «Meine fremde Heimat»

Im Sommer 2015 sind grosse Massen an Flüchtlingen nach Europa geströmt. Die Grenzen wurden überrollt und man bekam die Vermutung, die Länder seien überfordert. Medienberichte haben sich gehäuft und aus der Bevölkerung gab es teils Ablehnung, teils grosse Solidarität. Heute, fast zwei Jahre danach, ist es etwas ruhiger geworden. Die Flüchtlinge sind dennoch hier und täglich kommen weitere hinzu.

Mit nichts in einem fremden Land ankommen und bei Null zu beginnen, ist für uns Schweizer nur schwer nachzufühlen. Wie sieht das Zuhause eines Flüchtlings aus? Wie lebt ein Flüchtling mit dem wenigen Sozialhilfe-Geld? Wie kommuniziert ein Flüchtling? Wie integriert man sich in einer fremden Heimat? Um diesen Fragen nachzugehen, begann ich Tesfalem zu begleiten: ein Mann aus Eritrea anfangs Dreissig. Geflüchtet im Juni 2015. Äthiopien, Sudan, Libyen, Mittelmeer, Italien, Chiasso, Zug, Yverdon, Basel. Zurückgelassen hat er seine Frau und drei Kinder. Mitgebracht hat er nichts.

Durch das Hilfsprojekt «Da-Sein» der Offenen Kirche Elisabethen gelangte ich zum ersten Mal in Kontakt mit Flüchtlingen. Die ersten Begegnungen waren für mich wohl genau so fremd, wie für die Flüchtlinge selbst. Mit der Zeit lernt man einzelne Personen mit ihren Geschichten dahinter kennen und anfängliche Hemmschwellen werden abgebaut.

Oliver Hochstrasser, *1990 in Basel, Schweiz, ist seit dem Abschluss seines Bachelor-Studiums in Wirtschaft und Medienwissenschaften vollberuflich als selbständiger Fotograf tätig. Er fotografiert für nationale und internationale Firmen, Vereine und Privatpersonen in den Bereichen der Corporate-, Porträt-, Reportage- und Event-Fotografie.

 

Peter Käser «Muslimische Betplätze»

In der Schweiz leben ca. 450’000 Muslime. Nur ein kleiner Teil praktiziert konsequent alle fünf religiösen Pflichten. Dazu gehört das fünfmalige Beten täglich zu vorgegebenen Zeiten. Dafür muss man nicht in eine Moschee gehen, sondern kann irgendwo eine saubere Unterlage, meist einen Teppich, auf den Boden legen und darauf nach Mekka ausgerichtet im Stillen sein Gebet verrichten. Meistens fällt mindestens eine der täglichen Gebetszeiten in die Arbeitszeit. So müssen Muslime auch an ihrem Arbeitsplatz beten können. Die Akzeptanz dafür ist aber im schweizerischen Umfeld klein, die Furcht vor Unverständnis und Stigmatisierung gross. Deshalb sind diese Betplätze verborgen.

Im Rahmen meines Langzeitprojektes zum islamischen Leben in der Schweiz ging ich auf die Suche nach solchen Betplätzen. Dies war sehr anspruchsvoll, denn erstens beten hierzulande nur sehr wenige Muslime an ihrem Arbeitsplatz, zweitens wollen viele nicht, dass man das weiss, drittens wollen viele nicht, dass dieser Platz öffentlich wird, viertens möchten viele, den Geschäftsinhaber/Chef nicht um Fotoerlaubnis fragen, respektive fünftens wurde diese Erlaubnis nicht erteilt.

Peter Käser, *1955 in Zug, wohnt in St. Gallen, war Lehrer und Schulleiter, Betreuer von Drogenabhängigen, Leiter von Flüchtlingsheimen, absolvierte den Studiengang Redaktionelle Fotografie am MAZ und arbeitet heute freier Fotograf für Reportagen, Dokumentationen, Events und Porträts.

 

Eleni Kougionis «Abyssos»

Die Fotografie ermöglicht es mir, meine Gedanken und Gefühle fassbar zu machen, bei denen ich mit Worten an Grenzen stosse. Abyssos, was auf Griechisch «grundlos»‚ «unermesslich», oder «Abgrund» bedeutet, bezeichnet in der biblischen Mythologie die Unterwelt. Es ist der passende Titel zu meiner Arbeit, da es ein Versuch ist, das Gefühl des Boden unter den Füssen Verlierens auf einem Schwarzweissfilm festzuhalten.

Mit meiner alten Rolleiflex Mittelformat Kamera erkunde ich Orte, die in meiner Vergangenheit von Bedeutung waren und solche, die mir heute wichtig sind. Angetrieben durch eine winterliche Melancholie suche ich nach Sinnbilder, welche meine Innenwelt widerspiegeln. Die langsame Arbeitsweise mit der Rolleiflex verlangt von mir viel Ruhe und Konzentration auf das Wesentliche. Ich blicke durch den Lichtschacht in die Kamera hinein, das Abbild erscheint spiegelverkehrt auf der Mattscheibe. Die Zeit steht still, ich halte den Atem an, es ertönt ein leises Klicken. Meine Haltung entspannt sich und ich atme aus. Ich drehe den Hebel der Filmspule bis zur nächsten Bildzahl und gehe weiter.

Eleni Kougionis, *1988 in Sisseln AG, Schweiz, arbeitete als Polygrafin in einer Druckerei und in einem Grafikbüro. Danach folgte ein Studiengang für Redaktionelle Fotografie am MAZ in Luzern verbunden mit einem zweimonatigen Praktikum bei einem Print- und Onlinemedium in Athen. Arbeitet heute als freischaffende Fotografin.

 

Tjefa Wegener «Bleiben»

Im Frühjahr 2016 erhielten die 22 Mietparteien der Mülhauserstrasse 26 in Basel von ihrer Vermieterin, der Pensionskasse Basel-Stadt, Leerkündigungen wegen einer geplanten Totalsanierung. Bei den MieterInnen handelte es sich grösstenteils um Pensionierte im Alter von 60 bis 92 Jahren, die in einer sehr guten und über lange Jahre gewachsenen Hausgemeinschaft zusammen gelebt haben. Zusammen mit den BewohnerInnen eines gegenüberliegenden Hausprojektes in der Wasserstrasse entwickelte sich nicht nur ein gemeinsamer Protest, sondern auch ein sehr gutes nachbarschaftliches Verhältnis mit neuen Freundschaften, trotz des Altersunterschiedes.

Die UnterstützerInnen aus der Wasserstrasse setzen sich für den Erhalt dieser natürlich gewachsenen Wohnstruktur ein, wo man sich hilft und umeinander kümmert. Für die letzten fünf verbleibenden MieterInnen liegt nun nach einem Jahr des Kampfes ein Angebot auf dem Tisch: Nach den Sanierungsarbeiten dürften sie zurück in‘s Haus, zu einer nur gering erhöhten Miete.

Was in der Presse bereits als Teilsieg gefeiert wurde, ist bei näherer Betrachtung gar nicht so positiv: den älteren Menschen zwei Umzüge in einem Jahr zuzumuten ist alles andere als entgegenkommend. Die angebotenen Übergangswohnungen entsprechen nicht den Bedürfnissen. Zudem kommt das Angebot zu spät, weil der grösste Teil der Hausgemeinschaft schon auseinander gerissen wurde. Und obwohl bis jetzt noch kein richtiger Vertrag über all dies auf dem Tisch liegt, werden die BewohnerInnen gedrängt, sich zu entscheiden.

Tjefa Wegener, *1986 in Basel, Schweiz. Fotografie, vor allem Aktfotografie, begleitete Tjefa Wegener schon früh in ihrem Leben. An der Ostkreuzschule in Berlin entdeckte sie die Reportagefotografie, wurde Preisträgerin des Deutschen Jugendfotopreises und realisierte diverse Ausstellungen in der Schweiz, Deutschland und Mexiko.

 

 

GAF Basel

Die sieben BildautorInnen gehören der Gruppe autodidaktischer FotografInnen (GAF) in Basel an. In Begleitung eines von ihnen ausgesuchten Dozenten treffen sie sich einmal im Monat, um persönliche Arbeiten zu besprechen und sich mit verschiedenen fotografischen Themen auseinanderzusetzen. Die gestalterische Ausbildung und der berufliche Hintergrund der Teilnehmenden sind völlig unterschiedlich, was ihre Zusammenarbeit bereichert und spannend macht. Ein wichtiges Anliegen der Gruppe für diese selbst organisierte Weiterbildung, ist die thematische und fotografische Unabhängigkeit.

 

Die Ausstellung «fragil» im BelleVue

Vernissage: Samstag, 20. Mai, 17 bis 20 Uhr mit Apéro und musikalischer Begleitung von «SaGi Duo»

Ausstellung: So, 21. Mai bis So, 18. Juni 2017
Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag, 11–17 Uhr

Führungen in der Ausstellung «fragil» mit Regine Flury, Peter Maurer, Lua Leirner und den FotografInnen So 21. Mai, 14 Uhr, So 28. Mai, 14 Uhr, So 4. Juni, 14 Uhr, So 4. Juni, 16 Uhr in Gebärdensprache, So 11. Juni, 14 Uhr

Eintritt frei

Rahmenveranstaltung mit Gastreferent Andri Pol
Andri Pol, «Fotograf des Jahres 2017», berichtet über seine fotografische Arbeit. Anschliessend Fragen und Diskussion
Samstag, 10. Juni, 14 bis 17 Uhr
Eintritt 15.– /10.–

Finissage: Sonntag, 18. Juni, 17 Uhr mit Apéro

Weitere Informationen unter www.bellevue-fotografie.ch

BelleVue – Ort für Fotografie
Breisacherstrasse 50
CH 4057 Basel

 


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