Gastautor/-in, 22. Juli 2017, 09:00 Uhr

Das Auto als Kamera. Was «sehen» moderne Sicherheitssysteme?

Volvo hat bei der Entwicklung ihres «City Safety»-Systems nicht nur die integrierte Kamera unter allen Situationen getestet, sondern der schwedische Automobilhersteller hat die bekannte amerikanische Fotojournalistin Barbara Davidson engagiert, um mit dem System Strassenfotografie zu betreiben. Fotografiert nicht mit ihrer Kamera, sondern mit dem Auto.

 

Die renommierte Reportage- und Dokumentar-Fotografin Barbara Davidson, dreifache Gewinnerin des Pulitzer-Preises und zahlreicher weiterer Awards, hat im Auftrag von Volvo eine Fotoserie in den Strassen Kopenhagens fotografiert. Zum Einsatz kam dabei nicht ihr übliches Profi-Equipment, sondern die Sicherheitskamera des «City Safety»-Systems, die im neuen 2018er Volvo SUV-Modells XC60 für mehr Verkehrssicherheit sorgt. Sie ist normalerweise zuständig für das Erkennen von Fahrzeugen, Radfahrern, Fussgängern, Tieren und anderen Hindernissen.

 

Als wichtiges Sicherheitselement landen die Bild- und Telemetrie-Daten der Kamera hinter der Windschutzscheibe des XC60 im Bordcomputer des Fahrzeugs. Der Fahrer hat von diesen Bildern keinen unmittelbaren Nutzen, und sie werden laut Volvo auch nicht im Fahrzeug gespeichert.

 

Anders für die kreative Fotografie von Barbara Davidson. Für ihr Experiment zapften die Techniker den Datenstrom aus dem Computer des Wagens ab und schickten ihn auf einen Monitor im Inneren des Fahrzeuges. Dort waren Bilder als Echtzeit-Videos zu sehen. Davidsons fotografische Aufgabe bestand darin, den Fahrer anhand des Monitorbildes so zu dirigieren, dass die Bilder ihren fotografischen Vorstellungen entsprachen. «Ich verwende das Auto als Kamera» sagt Barbara Davidson zu ihrer Arbeit in ihrem Video «und ich bestimme den Bildausschnitt genau gleich wie ich es mit meiner Kleinbildkamera machen würde. Meine Arbeit bei diesem Projekt war deshalb sehr ähnlich wie meine tägliche Arbeit als Fotojournalistin.»

 

So entstanden «im Zusammenspiel von Kunst und Technik», so Davidson im Making-of-Video, Schwarzweissbilder mit computergenerierten roten und blauen Rahmen, welche die vom System erkannten Objekte im Bild hervorheben. Sie geben den leicht an «Film Noir» erinnernden Bildern einen ganz eigenen, modernen Touch. Rot markiert sind die erkannten stehenden Objekte, blau die bewegten. Die Zahlenwerte unterhalb der Rahmen stehen für die ermittelte Entfernung, die Zahlen oben zeige eine laufende Nummerierung zur Verfolgung der einzelnen Objekte im Bild.

 

Die Standfotos extrahierte Davidson aus dem Videostream und bearbeitete sie jeweils noch nach. Die Schnappschüsse zeigen sowohl spontane wie auch mit Schauspielern inszenierte Bilder. Zur Bildqualität merkt Barbara Davidson im Gespräch mit dem «Lens»-Blog der New York Times an, dass sie mit der «Klarheit» der bei hellem Licht und stehendem Fahrzeug entstandenen Bilder zufrieden sei, bei höheren Geschwindigkeiten und bei Nacht aber Verwacklungen drohten.

 

Die rund 30 ausgewählten Fotos sind derzeit in der Canvas Studios Gallery im neuen Londoner Trend-Viertel «Shoreditch» zu sehen. Sie sollen im Laufe dieses Jahres auch noch in anderen Ländern gezeigt werden.

 

1,3-Megapixel-Kamera mit Spezial-Sensor

Zur Art der verwendeten Aufnahmetechnik war von Volvo nur wenig zu erfahren. Bei der Kamera soll es sich um eine «hochempfindliche 1,3-Megapixel-Kamera mit grossem Dynamikbereich» handeln. Der Sensor arbeitet nicht mit dem bei normalen Foto- und Video-Kameras üblichen Bayer-Filter (1x Rot, 2x Grün, 1x Blau pro Bildpunkt), sondern mit einem RCCC (1x Rot, 3 x Klar)-Filter. Er erzeugt bei höherer Empfindlichkeit Schwarzweissbilder mit zusätzlicher Rot-Information, um etwa die Bremslichter vorausfahrender Fahrzeuge besser zu erkennen.

 

Das Kamera-Modul soll vom britischen Autoindustrie-Zulieferers Delphi geliefert werden. Es weist eine Lichtstärke von 1:1,6 und einen diagonalen Bildwinkel von 52° auf. Bei dem verwendeten Sensor deuten die technischen Daten daraufhin, dass es sich um den Omnivision OV10642 HDR-Sensor im 1/2,56“-Format mit 1280 x 1080 Pixeln Auflösung (4,2 µm Pixelgrösse) und RAW-Bildausgabe mit 60 B/s handelt.

 

Technik sichtbar gemacht – eine neue Art der Street-Fotografie?

Die Bilder von Barbara Davidson sind in zweierlei Hinsicht interessant. Sie zeigen erstmalig, wie ein automatives Sicherheitssystem auf sich bewegende oder stehende Objekte reagiert und belegen dessen Tauglichkeit im Hinblick auf die automatische Gefahrenerkennung. Im Gegensatz zu den Interessen der Techniker sieht Barbara Davidson als kreativen Aspekt eine neue Art der Strassenfotografie mit Leuten, die zum herannahenden Auto ein ganz spezielles Verhalten zeigen. Sie werden nicht mit dem Blick durch den Sucher fotografiert, sondern von einem Sicherheitssystem automatisch erfasst.

Horst Gottfried

Fotos: Barbara Davidson/Volvo Cars

Mehr zum Thema und zur Arbeit von Barbara Davidson auf dieser Webseite und in diesem von Volvo Cars produzierten Video:

 

(Beitrag in Kooperation mit photoscala.de)

 

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