Urs Tillmanns, 26. August 2017, 07:44 Uhr

Tamron 18-400mm im Praxistest: Eines für alles?

Die Kennzahlen des 3.5-6.3/18-400 mm Di II VC HLD (Modell B028) sind eindrucksvoll. Ein 22facher Brennweitenbereich, bei einem Objektiv, das etwas mehr als faustgross ist, deutet auf eine aussergewöhnliche optische und mechanische Ingenieursleistung hin. Allerdings darf man sich von der nominellen Brennweitenangabe nicht täuschen lassen. Das neue 18-400 mm Objektiv ist für APS-C Spiegelreflexkameras konzipiert, die einen Cropfaktor von 1,5 bei Nikon und 1,6 bei Canon haben, so dass sich ein effektiver Brennweitenbereich von 27 bis 600 mm (bzw. 28,8 bis 640 bei Canon) ergibt. Also nicht ganz so sensationell wie sich die Zahl 18 im Weitwinkelbereich anhört aber mit rund 75° Bildwinkel immer noch bestens geeignet für grosse Übersichten oder Architekturaufnahmen. Die Stärke des Objektivs liegt bei den effektiven vier Grad Bildwinkel bei 600mm im Telebrennweite. Das ist auch insofern speziell als das Objektiv im Transportzustand mit Canon-Anschluss nur gerademal 121,4 mm und für Nikon 123,9 mm in Anspruch nimmt und damit leicht in der Fototasche Platz findet. Übrigens lässt sich das eingefahrene Objektiv mit dem «Focus Lock»-Schalter verriegeln, wie bei den meisten Tamron-Zooms.

 

Mit drei Fassungsringen konnte Tamron das Zoom mit dem 22fachen Brennweitenbereich sehr kompakt bauen

Möglich wurde dieser extreme Auszug und die grosse Brennweitenspanne einmal durch einen neuartigen Tubus bestehend aus drei Ringen, dann aber auch durch die brennweitenabhängige Verschiebung verschiedener Linsengruppen, welche in jeder Brennweitenstellung die optimale Korrektur des optischen Systems bewirken. Das ist bei einer mehr als 22facher Brennweitenweitenspanne eine optische Meisterleistung.

Durch diese äusserst kompakte Konstruktion und nur etwas mehr als 700 Gramm Gewicht ist das Objektiv natürlich besonders für die Reiseausrüstung prädestiniert. Als alleiniges Objektiv oder vielleicht noch ergänzt durch ein extremeres Weitwinkelobjektiv passt die universell einsetzbare Fotoausrüstung in eine kleine und leichte Fototasche, die auf die Wanderung, den Städtebummel oder in den Urlaub gerne mitgenommen wird.

 

Auf der linken Seite sind die Schalter für den Autofokus und den Bildstabilisator zu erkennen. Der «Focus Lock» welcher die Zoomeinstellung in eingefahrenem Zustand verriegelt, befindet sich auf der rechten Seite des Objektivs.

Der grosse Brennweitenbereich hat weiter den Vorteil, dass man das Objektiv praktisch nie wechseln muss und jederzeit für den optimalen Bildausschnitt bereit ist, denn bei jedem Objektivwechsel besteht die Gefahr, dass Staubpartikel auf den Sensor gelangen. Als diesbezügliche Vorsichtsmassnahme sollte man beim Objektivwechsel das Kameragehäuse immer nach unten halten und den Wechsel so schnell wie möglich vornehmen.

 

Blick vom «Lindenhof» in Zürich. Der Zoombereich ist verblüffend. Er reicht ohne Standortveränderung von der grossen Übersicht bis hin zum kleinsten Detail – und dies mit einer beachtlichen Schärfeleistung.

Das Objektiv hat eine Lichtstärke von 1:3.5-6.3, die sich mit der Zoomverstellung ändert. Das hört sich nicht gerade nach Lichtriese an, doch hätte mehr Lichtstärke nicht nur einen erheblich grösseren Durchmesser des Objektivs zur Folge gehabt, sondern auch ein höheres Gewicht und durch grössere Linsen auch eine zusätzliche Verteuerung bedeutet. So gesehen ist die Öffnung von 1:3.5-6.3 ein vernünftiger und praxisgerechter Kompromiss. Kommt hinzu, dass im digitalen Zeitalter mit den hohen nutzbaren ISO-Werten der Lichtstärke nicht mehr jene Bedeutung zukommt wie damals in der analogen Zeit.

 

Der «Herrenacker» in Schaffhausen. Aus knapp 100 Meter Entfernung ist die Schrifttafel in der 400 mm-Aufnahme noch lesbar

Die grosse Telebrennweite bis effektiv 620mm bedingt einen effizienten und schnellen Bildstabilisator, der in das Tamron 18-400mm integriert ist. Der Tamron VC-Bildstabilisator (Vibration Compensation) trägt zwar sicher viel dazu bei, dass die Bilder weniger verwackelt sind, aber voll darauf verlassen sollte man sich dennoch nicht. Zu viele Faktoren tragen zu Verwacklungsunschärfen bei, und gerade bei extremen Telestellungen, wie 620mm, sollte man wenn immer möglich doch ein Stativ verwenden. Die Tamron-Aussage, der Bildstabilisator «sorgt in diesem Objektiv für scharfe und verwacklungsfreie Bilder. Damit kann die lange Telebrennweite auch perfekt bei handgehaltenen Aufnahmen genutzt werden» halte ich doch für etwas gewagt. Jedenfalls empfiehlt sich bei extremen Teleaufnahmen gleich eine ganze Aufnahmereihe zu schiessen, und Sie werden bei der Bildauswahl am Rechner feststellen, dass einige Bilder deutlich schärfer sind als andere.

Was einen sehr guten Eindruck macht, ist der schnelle Autofokus, auch über weitere Fokussierwege. Der bogenförmige HLD-Motor (High/Low torque modulated Drive) Motor von Tamron arbeitet nicht nur sehr effizient und leise, sondern nimmt auf Grund seiner Bauform wenig Platz ein und sorgt so für die kompakten Abmessungen des Objektivs.

Ein weiteres Plus des Tamron 18-400mm ist die geringe Nahgrenze von nur 45 Zentimeter, was einen maximalen Abbildungsmassstab in der 400mm-Position von 1:2,9 ergibt. Damit hat das Zoom auch in der Makrofotografie seine Stärken. Bei Makroaufnahmen nützlich ist die Tatsache, dass über den ganzen Brennweitenbereich gezoomt werden und damit der Bildausschnitt auch bei extremen Nahaufnahmen optimal gestaltet werden kann.

 

Auch bei extremen Nahaufnahmen von 45 cm lässt sich der volle Zoombereich nutzen

Bekommt das Objektiv ein paar Wasserspritzer ab oder gerät es einmal in eine Regenschauer, so nimmt es dies einem kaum übel: Mehrere O-Ringe an den kritischen Stellen verhindern ein Eindringen von Feuchtigkeit und Staubpartikel und schützen damit das an sich sensible optische und elektronische Innenleben des Objektivs.

Ein weiterer an sich heikler Punkt bei solch extremen Brennweiten ist die Steuerung der Blende. Damit diese immer äusserst präzise auf den richtigen Wert schiesst und damit eine perfekte Belichtung garantiert, ist eine spezielle elektronische Steuerung vorhanden. Die Modellvariante mit Nikon-Anschluss, die uns zum Test vorlag, ist mit dieser elektromagnetisch gesteuerten Blendeneinheit ausgestattet, die mit den Modellen D3100, D3200, D3300, D3400, D5000, D5100, D5200, D5300, D5500, D5600, D7000, D7100, D7200, D7500, D300S, D500 kompatibel ist. Bei der Version mit Canon-Anschluss gibt es keine Modelleinschränkungen.

 

Fazit:

Das Tamron 3.5-6.3/18-400 mm Di II VC HLD (Modell B028) hat eine beachtliche optische Leistung, die über den gesamte Brennweitenbereich überzeugt, besonders wenn man die kompakte Bauweise und den günstigen Preis von 899 Franken mit in Betracht zieht. Es ist ein ideales Reiseobjektiv für jene Fotografen, die mit einer möglichst kompakten Fotoausrüstung – Spiegelreflexkamera mit einem Objektiv und vielleicht noch einem Blitz – unterwegs sein wollen. Dies mit dem Vorteil, dass man das Objektiv nie abnehmen muss. Allerdings ersetzt es andere Objektive nur bedingt. Vielleicht möchte man doch noch eine lichtstärkere lange Brennweite, um ein schöneres Bokeh wirken zu lassen, oder man wünscht sich noch ein stärkeres Weitwinkelobjektiv, weil die effektiven 28mm halt eben in vielen Fällen doch nicht ganz ausreichen. Dennoch deckt man mit dem «Eines für alles»-Objektiv wohl die meisten fotografischen Situationen mit sehr guten Ergebnissen ab.

Text und Bilder: Urs Tillmanns

 

Technische Daten Tamron  3.5-6.3/18-400mm Di II VC HLD
Internationaler Name 18-400mm F/3.5-6.3 Di II VC HLD
Modell B028
Brennweite 18-400 mm, entspricht bei APS-C:
Canon 28,8 bis 640 mm
Nikon 27 bis 600 mm
Lichtstärke 1:3.5-6.3
Bildwinkel (diagonal) 75°33′ – 4° (APS-C Format)
Optische Konstruktion 16 Linsen in 11 Gruppen
kleinste Blende 22 – 40
Kameranschlüsse Canon oder Nikon
Formatkompatibilität APS-C
Anzahl Blendenlamellen 7
Kürzeste Einstellentfernung [m] 0,45 m
Max. Abbildungsmassstab 1:2,9
Filtergrösse [mm] 72 mm
Grösster Durchmesser [mm] 79 mm
Baulänge [mm] Canon 123,9 mm / Nikon 121,4 mm
Gewicht [g] Canon 710 g / Nikon 705 g
Standardzubehör Streulichtblende, Objektivdeckel

 

 

Tamron  3.5-6.3/18-400mm Di II VC HLD (Modell B028) (Produktseite)

Tamron Europe (Herstellerseite)

Tamron-Produkte werden in der Schweiz vertrieben durch

Perrot  Image SA
CH-2560 Nidau
Tel. 032 332 79 79

 

4 Kommentare zu “Tamron 18-400mm im Praxistest: Eines für alles?”

  1. Hallo , wurde mich interessieren, ob mit Nikon Z7ii auch funktioniert und wie ist mit der 1,5 Faktor bei Nikon auch für Digital gleich geblieben?
    Dankeschön

    1. 1. Das Objektiv ist in der Nikon-Variante nur mit F-Bajonett verfügbar, passt also nicht auf eine Nikon Z mit ihrem Z-Bajonett.
      Es gibt aber die Möglichkeit solche Objektive mittels passendem Adapter (z.B. Nikon FTZ) zu verwenden. (In der Regel bieten jene Objektive die optimale Performance, die gezielt für spiegellose Systemkameras entwickelt wurden.)
      2. Das Objektiv ist für Kameras mit kleinem Bildsensor im APS-C-Format bzw. Nikon-DX-Format konzipiert. Die Nikon Z7 II hat einen grossen Sensor im Kleinbild-Vollformat bzw. Nikon-FX-Format
      3. Der Faktor 1,5x gilt für Objektive auf Kameras mit Bildsensor im APS-C-Format.

  2. Hallo! Ich hab die Nikon D5600 und interessiere mich sehr für dieses Objektiv. Wie ist es bei Sportaufnahmen im Serienmodus bei 300 – 400mm?

  3. Sehr guter Artikel, der die Praxis zeigt. Vielleicht noch der Hinweis, dass Feuchtigkeit trotzt O-Ringen bei ausfahrbaren Objektiven im Innern beschlagen kann. Grund ist der „Velopumpen-Effekt“. Wenn Systeme ausfahren, muss Luft ins Innere gelangen, damit die Kraft zur Volumen-Vergrösserung klein bleibt. Kollege Florian Spring konnte davon in Papua Neuguinea ein Lied singen 😉
    Wie man an den komplexen Verschiebe-Mechanismen der vielen Linsen sieht und dem Durchmesser über 70 mm, kann ähnliche Qualität noch nicht in ein Smartphone gepackt werden!

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