Christoph Jehle, 10. August 2018, 11:17 Uhr

Insolvenz der net SE. Was wird aus Meyer Görlitz, Elbaflex oder Schacht?

In letzter Zeit hatten verschiedene Kamera-, Objektiv- und Zubehör-Konstruktionen Schlagzeilen gemacht, darunter die analoge Spiegelreflexkamera Elbaflex, verschiedene Objektive von Meyer Optik in Görlitz und von Schacht, um die drei in der Schweiz Bekanntesten zu nennen. Alle diese Aktivitäten und eine Reihe nicht uninteressanter Kickstarter-Projekte segelten unter der Flagge des Investors net SE, der – wie erst jetzt bekannt wurde – kürzlich Insolvenz angemeldet hatte.

Ans Tageslicht kam das Ganze durch eine Meldung auf photorumors, die inzwischen auch von Dritten und durch eine Meldung in den deutschen Insolvenzbekanntmachungen vom 17. Juli 2018 bestätigt wurde. Zum vorläufigen Verwalter wurde Rechtsanwalt Dr. Alexander Jüchser von der Koblenzer Kanzlei Lieser bestellt. Dr. Alexander Jüchser ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und in der Kanzlei Lieser insbesondere für komplexe wirtschaftsrechtliche Fragestellungen zuständig. Auf Anfrage von fotointern stellte Dr. Jüchser fest, dass der Geschäftsbetrieb bis auf Weiteres weitergeführt wird und in Bälde auch Kundenbestellungen wieder ausgeführt werden.

Auf mehreren Kickstarter-Projektseiten wie bei Oprema wurde eine Nachricht eingestellt, dass der Stafan Immes, der Gründer, CEO und Hauptinvestor der net SE, einen schweren Verkehrsunfall erlitten habe. In der Folge dieses Unfalls wird er nicht in der Lage sein, das Unternehmen in absehbarer Zukunft zu führen. Die 15 Mitarbeiter suchen derzeit nach einer Lösung, wie die Tätigkeit der net SE reorganisiert werden kann. Die Tatsache, dass keine Nachfolgeregelung innerhalb der net SE gibt, lässt derzeit nicht absehen, welche Möglichkeiten sich für die einzelnen Bereiche ergeben können.

Die im rheinland-pfälzischen Koblenz angesiedelte net SE hat sich in den vergangenen Jahren zahlreiche alte Markennamen wieder aufleben lassen und zahlreiche Objektive meist über Kickstarter- oder Indiegogo-Projekte vermarktet. Ursprünglich im Bereich Software und Softwarevertrieb über die niederländische Tochter Globell B.V. in Venlo beheimatet, hat man vor wenigen Jahren sein Arbeitsfeld auf die Entwicklung und Vermarktung von Objektiven, Oberwerth-Kamerataschen und Holzstative der Marke Silvec verlagert. Während es um die Silvec-Stative bald wieder ruhig wurde, gab es laufend neue Objektiv-Projekte.

Sahen sich die ersten Objektive noch mit dem Vorwurf konfrontiert, nur umgelabelte Produkte aus fernöstlicher Produktion zu sein, hat man in der Folge mit dem Entwickler Dr. Wolf-Dieter Prenzel einen Entwickler gewinnen können, der früher für Meyer Optik in Görlitz tätig war. Die Marke Meyer-Optik-Görlitz war am 29. August 2014 für die damalige Semi Verwaltung GmbH in Stuttgart eingetragen worden. Auf die Semi Verwaltung GmbH sind beim Deutschen Patent- und Markenamt über 20 Marken angemeldet (Stand 10. August 2018). Darunter befinden sich zahlreiche Marken, die aus dem Umfeld der ehemaligen DDR-Industrie stammen, aber auch die Marke Imagon. Das Weichzeichnerobjektiv Imagon wurde bis in die 1990er-Jahre von der damaligen Rodenstock GmbH als sogenannte Kundensonderorder für Burkhard Schmachtenberg in Leichlingen und Solingen hergestellt.

Die Kickstarter-Projekte der net SE, die in den letzten Jahren über eine Agentur in Atlanta in den USA abgewickelt wurde, fanden zumeist regen Zuspruch. Die meisten der neu gerechneten Objektive wurden mit Komponenten renommierter deutscher Zulieferer in Hamburg montiert. Für die Realisierung des Biotar 1,5/75 mm, dessen Markenrechte auf die Semi Verwaltung GmbH in Koblenz eingetragen sind, hat man die alte DDR-Computer-Marke Oprema reaktiviert und für die Produktion eine Zusammenarbeit mit dem japanischen Hersteller Kenko Tokina Co., Ltd. vorgesehen.

Ein Einbruch dieser Entwicklung zeigte sich Ende 2017 beim Kickstarter-Projekt der analogen Kamera Elbaflex (fotointern berichtete), die von einer neu gegründeten Ihagee GmbH in Dresden ausgeschrieben wurde. Man konnte für die Kamera, welche auf einer abgerüsteten Kiew 19 basieren sollte, das Finanzierungsziel nicht erreichen (fotointern berichtete).

Widerstand bekam die net SE auch bei dem Versuch, die Marke Schacht im Zusammenhang mit dem Ort Bad Kreuznach aufleben zu lassen. Die Wort-Bildmarke Schacht Bad Kreuznach ist seit dem 16.02.2018 auf den Inhaber Jos. Schneider Optische Werke GmbH in Bad Kreuznach eingetragen. Inzwischen fehlt der Bestandteil Bad Kreuznach im Schacht-Logo. Probleme gab es offensichtlich auch im Vertriebsbereich, wo die von der net SE vertriebene Fotorucksackmarke Click Elite bekannt gab, die Tore zu schliessen.

Dass bei der net SE nicht mehr alles rund lief, war schon vermutet worden, als es im Jahre 2015 zu einer Kapitalherabsetzung der net SE Namensaktie im Verhältnis 2:1 kam. Am 4 April 2016 folgte die Meldung, dass der Verwaltungsrat der net SE beschlossen habe, die Beendigung der Einbeziehung der Aktien in den Freiverkehr zu beantragen (Delisting).

Christoph Jehle

5 Kommentare zu “Insolvenz der net SE. Was wird aus Meyer Görlitz, Elbaflex oder Schacht?”

  1. net SE «Neuer Wein in alten Schläuchen»
    Um am Markt erfolgreich zu bestehen reicht es einfach nicht, teils in Fernost teils in deutscher Lohnarbeit, «zusammen geschusterte» Objektive unter klangvollem Namen teuer zu verkaufen.
    Bitter für alle die Gutgläubigen die Ihr Geld in Kickstarter-Projekten verlieren werden. Bei Ebay hätte es die eine oder andere Optik als «original aus der Zeit» für vernünftiges Geld gegenben.

  2. Da ich mit Dr. Stefan Immes auch schon korrespondierte
    und seinen Enthusiasmus bezüglich der MOG-Objektive teilen kann;
    Gute Genesung Herr Immes.

    Auch ich gehöre zur kleinen „Fraktion“ der MOG-Liebhaber
    und besass eine Zeit lang das 50ger, wie auch das 100er Trioplan.
    Übrig geblieben ist momentan noch das 50ger,
    mit dem ich zwischendurch auch ganz gerne arbeite.

    Ich fand eigentlich schon seit Beginn des „Trioplan-Hypes“,
    (Lydith, Primoplan u.A. kamen später dazu)
    dass die Preise dafür sich nicht langfristig rechtfertigen können – und das werden sie wohl auch nie.
    Es sind und bleiben Exoten, welche auch eher nur eine Handvoll Ambitionierte wirklich ansprechen.
    Darauf eine Firma aufzubauen ist einerseits zwar mutig und innovativ,
    andererseits aber sicher erhöht mit gewissen Risiken verbunden.

    Legendäre Gläser, wie z.B. die Russischen Helios, Jupiter, Tair, Petzval – nur um einige zu nennen –
    findet man in guter Qualität im, z.Tl. unteren, dreistelligen Preis-Segment.
    Bei MOG greift man dafür, ob nun berechtigt, oder nicht, weitaus tiefer in die Tasche
    und findet sich schnell mal im 1300.- bis weit über 2000.- Euro-Bereich wieder.

    Böse Zungen mögen behaupten,
    dass man etwas mehr für Dinge bezahlt, die man letztendlich gar nicht hat.
    (Kontakte zur Cam, Autofokus usw.)

    Wie dem auch sei;
    Ich persönlich begrüsse die Idee für das Wieder-aufleben solcher MOG-Perlen,
    denke jedoch, dass die jetzige Preispolitik durchaus noch Verbesserungs-Potential,
    vorzugsweise nach Unten hat.
    (Ein klingender Name bedeutet nicht zwangsläufig mehr „Fleisch am Knochen“.)

    In diesem Sinne fänd‘ ich eine Weiterführung der net.SE wünschenswert.

  3. Im ziemlich unübersichtlichen Umfeld der net SE sind einige Websites wie silvec.com, clikelite.de oder globell.com nicht mehr erreichbar oder die Domain steht zum Verkauf. Andere wie meyer-optik-goerlitz.com und http://www.oberwerth.com sind noch aufrufbar. Und für die GlobellColor-Produkte ist die Website globell-color.com einer Globell Color GmbH mit Sitz in Kempen zu finden, als deren vertretungsberechtigte Geschäftsführerin Regina Immes genannt wird.

  4. Globell B.V., net SE’s main operational subsidiary (it’s a software editor and distributor, net SE’s original business), renamed ColorTec B.V. as of 24 October 2017, was declared insolvent as of 7 November 2017 and liquidated and dissolved as of 29 May 2018, some two months before Dr Immes’s alleged ‚traffic accident‘.

    https://www.crediteurenlijst.nl/nl/Insolvencies/Details/5245

    https://drimble.nl/bedrijf/venlo/16451244/globell-bv.html

    This could have been the main cash drain, temporarily ‚patched‘ by the lens crowdfunding projects.

  5. Unter dem Aktenzeichen 21 IN 128/18 ist vom Amtsgericht Koblent am 01.10.2018 um 08:00 Uhr das Insolvenzverfahren über das Vermögen der net SE eröffnet worden. Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) sind bei dem Insolvenzverwalter RA Dr. Alexander Jüchser – Kanzlei Lieser – unter Beachtung des § 174 InsO bis zum 15.12.2018 anzumelden.
    Was in diesem Zusammenhang nochmals hervorgehoben werden sollte, ist die Tatsache, dass die Rechte einzelner Marken nicht bei der net SE liegen, sondern bei der Semi Verwaltung GmbH von Frau Immes.

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