Gastautor/-in, 5. Januar 2020, 10:00 Uhr

Von Bohnen, Espresso und Lumix S1R

Ich hege Leidenschaften für wenige Dinge, diese zelebriere ich jedoch aus tiefstem Herzen. Grenzt man Familie und Beruf aus, bleiben bei mir unter anderem Kaffee und Fotografie übrig. Diese zwei Punkte durfte ich ihm Rahmen des Panasonic Lumix DC-S1R Tests miteinander kombinieren.

Als zertifizierter Barista widme ich mich der professionellen Zubereitung von Kaffee. Üblicherweise geschieht dies in einem Café oder in einer Kaffeebar. Ich hingegen konzentriere mich einzig und alleine auf genussvollen Kaffeegenuss Zuhause und bin somit im Bereich eines «Homebarista» unterwegs.

Mit der S1R habe ich den Weg der Kaffeebohne in die Tasse dokumentiert. Mir war von Anfang an bewusst, dass dies nicht ein fotografisches Einsteigerprojekt werden wird. Der Zeitrahmen in der Adventszeit sorgt für wenig Tageslicht in der heimischen Wohnung, umso mehr, wenn man tagsüber berufstätig ist. Kaffee spannend zu inszenieren ist an und für sich bereits schwierig, kommt dazu, dass Chromstahl und Glas an allen Ecken und Enden spiegeln und Unreinheiten gnadenlos aufgezeigt werden. Letztendlich ist beinahe alles was nicht glänzt oder durchsichtig ist, dunkel oder gar schwarz, spannende Kontraste sehen also anders aus.

Gerne habe ich mich diesen Unwegsamkeiten gestellt. Für einmal arbeitete ich nicht mit Models, nicht mit unseren Kindern, nicht mit Brautpaaren, nicht mit Blitzanlagen, nicht mit Filtern und nicht mit landschaftlichen Besonderheiten. Mein Arbeitsinstrument war die Standardkonfiguration der S1R mit dem stabilisierten Kitobjektiv 24-105mm, ergänzt mit einem Tischstativ. Fertig, mehr stand bewusst nicht zur Verfügung.

 

Mein Arbeitsinstrument war die Standardkonfiguration der S1R mit dem stabilisierten Kitobjektiv 24-105mm

 

Mein erster Eindruck

Als erstes fällt mir die sehr gute Verarbeitung auf, nichts wackelt, nichts klappert, alles wirkt ungemein solide und vertrauenswürdig gegen Wettereinflüsse geschützt. Nach dem Einschalten begeistert der brillante Sucher, später die sehr gute Menüführung. Jede Position hat logische Unterpositionen, ein Quick-Menü zeigt die wichtigsten Parameter und kann individuell konfiguriert werden. Bis hierhin war noch keine Bedienungsanleitung nötig, sie sollte es auch nie werden, Panasonic holt erfahrene Fotografen in ihrer Welt ab. Zu sagen ist aber auch, dass die Lumix ein wuchtiges Auftreten an den Tag legt, als Leichtgewicht bezeichne ich sie nicht. Andererseits liegt die S1R ausgewogen in der Hand und besitzt den Anspruch, professionellen Fotografen als zuverlässiges Werkzeug zu dienen. Der (beschränkt) klappbare Touchmonitor trägt seinen Teil zum entspannten Arbeiten bei.

Eine grosse Kamera bietet natürlich viel Raum für Schalter und Tasten, diese wurden geschickt platziert und bieten intelligente Lösungen. So muss beispielsweise für eine andere Aufnahmebetriebsart nicht ins Menü gewechselt werden. Je ein Drehrad für den Auslösefinger und den Daumen sorgen für schnelle Anpassungen. An meiner aktuellen spiegellosen Kamera stört mich der fehlende Joystick und der fehlende zweite Kartenslot, beides bietet die S1R und hat mir dabei ein Lächeln auf die Lippen gezaubert.

 

Blick über den Tellerrand

Eigentlich war klar, mit welchem Projekt ich mich um die Testkamera bemüht habe, nämlich Kaffee im Rahmen der heimischen Siebträgermaschine. Kaffee wird in meiner Küche aber sehr statisch sein und hoffentlich niemals davonlaufen. So habe ich mich erst einmal im weiten Feld mit springenden Kindern an die Panasonic gewöhnt. Mir hat dabei der schnelle, präzise und gut konfigurierbare Autofokus gefallen. Ebenfalls reicht die Serienbildgeschwindigkeit für diese Eventualitäten aus, bei der Doppelaufzeichnung von JPG und RAW Dateien sind kleinere Karten jedoch im Serienbildmodus innert kurzer Zeit vollgeschrieben. 47.3 Megapixel fordern ihren Tribut. Ich denke, dass Sportfotografen noch ein paar Bilder mehr pro Sekunde erwarten, das ist aber nicht mein Metier und soll von anderen beurteilt werden. Die Videofunktionen habe ich übrigens gar nicht angeschaut, ich fotografiere lieber als mich mit bewegten Bildern herum zu schlagen.

 

Los geht’s mit Kaffee

Von Anfang an habe ich mich auf die ISO Fähigkeiten der Kamera und die doppelte Bildstabilisation verlassen. Dabei wurde ich nicht enttäuscht, bei den oft eingesetzten ISO 3200 entstanden harmonische Bilder ohne störendes Bildrauschen. Auch die testweise verwendeten ISO 6400 stellen eigentlich gar kein Problem dar. Die Lumix ist mit dem wichtigsten Ausgangsmaterial meines Projekts ins Rennen gestiegen: Frisch gerösteten Kaffeebohnen.

Zwei Kinderhände voll mit frisch gerösteten Bohnen. Freihandaufnahme bei 1/25 sek und f/4.5

Monatlich treffen bei mir hochwertige Kaffeebohnen einheimische Röster ein. Nach einer kurzen Lagerung sind die Bohnen genussbereit. Zwei kleine Kinderhände halten in etwa die ideale Menge für einen Espresso Zweierbezug. Und die Menge ist essentiell, ein perfekter Espresso entsteht mit 7 bis 9 Gramm frisch gemahlenen Bohnen, 25-30ml Wasser und 25 Sekunden Durchlaufzeit. Diese drei Parameter gilt es mithilfe der Kaffeemühle und ihrem Mahlgrad sowie der Kaffeemaschine in Einklang zu bringen. So ähnlich wie ISO, Zeit und Blende bei einer Kamera harmonieren müssen.

Korrektes Tampern ist wichtig 

Der frisch gemahlene Kaffee wird anschliessend mit dem Tamper gleichmässig im Siebeinsatz verdichtet. Dieser Schritt ist wichtig, falsches Tampern führt unter anderem auch zu «channelling», das Wasser würde sich unter Hochdruck den Weg des geringsten Widerstandes suchen und eine wässrige Brühe in die Tasse laufen lassen. Diese zwei Arbeitsschritte hat die S1R hervorragend begleitet.

Einerseits frei aus der Hand, mit sehr kurzen Belichtungszeiten, um das Pulver von der Mühle ins Sieb einzufangen. Andererseits hat die doppelte Bildstabilisation bestehend aus IBIS und Objektivstabilisation zu knackscharfen und akzentuierten Bildern beim gestellten Ansetzen des Tampers geführt.

Die Bohnen werden frisch gemahlen (links). Rechts fliesst der Espresso aus dem Doppelbezug

Der Siebträger, oftmals falsch als Kolben bezeichnet, ist übrigens stets in der warmen Kaffeemaschine eingespannt. Nur so fällt die Wassertemperatur nicht zusammen und das Wasser kann mit circa 93° durch das Kaffeemehl fliessen. Wird mit der Temperatur experimentiert, kann der Kaffee in der (handwarmen) Tasse um mehr als nur Nuancen von fruchtig zu bitter beeinflusst werden. Somit folgt nach dem Tampern der Kaffeebezug aus der Siebträgermaschine.

Ein perfekter Espresso stellt übrigens die Basis für sehr viele Getränke wie auch Cappuccino, Latte Macchiato, Americano und diverse kalte Sommerkaffees dar. Dieser Espressobezug ist nun die Paradedisziplin für eine Kamera wie die S1R.

Auch Latte Macchiato basiert auf Espresso. Hier zu sehen links in Nature und rechts mit süssem Holundersirup

Die Panasonic liegt sehr gut in der Hand, ist intuitiv zu bedienen, besitzt einen exzellenten Sucher und auf den Autofokus ist Verlass. Das Resultat darf sich sehen lassen, die S1R produziert mit einer gewaltigen Auflösung von 47.3 Megapixeln, knackig scharfe Bilder mit einem hervorragenden Dynamikumfang und spannenden Kontrasten. 

Espresso mit einer herrlichen Crema

 

Milch kommt dazu

Wird Milch für warme Kaffeegetränke aufgeschäumt, führt das anschliessende Reinigen der Dampflanze zu einer wunderbaren Dampfwolke. Gut zu wissen, dass ein abgedichtetes Kameragehäuse die Innereien zuverlässig vor widrigen Einflüssen schützt. Profis werden sicherlich schwierigere Konditionen als Dampf in einer Kaffeeküche vorfinden …

Ausblasen der Dampflanze

Café crème fliesst aus dem Siebträger

Abseits der Espresso-Zubereitung verwende ich eine zweite Mühle und sorge damit für einen gröberen Mahlgrad. Daraus entsteht an der heimischen Siebträgermaschine das klassische Café crème, urschweizerischer geht es in der Kaffeetasse beinahe nicht. Sind erst einmal die Espressi aus dem Siebträger gelaufen, können diese entweder pur genossen oder mit anderen Zutaten vereint werden. Beinahe klassisch muten Cappuccino und Latte Macchiato an. Wird die Milch dazu mehr oder weniger kunstvoll in die Tasse gegossen, spricht man auch von «Latte Art». Meine Fingerfertigkeiten an der Milchkanne bezeichne ich nur als Basics, mit einem simplen Herz in der Tasse würde man an einem Barista Wettbewerb nicht mehr als einen Blumentopf gewinnen.

Latte Art wird gegossen, ein geschwungenes Herz entsteht …

Nichts desto trotz kann eine Kaffeereportage nicht ohne ein Motiv in der Tasse auskommen. Auch bei dieser Gelegenheit hat sich die S1R keine Blösse gegeben. Die kontrastreichen, scharfen und warm aufgearbeiteten Bilder haben mir auf Anhieb gefallen. Als ich ein Muster gegossen habe, wurde die Kamera von meiner Frau bedient, dabei hat sich gezeigt, dass die Panasonic unter Umständen als gross und wuchtig wahrgenommen werden kann, insbesondere bei kleineren Händen.

… und ein weiteres steht für die Gäste bereit

 

Das Resultat

Am Ende der Prozesskette stehen diverse Getränke auf dem Tisch. Sei es die schweizerische Dreifaltigkeit mit Espresso, Café crème und Milchkaffe. Oder seien es verschiedene Cappuccini, eigentlich eher Flat White genannt, oder seien es coole Sommergetränke wir Kaffee Tonic oder caffè crodino. Insbesondere der Mix mit Tonicwater ist ein spezieller, durch die unterschiedliche Dichte schwimmt der Espresso auf dem bekannten, eisgekühlten Filler oben auf, die Bitterkeit des Tonics kombiniert sich hervorragend mit dem Espresso-Geschmack.

Café crème, der Klassiker

Am Ende der Prozesskette steht aber auch ein leerer Akku. Mir als ehemaligem DSLR Fotografen entleeren sich die Akkus in den modernen Spiegellosen einfach zu schnell. Gefühlt beherrscht die Panasonic die Disziplin Akkus zu leeren noch ein wenig besser als mein Vergleichsprodukt, der Akku musste also mehr als einmal ans Ladegerät. Für mich stellt dies eine kleine Schwäche dar, die positiven Punkte der Panasonic Lumix S1R überwiegen jedoch bei weitem.

Das eisgekühlte Sommerduo – Kaffee Tonic und caffè crodino

 

Da war noch was

Abseits meines Projekts habe ich die Lumix unter die Lupe genommen. Faktoren die für meine Kaffeefotos nicht notwendig erachtet werden, sind an dieser Stelle durchaus erwähnenswert. Nur schon die Möglichkeit hochauflösende Bilder mit 187 Megapixel zu kreieren, oder die eingebaute Funktion für Intervallaufnahmen und diverse Bracketing-Möglichkeiten sind schöne Features. Ebenfalls auf der Höhe der Zeit sind die WLAN und Bluetooth Verbindungen. Zu erwähnen ist natürlich auch der L-Mount Objektivanschluss, womit auch die Welt zu Leica- und Sigma-Objektiven offensteht.

Die schweizerische Dreifaltigkeit – Espresso, Café crème und Milchkaffee (Schale)

 

Die Lumix S1R: Plus und Minus

+ Hochwertiges Gehäuse
+ Liegt gut in der Hand
+ Hervorragende Bildqualität, sehr gute Auflösung, Bildschärfe
+ Traumhafte Detailwiedergabe
+ Sehr scharfer elektronischer Sucher
+ IBIS plus Objektiv und sehr gute ISO Performance ermöglichen scharfe Freihandbilder
+ Präziser und schneller AF
+ Bietet alles was das Fotografenherz begehrt
+ Intuitiv zu bedienen, viele Schalter und Wählräder
+ Gute Benutzerführung
+ Verschiedene Bracketing Möglichkeiten
+ L-Mount

– Akku hält nicht besonders lange durch
– Kann als zu gross und schwer empfunden werden
– Eingeschränkte Beweglichkeit des Displays

Insgesamt darf ich sagen, dass ich wohl noch nie mit einer besseren Kamera gearbeitet habe. Der KB-Einstieg von Panasonic kam spät, er kam aber wuchtig und durchaus überzeugend.

Text und Bilder: Gilbert Henzen

 

Kaffee Tonic entsteht (links). Auch im grellen Gegenlicht sind die Details im Glas sichtbar

 

Das bin ich

Gilbert Henzen, 45 Jahre alt, Controller, seit 25 Jahren in der Zentralschweiz zu Hause. Bereits in jungen Jahren entdeckte ich meine Leidenschaft an der Fotografie. Mein beruflicher Werdegang entwickelte sich nebenbei von der Technik hin zu Zahlen, Sie können es glauben oder nicht – aber auch die Passion für Controlling-Lösungen kann tagtäglich begeistern. Umso mehr widme ich mich jedoch in der Freizeit mit Hingabe der Suche nach dem ausdrucksstarken Bild. Der Ausgleich zum Beruf ist wunderbar, ohne etwas zu sagen kann mit einer einzigen Fotografie eine ganze Geschichte erzählt werden. Während zehn Jahren war ich als engagierter Hochzeitsfotograf unterwegs. 2019 ist in mir langsam den Entschluss gereift, dass ich meine beschränkte Freizeit lieber der Familie und vor allem unseren Kindern schenke, so wurde die Fotoausrüstung rasch wieder auf den Inhalt einer kleinen Tasche reduziert. Nun geniesse ich mit der Kamera meine «kleinen Models», freue mich auf nächtliche Begegnungen mit dem Sternenhimmel, spaziere am See und suche Anlegestellen im Sonnenaufgang, durchaus lehne ich mich auch zurück und verwirkliche im Nebel die melancholische Bildsprache. Und natürlich fotografiere ich Kaffee in all seinen Variationen. Wenn man Liebe teilen kann, bekommt die Lumix S1R auf jeden Fall einen Teil davon ab.

 

Weitere Informationen über die Lumix S1R finden Sie auf www.panasonic.ch 

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Ein Kommentar zu “Von Bohnen, Espresso und Lumix S1R”

  1. Eine erfrischende Geschichte über Kaffee. Bravo!
    Als Physiker reize ich meine Sony 7R IV manchmal auch aus und konstruiere 240 Megapixel-Fotos. Allerdings sind auch schon die Basics aus 60 MP mehr „Kunst für die Kunst“, als sinnvoll. Nutzt man die Datenflut aus, oder macht man extreme Ausschnitte, liegt die Schärfentiefe nur noch bei der Hälfte. Auch die Belichtung muss mindestens doppelt so schnell erfolgen, wie gewohnt, sonst wird Bewegungs-Unschärfe sichtbar.
    Also Blende weiter schliessen und Verschluss beschleunigen, was höhere ISO erfodert und zu Rauschen führt.
    Wenn es nicht quadratmetergrosse Fotos für Ausstellungen sein sollen, setze ich deswegen meist nur 20 Megapixel ein, die bis mindestens A3+ reichen. Allerdings mit Hochformatgriff, der 2 Akkus aufnimmt und die Masse erhöht 😉

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