Gastautor/-in, 15. März 2020, 10:00 Uhr

Digitaler Profi im analogen Kleid

Analog hinsehen und digital aufzeichnen, dieser Spagat gelingt Fujifilm seit dem Erscheinen der X-Pro-Serie. Mit der aktuellen X-Pro3 haben die Japaner nochmals einen Schritt in Richtung analoge Anmutung gemacht, ohne die digitalen Resultate zu vernachlässigen. Der Profi-Fotograf Renato Bagattini hat Fujis neusten Spross zuerst ins Sertigtal und in Januar nach Rom mitgenommen. Ein Erfahrungsbericht.

Wer Retro sagt, muss schon beim Karton beginnen. Nach den ausufernden Verpackungen vieler Kamerahersteller in den vergangenen Jahren, die mehr an ein Ostereiersuchen denn Herausholen einer Kamera erinnerten, besinnt sich Fujifilm wieder und verpackt seine X-Pro3 so wie es sein sollte: schlicht und zweckmässig. Schliesslich kaufe ich eine Kamera und nicht eine x-fach verschachtelte Verpackung. Und was gleich auffällt: Es liegt eine dicke gedruckte Bedienungsanleitung auf Deutsch und Französisch bei. So gut, so schön und in den Tiefen der Schachtel dann Fujifilms neustes Kind, die X-Pro3 in ihrer schlichten Eleganz.

 

Die ersten Gehversuche mit der X-Pro3 im Sertigtal. Noch war das Wetter so, wie man sich’s wünscht, aber das sollte sich bald ändern. Der Schwarweiss-Modus ist für solche Wintermotive ideal: Starker Kontrast und mit Rotfilter abgedunkelter Himmel und trotzdem saubere Durchzeichnung der Schatten. (XF23mm, 1/500, f/9, ISO200)

 

Farbfilter ohne Faktorverlängerung

Im Sertigtal entscheide ich mich für eine Fotosession mit dem Schwarzweissfilm Acros und Rotfilter sowie einem feinen, kaum auffälligen Korn, das den Aufnahmen die oft etwas artifizielle Anmutung digitaler Schwarzweissfotografien nehmen soll. Mir scheint, der Charakter des Tales kommt damit sehr schön zur Geltung. Das Gute an den digitalen Filtern ist, dass die Belichtung nicht verlängert wird. Gerade das Arbeiten mit einem physischen Rotfilter konnte einen oft gefährlich nahe an die langen Verschlusszeiten bringen – früher, in analogen Zeiten. Später, unterwegs in den Strassen von Rom, schalte ich in den Astia-Modus um. Roms eher blasse Farben mit dem vielen Grauanteil darin, eignen sich für diesen Film. Die Astia-Filmsimulation lässt diese reduzierten Farben nicht übertrieben wirken.

 

Morgenlicht im Sertigtal mit dem Mittaghorn, welches noch noch im Schatten liegt. Erst die Wolken werden von der Sonne beleuchtet und vermitteln dem Bild einen stimmungsvollen Kontrast. (XF55-200mm, 1/320, f/16, ISO400)

 

Das Sertigtal überrascht mit heftigem Schneetreiben – kein Problem für die gut abgedichtete X-Pro3. (Laowa 9mm, 1/140, f/11, ISO200)

 

Das Schneegestöber wird immer heftiger, und der Hof unseres Nachbarn ist kaum noch zu sehen. Fotografieren jetzt erst recht!(XF55-200, 1/850, f/8, ISO200)

 

Zwillinge nur auf den ersten Blick

Auf den ersten Blick gleicht sie wie ein Zwilling ihrem Vorläufer, der X-Pro2 und man muss, von vorne und oben jedenfalls, schon genau hinsehen, um die Modelle unterscheiden zu können. Erst der Blick auf Rückseite verrät, was Fujifilm wirklich grundlegend verändert hat. Und diese Änderungen haben es in sich, entfalten allerdings ihre Wirkung erst nach und nach. Bei mir war’s so, dass ich die Kamera erst ins wetterlaunische Sertigtal und anschliessend noch auf einen Trip ins vorfrühlingshafte Rom mitnahm. Im Sertigtal wurde ich von heftigem Schneefall überrascht. Die Wetterfestigkeit X-Pro3 zeigte sich hier klar und diskussionslos: Nässe und Kälte konnten ihr nichts anhaben. Und auch die Akkuleistung blieb konstant. Das, obwohl sie immer wieder kritisiert wird. Ich jedenfalls hatte nie Probleme mit damit. Das liegt möglicherweise auch daran, dass ich mich nicht zu den Vielknipsern rechne.

 

Rom empfängt uns mit prachtvollen und schon fast frühlingshaftem Sonnenschein. Das Laowa 9mm auf der X-Pro3 macht richtig Spass. (Laowa 9mm, 1/120, f/11, ISO200)

 

Zwei Kilo Profigerät

Man stelle sich vor: knapp zwei Kilo für eine professionelle Ausrüstung: Gehäuse und fünf Objektive! Die kleinen f2er mit 23, 35 und 50mm Brennweite sowie das 16mm f2.8 sind die prädestinierten Partner der X-Pro3. Ich packe auch noch das relativ kompakte 55-200 mit ins Gepäck – man weiss ja nie, ob das Tele mal gebraucht wird. Hinterher kam dann auch noch das Laowa 9mm in die Tasche. Aber auch mit diesem Zwerg blieb das Gewicht etwas über zwei Kilo. Alles war gut verstaut in meiner unscheinbaren Retrotasche von Ona und geeignet für den Besuch im Sertigtal. Für Rom dann musste das Gehäuse mit dem Laowa 9mm, den XF 16mm und 50mm vorliebnehmen.

 

«La Sapienza», die Università degli Studi di Roma. Ideale Farben für den Astia-Modus. (XF16mm, 1/160, f/8, ISO200)

 

Aufgeräumte Rückseite

Mit der aufgeräumten Rückseite vollzieht Fujifilm einen radikalen Schritt in eine nun andere Richtung: kein Display ist zu sehen, das Steuerkreuz verschwunden, die Tasten sind spärlich geworden. Dort, wo üblicherweise der Monitor seine Arbeit tut, ist ein kleines Info-Fensterchen geblieben, das entweder die aktuellen Einstellungen der Kamera oder – was ich einfach cool finde – die Lasche einer Filmschachtel anzeigt, so wie es in vordigitaler Zeit Usus war. Dennoch, auf einen Monitor muss nicht verzichtet werden, er lässt sich ausklappen, leider aber weder drehen noch wenden.

Schon der erste kleine Ausflug zeigt es mir deutlich: ein Arbeiten ohne die ständigen flüchtigen Blicke auf den Monitor bewirken, dass die Konzentration beim Motiv bleibt. Mit etwas Übung werden die nach wie vor beispielhaft guten Fujifilm ooc-jpgs ausnahmslos richtig belichtet. Und mit dem RAW-File als Sicherung kann sowieso nichts mehr schiefgehen. Und Fujifilm macht es vor, wie das geht mit seinen Filmen aus analogen Zeiten, die sich in die digitale Gegenwart hinübergerettet haben: der Provia ist der Standardfilm, der Velvia der Gesättigte für Landschaftsfotografen, während dessen Porträtfotografen seit jeher den eher weichen Astia vorziehen – auch wegen seiner unerreichten Wiedergabe der Hautfarbe. Schwarzweiss-Freaks können ebenfalls wählen und sogar ein digitales Korn in verschiedenen Varianten in ihre Aufnahmen rechnen lassen.

 

Die Via Magnanapoli mit perfekter Lichter- und Schattendurchzeichnung der X-Pro3. Der Astia-Farbmodus unterstreicht dezent die Farben Roms. (XF16mm, 1/50, f/8, ISO200)

 

Abgespeckter optischer Sucher

Der X-Pro-Fotograf hat die Qual der Wahl: elektronischer oder optischer Sucher. Eingefleischte Analogfreak wählen meist den klassischen Sucher. Nun, solange mit den Standardscherben 23, 35 und 50mm gearbeitet wird, zeigt sich die Kamera von ihrer edelsten Seite und Erinnerungen an das Feeling einer Contax G2 werden wach. Das grosse Erwachen – leider – kommt erst, wenn an den Body das geniale 16mm f2.8 oder das 9mm von Laowa angestöpselt wird: Beim optischen Sucher ist bei 23mm, im Gegensatz zur X-Pro2, die auch 14mm im optischen Sucher zeigen konnte – Schluss. Das tut schon etwas weh, wenn man vor allem mit dem optischen Sucher arbeitet, weil dieser geradezu den Look des Analogen wie kaum ein anderes Merkmal verkörpert. Da hat, meiner Meinung nach, Fujifilm den Ton nicht ganz getroffen und die ansonsten vorbildliche Weiterentwicklung in Richtung analoge Fotografie etwas brüskiert. Aber okay, schalte ich halt um, wenn es etwas weitwinkliger sein soll, schliesslich ist der elektronische Sucher auch nicht von Pappe.

 

Wer die Abkürzung über die Via delle Sette Sale zum Kolosseum kennt, kommt schneller hin und wird mit einem harmonischen Motiv belohnt. (XF16mm, 1/125, f/8, ISO200)

 

Das A und O: der richtige Konverter

Die Pixelstruktur von Fujifilms Sensoren verlangt für die RAW-Files nach einem Konverter, der auf die sogenannte X-Trans-Matrix mit ihrer eigenen Farbpixelstruktur eingehen kann. Ich benutze dafür seit einiger Zeit ausschliesslich Capture One. Zugegeben, die Umstellung brauchte seine Zeit. Aber schliesslich konnte ich C1s grossen Konkurrenten endlich von meinen Festplatten löschen. Der Umstieg lohnte sich: die Bilder aus diesem Konverter kommen schärfer, klarer und homogener daher, zudem lässt sich Capture One vollständig nach eigenem Gutdünken konfigurieren. Oft verwendete Werkzeuge lassen sich gruppieren und sind dann sofort und ohne lästiges Scrollen greifbar.

 

Eine klassische Ansicht des Kolosseums, die jedoch im extremen Gegenlicht die Stärken des Sensors beweist. (XF16mm, 1/280, f/13, ISO200)

Zwei weitere grosse Pluspunkte zeichnen die X-Pro3 aus: das schlichte Äussere lässt sie kaum auffallen (ausser bei Kennern natürlich) und ihr Verschluss. Gerade in Innenräumen, bei Theateraufführungen und Konzerten mit leiser Musik, ist es ein unbezahlbarer Vorteil, die Kamera auf komplett Leise (elektronischer Verschluss) stellen zu können. Freilich klappern da noch die Blendenlamellen der Festbrennweiten der ersten Stunde und ist das leise Schnarren des Bildstabis im XF 50-140mm deutlich zu hören. In aller Regel aber herrscht völlige Ruhe und ein Arbeiten ohne giftige Blicke und zynische Kommentare sind garantiert. Garantiert ist auch eine Top-Bildqualität, trotz des APS-C-Formats, das meiner Meinung nach in den allermeisten Fällen mehr als nur genügt. Und last but not least arbeitet die 3er auch unter schwachen Lichtverhältnissen deutlich schneller und treffsicherer als ihre Vorgängerin.

Sowieso ist es eine Eigenheit des analogen Feelings, sich nicht von der Technik überrollen zu lassen. Auch dazu hat sich Fujifilm ein paar Gedanken gemacht und beispielsweise das Quick-Menu modifiziert. Es lassen sich jetzt die Anzahl der Menus selbst bestimmen. Ich bevorzuge die Minimalanzahl von vier. Diese Menus belege ich mit dem Selbstauslöser, der Wahl der Verschlussart, der Filmsimulation und der Definition des Korns. Vier Dinge eben, die ich oft benötige und zusammengefasst haben will.

 

Die Überreste des Circo Massimo im dramatischen Gegenlicht und einem seltenen Corona-Effekt. (Laowa 9mm, 1/950, f/11, ISO200)

 

Fazit

Mit der X-Pro3 ist Fujifilm ein über weite Strecken guter Wurf gelungen. Der versteckte Monitor, an dessen Stelle ein kratzfestes Infofenster steht, erachte ich als sehr gelungen. Weniger geglückt ist die Modifikation des optischen Suchers, der jetzt «nur» noch bis 23mm hinunter das volle Bild zeigt. Ansonsten bleibt vieles beim Alten: Die X-Pro3 ist wie ihre Vorgängerinnen keine Knipse. Mit ihr zu Arbeiten braucht Engagement und etwas Fotowissen. Im Weiteren wird sie nach wie vor polarisieren: die einen mögen die Kamera, die anderen finden sie unmöglich. Ich zähle mich seit der X-Pro1 zur ersten Gruppe. Die Jahre zwischen meiner einstigen Contax G2 und der X-Pro1 werde ich wohl einfach als ein schwarzes Loch in Erinnerung behalten. Denn mit Sucherkameras zu arbeiten ist nicht einfach nur fotografieren. Es ist auch eine Haltung und ein Statement.

Text und Bilder: Renato Bagattini

Weitere Informationen zur Fujifilm X-Pro3 finden Sie in der Erstvorstellung von Fotointern und auf der Produkteseite von Fuji.ch

 

 

Ein Kommentar zu “Digitaler Profi im analogen Kleid”

  1. Sehr guter Bericht mit ebensolchen Bildern.
    Beim optischen Sucher musste sich Fuji entscheiden: Füllt die Bildfläche schon ein 23 mm-Objektiv aus, so ist der Ausschnitt eines Normal-Fünfziger noch gut übersehbar und auch leichte Teles (Portraits) sind noch knapp zu überblicken.
    Würde die optische Sucherfläche bis zu 9 mm reichen, würde schon ein 24er nur noch im kleinen Rahmen sichtbar sein und weder ein 50er, noch ein leichtes Tele im Sucher beurteilt werden können.
    Ich halte den Kompromiss für ideal und alles Andere geht gut mit dem elektronischen Sucher.
    Schön finde ich die „Filmlasche“. Ich schiele eh nie auf Displays und nun fragt auch kein neugieriger Zuschaer mehr: „Kann ich das Bild mal sehen?“. Bei Fragen: „Ja, wenn der Film entwickelt ist!“ 😉

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