Gastautor/-in, 18. September 2020, 16:00 Uhr

Bunt ist nicht alles

Color Management ist vermutlich das unbeliebteste Thema im fotografischen Workflow. Das hat sicher auch damit zu tun, dass es viel zu theoretisch angegangen wird und in der Praxis selten zum gewünschten Resultat führt. Color Management besteht aus meiner Sicht zu 20 % aus Technik und 80 % aus Erfahrung.

Immerhin haben wir es in den letzten zehn Jahren geschafft, dass die meisten digitalen Dunkelkammern über einen profilierten Monitor verfügen. Leider stehen nicht alle dieser Monitore unter der Haube, sodass Fremdlicht und die ständig wechselnde Helligkeit der Arbeitsumgebung einen Teil des Erreichten zunichte machen. Als Gegenpol zum profilierten und idealerweise auch kalibrierten Monitor kommt eine Normlichtlampe mit Tageslichtspektrum und ausreichender Helligkeit zum Einsatz. Diese sind in der heutigen Praxis leider sehr dünn gesät.

Das Farbmanagement basiert zu 20 % auf Technik und zu 80 % auf Erfahrung. Die wichtigste Grundlage liefert ein kalibrierter und profilierter Monitor und ein Drucker mit gutem Drucker-Papierprofil. Oft geht leider vergessen, dass das Betrachtungslicht dabei ebenso wichtig ist.

Das farbrichtige Arbeiten am Laptop ist nach wie vor eher problematisch, da meist auf einem reflektierenden Glanzmonitor und ungeschützt vor Fremdlicht. Immerhin werden auf den portablen Geräten die Farbräume immer grösser, sodass sich eine Profilierung nur schon unter dem Aspekt lohnt, den eben geschossenen RAW-Files einen akkuraten Weissabgleich zu verpassen. Eben dies wird in der Praxis viel zu wenig gemacht. Der Weissabgleich wird selten korrigiert ausser vielleicht im Studio auf der Basis einer Graukarte. Der Weissabgleich respektive die Lage der Farbkanäle ist aber entscheidend für die optimierte Nutzung des hochgelobten Dynamikumfangs. Es empfiehlt sich auch ab und zu mit Kameras verschiedener Hersteller parallel zu arbeiten und die unterschiedlichen Farbigkeiten kritisch zu vergleichen. Manchmal reicht auch schon eine Vergleichsaufnahme mit dem Smartphone …

 

Bild links mit generischem Kameraprofil, rechts mit spezifisch erstelltem Kameraprofil mit grossem Farbraum. In Kombination mit einem ausgefeilten Weissabgleich und der HDR-Funktion in Capture One Pro lässt sich so der effektive Dynamikumfang der Sony A7r IV voll ausreizen. Das generische Profilist kaum in der Lage Zeichnung geschweige denn Farbigkeit in den Himmel zu bringen. Da könnte nur eine Kombination mit zwei unterschiedlich belichteten Bildern helfen.

Wer Drucker über nicht selber gemachte Farbprofile ansteuert, ist den mathematischen Modellen der Profilierungssoftware und den Einstellungen des Operators ausgesetzt. Neue Drucker werden marketingtechnisch mit auf hohe Sättigung konditionierten Profilen angesteuert und entsprechend mit riesigem Farbraum beworben. Wer farbrichtig unterwegs sein will, muss sich demgegenüber mit etwas flaueren aber Bildern mit feinen Nuancen zufriedengeben. Das Farbmanagement auf FineArt-Inkjetdruckern ist nicht zu unterschätzen – speziell auf den matten Büttenpapieren mit eher kleinem Farbraum. Da helfen oft nur besonders optimierte Druckprofile in einer entsprechenden RIP-Software – in Kombination mit ausgefeiltem Softproof bei der Endbearbeitung der Printfiles.

Nicht oder nur wenig bekannt ist bis heute, dass auch Kameras profiliert werden können. Interessanterweise finden wir sowohl in Capture One wie auch in Lightroom oder Photoshop sogenannte generischen Profile, welche für jede Situation eine einigermassen farbrichtige Aufnahme liefern sollen. Wer sich in diesem Gebiet etwas vertiefter bewegt, wird feststellen, dass bei situationsspezifisch erstellten und optimierten Profilen deutlich mehr an Farben, Nuancen und Details aus RAW-Files herauszukitzeln ist. Dank solchen massgeschneiderten Profilen haben wir es beispielsweise mit Hauttönen zu tun, mit denen man arbeiten kann. In Landschaftsaufnahmen sind plötzlich deutlich sichtbare Abstufungen in den Grüntönen sichtbar, was wiederum dem Detailreichtum des Bildes entgegenkommt. Unbunte Looks sind nicht selten Ausdruck der Resignation über falsche Farben …

Vergleich der beiden Farbgiganten: PhaseOne IQ4 150 gegenüber Sony A7r IV (transparent): Nach Zahlen und Dimensionen scheint der Farbraum der Sony grösser, als derjenige des IQ-Backs. Diese Darstellung ist etwas heikel, da jeder Profiler die Farbcharakterisierung einer Kamera unterschiedlich darstellt. Andererseits ist in der Aufnahmepraxis der Farbraum der A7r IV effektiv riesig, und die Entwicklung geht noch weiter in diese Richtung.

 

 

Fazit

Das unpopuläre, aber nicht weniger wichtige Thema Color Management behandle ich gebührend relativ kurz. In Sachen Monitor ist in der Praxis schon viel erreicht. Beim Druckprozess gibt es Verbesserungspotential. Was mich aber vor allem erstaunt, ist, dass sich Kamerahersteller nicht oder nur wenig darum bemühen, bessere Kameraprofile in die bekannten RAW-Konverter zu bringen. Gute Profile können ganz eindeutig den Gesamteindruck verbessern, die Nuancen steigern und zudem mithelfen den Dynamikumfang der aktuellen Kameramodelle deutlich besser zu nutzen!

Text und Bilder: Markus Zuberfineartpix

Das Buch zum Thema

Das Buch «From Capture to Print: Printmaster» gibt einen umfassenden Ein- und Überblick über den Workflow von der Aufnahme bis zum Druck. Es dient als Nachschlagewerk und als Backup zum Workshop FineArt-Print. Das Buch wurde kürzlich in der 5. Auflage aktualisiert und berücksichtigt die neuen Features von Capture One 20.
Erhältlich ist es bei www.fineartpix.ch zum Preis von CHF 70 zzgl. Porto.

 

Nächsten Freitagabend lesen Sie: «Arbeit im Fluss – der Workflow» – und was man idealerweise dazu braucht

Lesen Sie auch:
Folge 1 – «Die digitale (R)Evolution der letzten 20 Jahre»
Folge 2 – «Aufnahme Technik Bild» 
Folge 3 – «Glas klar»

 

 

Ein Kommentar zu “Bunt ist nicht alles”

  1. „Color Management besteht aus meiner Sicht zu 20 % aus Technik und 80 % aus Erfahrung.“ (M.Z.) – und dann lese ich einen Artikel, der gefühlt zu 100% Technik thematisiert. Oder gilt ein Satz wie: „Wer Drucker über nicht selber gemachte Farbprofile ansteuert, ist den mathematischen Modellen der Profilierungssoftware und den Einstellungen des Operators ausgesetzt.“ bereits als „Erfahrung“? Farbmanagement wirklich zu beherrschen ist einer der Konkurrenzvorteile, die Basis eines Unternehmens sein können. Daher vermute ich, dass diese Artikelreihe lediglich dem Marketing dienen soll. Nicht zuletzt deshalb weil ich die Kosten kenne, die ein optimales Color Management mit sich bringt. Und da ist die Erfahrung noch nicht mal geltend gemacht…

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