Urs Tillmanns, 14. November 2020, 11:55 Uhr

Buchtipp: «Vincenzo Vicari, Fotograf»

Vincenzo Vicari ist als Fotograf, vor allem in der Deutschschweiz, wenig bekannt. Er ist jedoch der wahrscheinlich bedeutendste fotografische Chronist des Tessins, der von 1930 bis 1987 das soziale Leben, das Brauchtum, Gewerbe und Industrie, die Geschehnisse und Aktualitäten des Alltags sowie die landschaftliche Besonderheiten des Tessins mit seiner Kamera dokumentiert hat. So sind mehr als 300’000 Negative und rund 8’000 Prints entstanden, die in seinem Nachlass von Damiano Robbiani, dem Herausgeber dieses Buches, im Staatsarchiv des Kanton Tessin in Lugano aufgearbeitet werden. Zudem ist zur Zeit eine Ausstellung über Vincenzo Vicari im Museo d’arte della Svizzera Italiana in Lugano noch bis 10. Januar 2021 zu sehen, die von diesem Buch als Katalog begleitet wird

Vincenzo Vicari (1911–2007) wuchs in einem Haus in Lugano auf, in welchem zu seiner Jugendzeit die vier Fotografen Alois G. Grill, die Brüder Arnaboldi, die Fausto Bernasconi sowie Otto Albeck und Herbert Rüedi nacheinander ihren Beruf ausübten. Die Fotografie begleitete ihn somit täglich, und so war auch sein Berufsweg als Fotograf fast vorgegeben, mit seiner Lehrzeit in Interlaken und Zürich (1936) und mit dem Abschluss der Meisterprüfung an der ETH Zürich (1939). Im Aktivdienst war er als Fotograf und Feldweibel der Luftwaffenkompanie 10 zugeteilt, dem so genannten Tessiner Geschwader, was ihm erlaubte erste Luftaufnahmen von Lugano und zahlreiche Dokumentarfilme zu realisieren. Von 1945 bis 1962 war er Lehrer an der Schule für Fotografen in Trevano, betrieb nach 1954 sein Studio in seinem Jugendhaus und eröffnete 1958 ein zweites Studio sowie 1978 ein Foto- und Optikgeschäft im Zentrum von Lugano. 1987 stellte Vicari die fotografische Tätigkeit offiziell ein und verstarb 2007 im Alter von 95 Jahren in Viganello.

Mit der Ausstellung und dem dazugehörenden Buch ist das fotografische Schaffen von Vincenzo Vicari nur ansatzweise dokumentiert, da sein fotografischer Nachlass um ein Vielfaches reicher ist. Dennoch vermittelt das Buch einen repräsentativen Eindruck dessen, wie sich der Alltag dieses bedeutenden fotografischen Chronisten gestaltete. Da galt es einerseits die Aktualitäten und das Gesellschaftsleben zu dokumentieren, den Aufträgen von Gewerbe und Industrie nachzukommen, Porträts, Reportagen und Gruppenaufnahmen zu machen und wenn Zeit blieb, die landschaftlichen Schönheiten seines Heimatkantons sowie das dazugehörende Brauchtum zum fotografischen Thema zu machen. So ist eine fotografische Chronik entstanden, welche nicht nur den Wandel des Tessins dokumentiert, sondern uns mit einmaligen Bildern aus einer Vergangenheit beschenkt, die zu Geschichte und Geschichten geworden ist.

Das Buch und die Ausstellung rücken einen wenig bekannten Fotografen ins verdiente Rampenlicht. Vor allem mit der deutschen Ausgabe des Buches, neben der italienischen, die in der Edizione Casagrande erschienen ist, dürfte Vincenzo Vicari posthum mehr Bekanntheit gewinnen für ein Lebenswerk, das höchst verdienstvoll den Wandel des Kantons Tessin dokumentiert hat.

Für wen ist dieses Buch? Nicht nur für Tessin-Liebhaber, sondern auch für Freunde der Zeitgeschichte und der Fotohistorie. Es bringt uns die soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Tessins mit einmaligem Bildmaterial näher und zeigt uns einen Ausschnitt aus dem Lebenswerk eines bedeutenden und fast schon vergessenen Fotografen: Vincenzo Vicari

Urs Tillmanns

 

Buchbeschreibung des Verlages

Der Fotograf Vincenzo Vicari (1911–2007) war einer der vielfältigsten Chronisten des Tessins. Ob als Studio- oder Reportagefotograf, mit seinen Luftaufnahmen oder Industriebildern – Vicaris Œuvre, das im Stadtarchiv in Lugano aufbewahrt wird, bildet ein ausserordentliches visuelles Gedächtnis dieses südlichen, italienischsprachigen Kantons der Schweiz.

Das Buch unternimmt eine Reise durch Vicaris Bildwelt und erzählt die Geschichten, nicht nur Luganos, sondern des gesamten Tessins, die sich aus seinen Fotografien erschliessen. Rund 190 seiner Bilder, bisher unveröffentlicht oder wenig bekannt, illustrieren das von 1930 bis 1990 dauernde Schaffen Vicaris und damit die Entwicklung des Kantons und seiner Bewohner im vorigen Jahrhundert. Textbeiträge von Damiano Robbiani, Gianmarco Talamona, Antonio Mariotti und Nelly Valsangiacomo verorten Vicaris fotografisches Werk im Kontext seiner Zeit.

 

Der Inhalt

Der Fotograf und sein Archiv
von Damiano Robbiani

Chronologie

Fotografien 1930-1991

1930-1939

1940-1949

1950-1959

1960-1969

1970-1991

Porträt/Selbstporträt
von Gianmarco Talamona

Der Fotograf überall. Die «kantonalen» Bücher von Vincenzo Vicari
von Antonio Mariotti

Hinter der Filmkamera
von Nelly Valsangiacomo

 

Die Autoren

Herausgeber Damiano Robbiani ist diplomierter Archivar und wissenschaft!icher Mitarbeiter des Archivio storico della Città di Lugano und Vorstandsmitglied des Museo del Malcantone. Er promovierte an der Universität Freiburg (Schweiz) in mittelalterlicher Geschichte und erwarb2011 einen MAS in Denkmalpflege.

Gianmarco Talamona studierte Geisteswissenschaft mit Schwerpunkt Geschichte und ist seit 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Archivio di Stato hauptsachlich für die Betreuung der Archive der kantonalen Verwaltung, der zeitgenössischen Bestände und der Erschliessung historischer Fotodokumente zuständig.

Antonio Mariotti war nach seinem Lizentiat in Geisteswissenschaften an der Universitat Lausanne im Bereich Film und Fernsehen Regisseur und Drehbuchautor. Er arbeitet für die Kulturseiten des Corriere del Ticino und ist Vorsitzender der Fondazione Archivio Fotografico Roberto Donetta in Corzoneso sowie Mitglied des Verbandes der Schweizer Filmkritiker.

Nelly Valsangiacomo ist ordentliche Professorin für Zeitgeschichte an der Universität Lausanne. Sie beschäftigt sich hauptsachlich mit der Sozial- und Kulturgeschichte der Schweiz, wobei ihr besonderes Interesse den Ton- und audiovisuellen Quellen gilt.

Alberto Bianda arbeitete nach seiner Ausbildung als Grafiker am CSIA in Mailand und war danach Art director der Galleria Gottardo in Lugano. 2001 gründete er das Studio Theredbox für communication design und betreute zahlreiche Ausstellungen und Buchprojekte in der Schweiz und im Ausland. Seit 1996 unterrichtet er an der CSIA und an der SUPSI.

Weitere Informationen zu Vincenzo Vicari finden Sie unter www.vincenzovicari.ch

 

Bibliografie

Damiano Robbiani «Vincenzo Vicari Fotograf – Das Tessin im Wandel der Zeit»

352 Seiten, gebunden, Softcover
Format 17 x 24 cm, 34 farbige und 273 sw Abbildungen
Herausgegeben von Damiano Robbiani
mit Texten von Damiano Robbiani, Gianmarco Talamona, Antonio Mariotti, Nella Valsangiacomo
Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich
Italienische Ausgabe Edizioni Casagrande, Bellinzona
Preis: CHF 44.00 | EUR 44.00

Das Buch ist im Buchhandel erhältlich, beim Verlag bestellbar und kann hier im Ausland geordert werden.

 

 

Werbung

Ein Kommentar zu “Buchtipp: «Vincenzo Vicari, Fotograf»”

Schreibe einen Kommentar

  • Kommentare werden erst nach Sichtung durch die Redaktion publiziert
  • Beachten Sie unsere Kriterien für Kommentare im Impressum
  • Nutzen Sie für Liefer- und Kontaktnachweise die Angaben im entsprechenden Artikel
  • Für Reparaturanfragen und Support bei Problemen wenden Sie sich bitte direkt an den Hersteller (siehe dessen Website) oder Ihren Händler
  • Beachten Sie, dass Fotointern.ch eine reine und unabhängige Informationsseite ist und keine Waren verkauft oder vermittelt
  • Ein Kommentar darf maximal 800 Zeichen enthalten.

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Noch 800 Zeichen

Werbung
Werbung

Abonnieren Sie jetzt Fotointern per E-Mail direkt in Ihr Postfach und verpassen Sie keine Beiträge mehr. Wir nutzen MailChimp für den Versand. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Ihr Browser ist veraltet!

Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser, um diese Website korrekt dazustellen.Den Browser jetzt aktualisieren

×