Urs Tillmanns, 14. Mai 2021, 16:00 Uhr

Dennis Savini 9. Folge: Was kostet meine Leistung?

Die Frage, was eine fotografische Leistung kosten darf und wie man dabei die Unkosten einschätzen soll, steht bei jedem Auftrag im Vordergrund. Welche Ansätze etwa gelten, und wie man bei der Berechnung vorgeht, steht in diesem Artikel.

 

Ein originelles Beispiel für eine surreale Traumwelt im Studio haben Noemie Bräm und Nora Ermatinger mit ihrer Serie «Candy Shooting» realisiert

Ein üblicher Berechnungsweg für die Einschätzung der Unkosten ist der Weg über eine Tagespauschale. Um eine Tagespauschale zu berechnen, sind einige Abklärungen notwendig. Unter anderem müssen Sie Ihren Unkosten realistisch ins Auge blicken, eine Einschätzung Ihres möglichen Auftragsvolumens vornehmen und Ihren Wunschverdienst formulieren.

Da Fotografen in der Regel nicht nur hinter der Kamera aktiv sind, müssen Sie auch die unproduktive Zeit realistisch in Betracht ziehen. Je nach Kunde und der Art von Auftrag kann die Zeit der Vor- und Nachbereitung sogar umfangreicher sein als das eigentliche Foto-Shooting. In der Werbefotografie gehen wir von einem Verhältnis von 1:2 aus, das heisst, auf einen Shooting-Tag fallen im Schnitt zwei unproduktive Tage an, sei es zur Vor- oder Nachbereitung eines Jobs.

 

Oft werden von freien Fotografen auch Bilder als Illustrationen zu einem bestimmten Thema verlangt, hier zum Beispiel «Summer in the City», welche die Sommerlust der Zürcher Bevölkerung zum Ausdruck bringt (Foto: Dennis Savini)

Wie sieht also eine Arbeitswoche aus? Wie viele Jobs können Sie pro Woche umsetzen? Und wie viel Zeit brauchen Sie für Büroangelegenheiten, Jobvorbereitung und die Bildbearbeitung? Realistisch sind ein bis zwei Tage hinter der Kamera pro Woche, zwei Tage für die Jobvorbereitung, Bildbearbeitung und Finish. Den fünften Wochentag werden Sie für Kundenkontakte, Buchhaltung und allgemeinem Büroarbeiten einsetzen.

Wenn Sie als Pressefotograf tätig sind oder Porträts fotografieren, haben Sie vielleicht weniger Vor- und Nachbereitungszeit, dafür mehr Aufnahmetage, was sich dann auf Ihre Tagespauschale auswirkt.

 

Die Berechnung der Tagespauschale

Eine genaue Berechnung zu erstellen ist sehr aufwendig und braucht viel Zeit. Es lohnt sich jedoch sehr, die tatsächlichen Kosten einmal genauer zu betrachten.

Nehmen wir zuerst an, Sie stehen noch am Anfang und fotografieren im Nebenverdienst, haben also noch kein eigenes Studio zu finanzieren. Im Wesentlichen geht es in diesem Fall um ein paar wenige spezifische Fragestellungen:

• Was kostet mich mein Equipment eigentlich pro Jahr?
• Was kostet mich mein Computer pro Monat?
• Was kostet mich mein Büro, Miete, Fahrzeug pro Monat?
• Mit wie vielen Aufnahmetagen pro Jahr kann ich rechnen?
• Was lässt sich mit der Postproduktion verdienen?

Hier eine Beispielberechnung bei Fotografie im Nebenverdienst:

Ihre Fixkosten nur für das Kamera-Equipment betragen also 500 Euro im Monat. Unter der Annahme, dass Sie sechs Aufnahmetage pro Monat verrechnen können, kostet Sie obiges Beispiel-Equipment 85 Euro pro Aufnahmetag. Die Kostenwahrheit geht ins Auge – die Kosten sind überraschend hoch, obwohl wir hier nur mit einem einfachen Starterkit gerechnet haben. Sie müssen sich bewusst sein, dass Sie Ihre Kameraausrüstung 85 Euro pro Arbeitstag kostet, auch wenn es nur ein Bewerbungsbild ist, das Sie vielleicht mit 120 Euro verrechnen und zwei Stunden Arbeit verursacht. Dazu kommt nun Ihre Lohnvorstellung, sodass schnell ein Stundenansatz von rund 80 Euro erreicht ist.

 

Ein Beispiel als selbstständiger Fotograf

Machen Sie sich selbstständig, werden Sie in der Regel nach einem Studio Ausschau halten und sich fest einrichten wollen. Ein Studio mit einem etwas umfassenderen Equipmentpark verschlingt bereits über 100.000 Euro Kapital für die Ausrüstung, die dann alle sechs bis acht Jahre erneuert oder ausgetauscht werden muss. Das bedeutet einen umgerechneten Unkostenanteil nur für die Fotoausrüstung von rund 240 Euro pro Aufnahmetag. Dazu kommen noch Miete, Mobiliar, Computer, Software, Versicherungen, Werbeaufwand, Buchhaltung, Fahrzeug, Telefon und Internet, Reparaturen und Rückstellungen, Repräsentationsspesen etc. hinzu. So sieht die ganze Rechnung noch einmal anders aus, wobei wir dann von acht Aufnahmetagen pro Monat ausgehen. Nach diesem Beispiel ergibt sich ein Stundenansatz von rund 225 Euro.

Die Aufstellung ist natürlich nur ein Beispiel. Die Kosten können stark abweichen, je nach den Rahmenbedingungen. Darum können Tagespauschalen von Fotografen unterschiedlich hoch sein. Aus diesem Grund kommen Sie nicht drum herum, sich hinzusetzen und eine realistische Einschätzung Ihrer eigenen Kostenwahrheit vorzunehmen. Vielleicht liegt diese anfänglich noch zwischen diesen beiden Beispielen.

 

Mieten statt kaufen

Die beiden exemplarischen Beispiele sprechen eine klare Sprache. Überlegen Sie sich, was Sie tatsächlich benötigen und jederzeit zur Verfügung haben wollen. Alles andere sollten Sie erst dann mieten, wenn Sie es benötigen. Oft können Sie gemietetes Material dem Kunden weiterverrechnen.

Das Gleiche gilt auch für das Studio! Wenn Sie es nicht jederzeit zur Verfügung haben müssen, sollten Sie sich Gedanken machen, ein solches bei Bedarf zu mieten. Nach meiner Berechnung lohnt sich ein eigenes Studio erst ab etwa fünf Studio-Shooting-Tagen pro Monat.

Eine andere Möglichkeit ist, sich mit Kollegen zusammenzutun und gemeinsam ein Studio zu betreiben, was die Unkosten stark senkt, aber einen gemeinsamen Kalender und Flexibilität in der Terminplanung voraussetzt.

Text-Copyright Dennis Savini

Lesen Sie auch:

Folge 1: «Fotografisches Sehen lernen» (19. März 2021)
Folge 2: «Den richtigen Moment erfassen» (26. März 2021)
Folge 3: «Den Blick fokussieren» (1. April 2021)
Folge 4: «Available Light-Fotografie» (9. April 2021)
Folge 5: «Mit Licht arbeiten» (16. April 2021)
Folge 6: «Still-Life – das fotografische Handwerk» (23.04.2021)
Folge 7: «Der Markt und ich» (30.05.2021)
Folge 8: «PR und Social Media» (07.05.2021)

 

Dieser Artikel von Dennis Savini, Leiter der cap fotoschule, ist eine Leseprobe aus dem Buch «Professionell fotografieren lernen», das 2019 im Verlag dpunkt erschienen ist. Das Buch kann im Buchhandel, direkt beim Verlag oder im Ausland hier bestellt werden. Lesen Sie dazu auch die Buchbesprechung auf Fotointern.ch.

216 Seiten, komplett in Farbe, Festeinband
April 2019, Format: 207 x 255 mm
dpunkt.verlag, Heidelberg
Buch ISBN 978-3-86490-504-9
Preise:
Buch CHF 46.90 / EUR 34,90
PDF: EUR 27,99 (ohne DRM) ISBN PDF: 978-3-96088-217-6
E-Book (PDF + ePub + Mobi) EUR 27,99 ohne DRM

Das Buch kann direkt beim Autor oder im Ausland hier bestellt werden.

Schreibe einen Kommentar

  • Kommentare werden erst nach Sichtung durch die Redaktion publiziert
  • Beachten Sie unsere Kriterien für Kommentare im Impressum
  • Nutzen Sie für Liefer- und Kontaktnachweise die Angaben im entsprechenden Artikel
  • Für Reparaturanfragen und Support bei Problemen wenden Sie sich bitte direkt an den Hersteller (siehe dessen Website) oder Ihren Händler
  • Beachten Sie, dass Fotointern.ch eine reine und unabhängige Informationsseite ist und keine Waren verkauft oder vermittelt
  • Ein Kommentar darf maximal 800 Zeichen enthalten.

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Noch 800 Zeichen

Werbung
Werbung

Abonnieren Sie jetzt Fotointern per E-Mail direkt in Ihr Postfach und verpassen Sie keine Beiträge mehr. Wir nutzen MailChimp für den Versand. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Ihr Browser ist veraltet!

Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser, um diese Website korrekt dazustellen.Den Browser jetzt aktualisieren

×