Urs Tillmanns, 31. Januar 2022, 16:00 Uhr

Photo Elysée erhält 100 David Douglas Duncan-Originale

Die 100 Originalfotografien von David Douglas Duncan, welche als einmalige Schenkung aus einer privaten Sammlung an das Photo Elysée gehen, sind zwischen 1956 und 1973 entstanden. Es handelt sich dabei um sehr persönliche Aufnahmen des berühmten US-amerikanischen Kriegsberichterstatters von Pablo Picasso, sowie um zwei Porträts von Pablo Picasso und David Douglas Duncan von Gjon Mili und ein Abzug von Judy Caravaglia.

 

Pablo Picasso (rechts) und David Douglas Duncan beim Fotografieren, 1959 © Gjon Mili, Succession Picasso 2022

Pablo Picasso ist der meistfotografierte Künstler seiner Zeit, insbesondere in der zweiten Hälfte seines Lebens, in der er sich eines internationalen Ruhms erfreute. Die einen sehen darin eine Verbundenheit von Weggefährten, die anderen ein absichtsvolles gemeinsames Vorgehen. Grosse Fotografen wie Man Ray, Brassaï, Lee Miller, Willy Ronis, Robert Doisneau, Robert Capa oder auch Henri Cartier-Bresson schufen eine Vielzahl von Porträts des Künstlers, wobei man seine Lebensgefährtin Dora Maar nicht vergessen darf, deren Abzüge die Entstehung von Guernica dokumentieren. In den 1950er Jahren begann Picasso mit einzelnen von ihm selbst ausgewählten Fotografen richtiggehend zusammenzuarbeiten: André Villers war für Fotoausschnitte und -collagen zuständig. Mit Gjon Mili experimentierte er im Dunkeln mit einer Taschenlampe, die Halos in den Raum zeichnete. Seine letzten Lebensjahre wiederum hielten René Burri, Edward Quinn und vor allem David Douglas Duncan für die Nachwelt fest.

Mit David Douglas Duncan entstanden weder ein filmisches Oeuvre noch eine spektakuläre Inszenierung, sondern schlicht Aufnahmen unter Freunden und Momentansichten schöpferischer Nähe. Duncan erklärte dies auf ganz eigene Art: «Weil ich weder Künstler noch Kunsthistoriker war… Ich war einfach ein Typ, den er gern mochte, ein Typ mit einem Fotoapparat. Schlicht und ergreifend. Wir waren einfach zwei Männer. Das muss man betonen, es war wichtig, dass ich kein Kunstfachmann war, denn genau das erwartete er von mir.» Der ehemalige Kriegsberichterstatter David Douglas Duncan wusste sich unterdessen unauffällig zu verhalten: «Wenn ich bei Picasso war, sprach ich nur sehr sehr wenig.» Er verwendete seine für ihn dedizierte Leica M3D mit besonders leisem Verschluss, um den Maestro nicht bei der Arbeit zu stören. Und jedes Bild wurde unter natürlichen Lichtverhältnissen aufgenommen. Die beiden verständigten sich fast ohne Worte. Duncan sprach kein Französisch und Picasso konnte kein Englisch. Ihre gemeinsame Sprache waren ein paar Brocken Spanisch.

 

Pablo Picasso in seinem Atelier, während er Tête bei der Ausführung betrachtet, Juli 1957, Villa La Californie, Cannes © David Douglas Duncan/Picasso Erbschaft 2022

Duncans Furchtlosigkeit beeindruckte den von Natur aus neugierigen Picasso. Er empfand grossen Respekt vor dem Mut des Amerikaners und staunte über dessen zahllose Reisen. Duncan war als Draufgänger rund um die Welt unterwegs, kam aber immer wieder zurück, um seinen Freund zu besuchen. Der unersättliche Picasso, Weltstar des kulturellen Lebens, ging kaum aus, da er sich aufgrund seiner zu grossen Bekanntheit abschirmen musste. Für Picasso war Duncan mehr als ein Fotoreporter. Als echter Globetrotter erwies er sich ihm in vielerlei Hinsicht nützlich. In seinen Briefen und bei seinen Besuchen berichtete Duncan dem Maler stets von den jüngsten internationalen Ereignissen.

Niemand weiss, warum Picasso Duncan den Spitznamen «Ismaël», also «Gott hat mich gehört» gegeben hatte. Vermutlich sah der Maler den Fotografen als Geschenk des Himmels, weil er das Gedenken an den um seinen Nachruhm besorgten Künstler für immer lebendig zu erhalten vermochte. «In der Malerei geht es nicht darum, zu suchen. Es kommt allein darauf an, zu finden», verriet Picasso 1923 der Zeitschrift The Arts. Tatyana Franck, die Direktorin von Photo Elysée, führt diesen Gedanken weiter: «Und wenn Duncan das Geheimnis Picasso gefunden und entschlüsselt hätte?»

 

Pablo Picasso posiert mit Duncan im 3. Stock, während dieser Die Picassos von Picasso fotografiert, September 1960, Villa La Californie, Cannes © David Douglas Duncan/Picasso Erbschaft 2022

«Im Anschluss an die Schenkung von Alice Pauli, mit drei Fotografien von Henri Cartier-Bresson und Martine Franck, die Alberto Giacometti, Balthus sowie Arpad Szenes und Maria Helena Vieira da Silva zeigen, ist diese Schenkung aus verschiedenen Gründen ein wirklich aussergewöhnliches Ereignis für Photo Elysée», betont Tatyana Franck, «denn sie versetzt uns in die Lage, unsere Bestände zum fotografischen Werk des Autors von ‚This is War!‘ zu erweitern, einem Buch, das in den 1950er Jahren für Aufsehen sorgte. Die Sammlung wird so durch ein bemerkenswertes Konvolut ergänzt, das den gesamten Schaffensprozess des wichtigsten Künstlers des 20. Jahrhunderts abbildet. Dadurch können wir zudem unsere Verbindungen zu den anderen Einrichtungen von Plateforme10 und speziell zum MCBA vertiefen.»

Der 1916 in Kansas City (USA) geborene und 2018 gestorbene David Douglas Duncan legte einen Abschluss in Zoologie und Spanisch an der Universität Miami ab. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er als Bildberichterstatter an die Fronten im Südpazifik geschickt und von zahlreichen Zeitschriften, unter anderem dem National Geographic mit Exklusivreportagen, beauftragt. Nach dem Krieg setzte er seine Karriere als Fotojournalist fort und arbeitete mit dem prestigeträchtigen Life-Magazin, für das er herausragende historische Augenblicke mit seiner Kamera verewigte. Als erstem Fotografen widmete ihm das Whitney Museum of American Art in New York 1971 eine Einzelausstellung.

Weitere Informationen zum Photo Elysée in Lausanne finden Sie hier.

Text Musée Elysée / Tm

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«Das neue Museum «Photo Elysée» in Lausanne – und wie es werden wird», Fotointern 08.11.2021

 

 

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