Gastautor/-in, 3. Februar 2023, 16:00 Uhr

Auf den Spuren des «heiligen Waldkaffees» in Äthiopien (2)

Kaffeeröster Patrik Hosennen und Fotograf Christian H. Hildebrand sind in Äthiopien unterwegs, um den Geheimnissen des «heiligen Waldkaffees» auf den Grund zu gehen. Nach dem «sympathischen Chaos» in Addis Abeba geht es jetzt weiter, um in Dire Dawa dem Sortieren der Kaffeebohnen beizuwohnen.

Bei der Suche nach hochstehendem Spezialitätenkaffee kommt man in Äthiopien nicht um den sonnengetrockneten (Natural Process) Harrar-Kaffee herum. Er wird im eher trockenen und kargen Osten Äthiopiens auf Terassengärten bis auf 2200 Meter über Meer Kaffee kultiviert. Berühmt für seine typischen Mokka Aromen – fruchtig, floral mit süsser Würze – bevorzugen ihn vor allem saudiarabische Kaffeegeniesser, welche zu enormen Preisen den grössten Teil der Ernte aufkaufen. So geht der Löwenanteil der jährlichen Ernte seit jeher auf traditionellen Händlerruten nach Osten. Dazu waren früher noch Kamelkarawanen in Richtung Hafenstadt Djibouti unterwegs. Heute wird der Kaffee mit dem Zug mit der historisch berühmten Bahn «Chemin de Fer Djibouto-Éthiopien» vom östlichen Verkehrsknotenpunkt Dire Dawa in die am Golf von Aden an der südlich der Meerenge des Bab al-Mandab liegenden Hafenstadt gefahren.

 

Eine Kamelherde auf der Landstrasse. Für uns eine Attraktion – hier ganz normal 

Die Bahnstrecke Dschibuti–Addis Abeba entstand mit der Gründung der «Compagnie Impériale d’Éthiopie» mit französischer Konzession am 9. März 1894, nach einer Ermächtigung durch Kaiser Menelik. Sie wurde 1917 auf eine Länge von 784 Kilometer ausgebaut und ist auch heute noch einer der wichtigsten Transportwege im Land.

In Dire Dawa, auf dem Weg nach Harrar, machen wir Halt bei einem Lagerhaus, das zwar nicht sehr einladend aussieht, aber für den Kaffeehandel und Patrik Hosennen sehr wichtig ist. Hier wird der von den Kaffeebauern angelieferte Rohkaffee von fleissigen Händen nach Qualitätskriterien aussortiert.

 

In diesem Lagerhaus wird der Rohkaffee von Frauen manuell sortiert. Was nach monotoner und anstrengender Arbeit aussieht, ist für diese Leute eine sichere Einkommensquelle

 

Es herrscht heute noch nicht viel Betrieb. Erst wenig frischer Kaffee der laufenden Ernte ist bisher eingetroffen.  Und es kommt auch nicht mehr so viel. Von Hussein, dem Inhaber der Verarbeitungsfirma, erfahren wir dazu, dass Jahr für Jahr immer weniger Harrar Kaffee ankommt. Ein Grund dafür liegt in der Verbreitung von Khat, einer Pflanze, die Cathin enthält und vor allem im Nahen Osten und in Ostafrika stark verbreitet ist. Cathin erlebt wegen seiner stimulierenden Wirkung eine stark wachsende Nachfrage. In Folge dessen sind die Preise laufend gestiegen, so dass in Äthiopien ganze Landstriche mit Kaffeebäumen für dieser Pflanze umgepflügt wurden. Um den guten Ruf des hoch geschätzten Harrar-Kaffees zu pflegen, werden die fehlerhaften Bohnen sorgfältig von Hand aussortiert. Diese anspruchsvolle Arbeit erfordert hohe Konzentration, Geduld und gleichzeitig flinke Finger. Es ist deshalb keine Überraschung, dass – wie überall in den Kaffeeursprungsländern – diese eher monotone Arbeit auch hier ausschliesslich von Frauen bewerkstelligt wird.

 

Dabei staunen wir nicht nur über das manuelle Geschick dieser Frauen, sondern auch über die ruhige und anmutende Atmosphäre, in welcher diese Arbeit verrichtet wird. Hussein erklärt uns zu diesem Umstand, dass die Arbeiterinnen keinem Zeitdruck unterworfen sind. Sie werden nach erledigtem Sack bezahlt, wobei es bis zu zwei Tagen dauern kann, bis ein 60-kg Sack mit aussortierten Bohnen höchster Qualität zum Abholen bereitsteht.

 

Vor einigen zu sortierenden Säcken auf dem Boden der Lagerhalle sitzt zur Zeit gerade niemand. Suchend landet Christians Blick ganz hinten in der Halle, wo einige Frauen auf dem Teppich kniend Richtung Osten gerade ihr Gebet verrichten. Wahrlich ein friedlicher Arbeitsort.

 

Zwischendurch ist eine Pause fällig, in der Hussein genüsslich den frisch gerösteten Kaffee trinkt

 

Patrik wirft einen ersten Blick auf die Qualität der Kaffeebohnen. Er wird später entscheiden, ob er sie in die Schweiz importieren will.

 

Hussein entnimmt mit dem Musterstab eine Kostprobe des Kaffees …

Hussein entnimmt mit dem Musterstab von einem Jutensack ein Rohkaffeemuster. Dazu sticht er mit dem spitzen Stab in den Sack und verschliesst das entstandene Loch umgehend wieder mit der Spitze so routiniert, dass man nicht mehr sieht wo es war.

 

… und übergibt Patrik ein Muster des aussortierten Kaffees

Stolz übergibt uns Hussein das Muster mit auf den Weg. Später werden wir es in Addis Abeba im Labor rösten und verkosten, um zu entscheiden, ob Patrik von der aktuellen Ernte den Kaffee für seine Produktion in Gersau einkaufen wird. Solche Cupping Sessions sind immer sehr spannend und lehrreich.

In unserem nächsten Live-Bericht verfolgen wir die Reise in die Provinzhauptstadt Harrar, die alte Handelsstadt für Kaffee, Bananen und Kath, in der heute rund 130’000 Einwohner leben. Hier kommt der Fotograf Christian H. Hildebrand ebenso auf seine (Motiv-)Rechnung, wie der Kaffee-Experte Patrik Hosennen, der bei einigen Kostproben auf dem Strassenmarkt nicht widerstehen kann.

Lesen Sie auch:
in der 1. Folge, wie es zu dem Projekt kam und was die beiden in Addis Abeba erlebten

Fotos: Christian H. Hildebrand
Text: Patrik Hosennen

Die Personen

Christian Herbert Hildebrand lebt und arbeitet als Berufsfotograf zusammen mit der Porträtistin Zaboo in Allenwinden bei Zug. Der Schwerpunkt Ihrer Firma fotozug.ch liegt in den Bereichen Event, Porträt, Firmenporträt, Image, CI und Architektur aus. Auch A-La-Carte Events mit gemischten Aktionen und Performances Foto/Malerei und Teilnehmer-Animation gestalten sie für ihre Kundschaft. Christian H. Hildebrand ist ausserdem für die lokale und internationale Presse tätig, wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet und ist Mitglied der Colour Art Photo International. Mehr Infos auf www.fotozug.ch

Patrik Hosennen ist Firmengründer und Inhaber der gleichnamigen Kaffeerösterei in Gersau, Mitglied der SCA (Specialty Coffee Association) und seit 2016 zertifizierter Q Grader. In seiner Spezialitätenrösterei hat er seit Beginn mit der Cropster Röstsoftware auf modernste Rösttechnologie gesetzt und verknüpfen das traditionelle Kunsthandwerk der Trommelröstung mit innovativer Online-Röstsoftware. Sein Sortiment besteht aus verschiedenen Kaffeespezialitäten, darunter zwei Mischungen mit Bohnen aus Äthiopien. Mehr Infos auf www.hosennen-kaffee.ch

 

 

 

 

 

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