Urs Tillmanns, 26. Februar 2023, 10:00 Uhr

Mit der Fujifilm GFX100s im Kaffeeland Äthiopien unterwegs

In den letzten Wochen haben uns der Kaffeeexperte Patrik Hosennen und der Fotograf Christian Herbert Hildebrand immer wieder mit interessanten Berichten aus Äthiopien überrascht. Ergänzend dazu möchten wir etwas mehr über Christians Fotoausrüstung erfahren. Hier ein Interview dazu.

Äthiopien ist (noch) kein Touristikland. Einerseits gibt es nach wie vor innere Unruhen, und das Land ist touristisch nicht so erschlossen, wie man sich dies von anderen afrikanischen Ländern gewohnt ist. Zudem braucht es für die Verständigung meist einen Begleiter, da der Grossteil der Bevölkerung nur Aramäisch spricht. Dies war auf der Reise des Kaffeeexperten Patrik Hosennen und des Fotografen Christian Herbert Hildebrand der Fall, denn in erster Linie ging es um einen fotografischen Auftrag, die Herkunft spezieller Kaffeesorten zu dokumentieren. So wurden den beiden vielerorts Türen geöffnet, die sonst für Auswärtige verschlossen bleiben. Das hat auch den Berichten, die in Fotointern erschienen sind, die passende Würze gegeben – verbunden mit der Absicht, möglichst viel Spannendes über die Herkunft des Kaffees zu erzählen. Welche Kameras und Objektive er benutzt und wie er sich in Äthiopien verhalten hatte, wollten wir von Christian Herbert Hildebrand wissen.

 

Welche Kameraausrüstung hattest Du dabei und welche Kamera hattest Du vorwiegend für welche Aufnahmesituationen eingesetzt?

Meine Ausrüstung war eine Fujifilm GFX100s mit dem 45mm und 80mm Objektiv, sowie die Fujifilm X-Pro3 mit 23mm und 56mm Objektiv und die analoge Leica M7 mit dem Summilux 35mm. Die meisten Aufnahmen hatte ich mit der GFX100s gemacht. Die X-Pro3 war mehr oder weniger meine Taschenkamera, und mit der Leica M7 habe ich zwischendurch auf Film fotografiert, weil mich die analoge Fotografie wieder vermehrt interessiert.

Eine Strassenverkäuferin bietet ihre Früchte an, was mit der fein nuancierten Farbwiedergabe wirkungsvoll zur Geltung kommt

 

Welche Objektive hattest Du dabei und welches hattest Du am meisten gebraucht?

Am meisten benutzte ich das 45mm, welches bei Kleinbild etwa 35mm entspricht, also die klassische Reportagen-Brennweite. Sie ist eigentlich meine Lieblingsbrennweite, weil sie etwa dem menschlichen Blickwinkel entspricht und die Möglichkeit bietet, stark ins Geschehen einzutauchen. Das gibt sehr realistische und natürliche Perspektiven.

Ein Taxi wartet auf Kundschaft. Das Bild wirkt durch die Reduktion auf das Wesentliche, seinen hohen Farbkontrast und die perfekte Schattendurchzeichnung

 

Was hat Dir an der Fujifilm GFX 100s besonders gefallen und was könnte besser sein?

Die GFX100s ist ein Wolf im Schafspelz. Sie ist klein, extrem handlich, schnell, und das Rauschverhalten ist für eine 100MP Kamera schlicht fantastisch.

Die Menüführung dürfte etwas intuitiver sein. Einmal auf die persönlichen Bedürfnisse konfiguriert, kann man sie sehr gut einhändig bedienen. Der Blendenring an den Objektiven schätze ich sehr, ich bin mit diesem System aufgewachsen und liebe diese logische Art der Blendenwahl.

Es gibt jedoch einen Negativpunkt, den man kennen muss: Der elektronische Verschluss erzeugt einen stark sichtbaren Rolling-Shutter Effekt. Deshalb empfehle ich, wenn nicht unbedingt erforderlich, den mechanischen Verschluss zu verwenden.

Viele Leute wohnen in einfachen Strohhäusern. Dieses habe ich im Vorbeifahren mit 1/500 Sekunde aufgenommen, was die Reportage-Tauglichkeit der GFX100s beweist

 

Wie empfindest Du das Handling und die Menüstruktur der GFX 100s?

Wie schon erwähnt, dürfte die Menüstruktur etwas intuitiver sein. Das liegt in erster Linie an der Gestaltung und nicht an den Möglichkeiten, denn diese sind fast uferlos. Das Handling der Kamera ist top. Sie liegt sehr gut in der Hand, die Bedienelemente sind sehr gut zu erreichen und man ermüdet nie, auch bei Dauereinsatz.

Das Kontrastprogramm dazu: Dieses prachtvolle Haus liess sich ein französischer Maler in Harar im 18. Jahrhundert erbauen. Mit dem enormen Dynamikumfang des Sensors der GFX100s kommt jedes Detail zur Geltung

 

Wie bewertest Du den Autofokus der GFX 100s?

Der Autofokus ist sehr schnell und treffsicher. Dies fiel mir insbesondere auch bei Situationen mit wenig Licht auf, und solche gab es viele in Äthiopien – besonders in den Kaffeelagerhäusern und bei Einheimischen, wo wir zu Gast waren. Ich arbeite praktisch immer mit vorhandenem Licht, und da schätze ich einen effizienten Autofokus sehr.

Mit dem effizienten Autofokus der GFX100s und wenig Schärfentiefe bei Blende 2.8 hebt sich die Person wirkungsvoll vom Hintergrund ab

 

Wie viele Aufnahmen hast Du in den 14 Tagen in Äthiopien gemacht?

Keine Ahnung, da müsste ich zuerst nachzählen. Ich habe ausschliesslich im RAW-Format gearbeitet und bisher nur jene Bilder entwickelt, die ich für die Artikelreihe benötigte. Aber es sind wahrscheinlich ein paar tausend.

Irgendwo unterwegs: Ein Bauernhof in gleissendem Sonnenlicht. Und dennoch sind die Schatten perfekt durchzeichnet.

 

Welche Motive waren besonders kritisch und verlangten eine stärkere Nachbearbeitung?

Kritische Motive waren vor allem schnellere Bewegungen. Das war zu erwarten, ist doch die Kamera kein Sportfotografen-Bolide. Mit meiner grossen Erfahrung konnte ich diesen Umstand aber gut umschiffen. Keine der Aufnahmen bedurfte eine besondere Nachbearbeitung. Ich fotografierte ausschliesslich in RAW. Diese GFX100s RAWs überzeugen mit einem enormen Dynamikumfang. Wenn es also mal etwas zu hell oder zu dunkel war, pufferten dies die RAW-Dateien locker.

Beim Essen blitzartig Kamera gezückt und mit Blende 3.2 auf die typisch äthiopische Kaffeekanne fokussiert

 

Bist Du in diesem doch ärmlichen Land mit der Ausrüstung besonders aufgefallen? Was hast Du dagegen unternommen? Oder wie hast Du Dich verhalten?

Aufgefallen bin ich vor allem wegen meiner Hautfarbe. Ich sah während dieser zwei Wochen keinen einzigen hellhäutigen Menschen. Natürlich war ich auch der Einzige, der mit einer Kamera rumlief – sonst sieht man nur Leute mit Handys. Ich wusste bereits bei der Einreise, dass das Einführen von professionellem Fotomaterial bewilligungspflichtig ist. Am Zoll wird jede Ausrüstung begutachtet. Die GFX 100s, mit den zwei kleinen Objektiven, wirkt wie eine normale Touristenkamera – was sich als weiterer, grosser Pluspunkt herausstellte.  

Ein «feudales» Hotelzimmer – kein Photoshop Kitsch. Die Farbwiedergabe dieser Kamera überraschte mich immer wieder

 

Liessen sich die Leute gerne fotografieren oder hattest Du diesbezüglich Probleme?

In den allermeisten Fällen waren die Menschen erfreut und neugierig. Mir war es jedoch äusserst wichtig, dass ich immer zumindest ein zustimmendes Lächeln des Gegenübers erhielt. So wusste ich, dass das Fotografieren für sie okay war. Diejenigen, die nicht fotografiert werden wollten, signalisierten dies, was ich selbstverständlich respektierte. Dies ist der geringste Anstand.

Die meisten Leute liessen sich gerne fotografieren und signalisierten dies mit einem Lächeln. Das Bild, mit ISO 6400 fotografiert, zeigt kaum Detailverlust und einen beachtlichen Dynamikumfang

 

Falls Du wieder nach Äthiopien oder in ähnliche Länder gehen würdest, was würdest Du an der Ausrüstung weglassen oder zusätzlich mitnehmen?

Ab und zu hätte mir ein bisschen mehr Weitwinkel noch geholfen, gerade in engen Verhältnissen. Jedoch bedeutet dies bereits wieder mehr Volumen und Gewicht. Als Liebhaber von Festbrennweiten verzichtete ich deshalb auf ein Zoom. In den meisten Fällen hilft «Fusszoom», wie ich das nenne: den optimalen Standort suchen, und wenn man will, findet man ihn auch.

Bei diesem Porträt lief die GFX100s zur Hochform auf: ISO 6400 und nur wenig Licht in einer Kirche durch einen Netzvorhang

 

Was kannst Du unseren Leserinnen und Lesern an Tipps geben, falls sie in afrikanische Länder reisen?

Abklären, was man mitnehmen darf. So wenig wie möglich mitnehmen – und das Allerwichtigste: sich Zeit nehmen, beobachten, sich einfügen und sich vom sympathischen Lächeln der Afrikaner anstecken lassen. Und nicht zuletzt: Es gibt immer wieder Situationen, die sind so wunderschön, dass man sie einfach erleben sollte. Nicht unbedingt alles muss auf einer Speicherkarte oder auf dem Film landen.

Eines meiner Lieblings-Porträts. Die Augen dieser jungen Frau haben mich fasziniert, und das wenige Licht mit Blende 4 haben ihre Ausstrahlung voll ins Bild gesetzt

Fotos: Christian H. Hildebrand

Lesen Sie auch:
in der 1. Folge, wie es zu dem Projekt kam und was die beiden in Addis Abeba erlebten
in der 2. Folge, wie die Qualität der Kaffeebohnen aussortiert wird
in der 3. Folge, die Erlebnisse von Christian und Patrik auf ihrem Abstecher nach Harar 
in der 4. Folge erfuhren wir, wie der frische Kaffee gekostet wird – sogenanntes «Cupping»
in der 5. Folge erlebten Patrik und Christian wie der frisch gepflückte Kaffee verarbeitet wird
in der 6. Folge hatten sich Patrik und Christian kulturellen Interessen zugewandt
in der 7. Folge haben Patrik und Christian endlich die Insel des Zege-Kaffees erreicht
in der 8. Folge wohnten Patrik und Christian einer Verhandlung zwischen Kaffeebauern und ihren Abnehmern bei
in der 9. Folge besuchten Patrik und Christian das grösste Kaffee-Lagerhaus Afrikas
in der 10. Folge: weshalb Patrik und Christian vor ihrer Heimreise nochmals ins Gebirge von Yetebon wollten.

Die Personen

Christian Herbert Hildebrand lebt und arbeitet als Berufsfotograf zusammen mit der Porträtistin Zaboo in Allenwinden bei Zug. Der Schwerpunkt ihrer Firma fotozug.ch liegt in den Bereichen Event, Porträt, Firmenporträt, Image, CI und Architektur aus. Auch A-La-Carte Events mit gemischten Aktionen und Performances Foto/Malerei und Teilnehmer-Animation gestalten sie für ihre Kundschaft. Christian H. Hildebrand ist ausserdem für die lokale und internationale Presse tätig, wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet und ist Mitglied der Colour Art Photo International. Mehr Infos auf www.fotozug.ch

Patrik Hosennen ist Firmengründer und Inhaber der gleichnamigen Kaffeerösterei in Gersau, Mitglied der SCA (Specialty Coffee Association) und seit 2016 zertifizierter Q Grader. In seiner Spezialitätenrösterei hat er seit Beginn mit der Cropster Röstsoftware auf modernste Rösttechnologie gesetzt und verknüpfen das traditionelle Kunsthandwerk der Trommelröstung mit innovativer Online-Röstsoftware. Sein Sortiment besteht aus verschiedenen Kaffeespezialitäten, darunter zwei Mischungen mit Bohnen aus Äthiopien. Mehr Infos auf www.hosennen-kaffee.ch

3 Kommentare zu “Mit der Fujifilm GFX100s im Kaffeeland Äthiopien unterwegs”

  1. super serie und dieser abschlussbeitrag ist sehr aufschlussreich. besonders wenn man sich wie ich, zurzeit die frage nach einer neuen kamera stellt die doch etwas „professioneller“ ist als die bisherige. danke für die lehrreichen infos und empfehlungen!

  2. Sehr interessanter Artikel zu den Kameras und natürlich zum Fotografieren auf Reise. Dieses Zitat kann ich nur unterstützen:

    „Es gibt immer wieder Situationen, die sind so wunderschön, dass man sie einfach erleben sollte. Nicht unbedingt alles muss auf einer Speicherkarte oder auf dem Film landen.“

  3. Toller Reisebericht! Ich kann der Einschätzung zur GFX100s nur zustimmen. Meine Lieblingskamera für Landschaften und auch für Tiere. Auf meiner letzten Reise durch Costa Rica wurde ich vom Detailreichtum immer wieder aufs neue begeistert. So konnte man bei CloseUps bei Kolibris Milben am Schnabel oder bei Fledermäusen den Blütenstaub an den Beinen klar erkennen. Einzig eine grössere Brennweite würde ich mir wünschen.

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