Peter Maurers Landschaftsbilder haben alle einen tieferen Sinn. Sie decken auf, was Generationen verharmlost haben und klagen an, weil die Behörden die einstigen Abfallplätze und Deponien hochgiftiger Stoffe von Jahr zu Jahr dem natürlichen Zerfall überlassen. Maurer zeigt wo sie sind …
Im flüchtigen Blick sind es einfach nur Landschaftsbilder, die nicht sonderlich beeindrucken. Da und dort machen überwuchte Baumstämme und dichtes Gestrüpp einen grossen Bildteil aus, hin und wieder deuten Hügelstrukturen an, dass da irgendetwas nicht stimmt, oder gelegentlich sind es Objekte, die einfach nicht ins Landschaftsbild passen. Sie machen stutzig, die fremden Objekte, diese künstlichen Hügel, diese schwarzen Erden oder die überwucherten Stahlfässer, die sich allmählich als Rost auflösen und ihren undefinierbaren Inhalt preisgeben.
Die 72 Landschaftsbilder haben etwas Mystisches, Geheimnisvolles an sich. Man sieht ihnen nicht an, weshalb Peter Maurer ausgerechnet diese Orte fotografiert hat, und dass sich dort Objekte, Stoffe, Chemikalien befinden, die unsere Umwelt bedrohen und seit Jahrzehnten hätten beseitigt werden sollen. Meist sind es die Sünden früherer Generationen – von damals, als man noch gedankenlos allen Kehricht und Abfall der Natur einverleibte, ohne zu bedenken, dass die Natur alles wieder zurückgibt, sei es im Grundwasser, in der Luft oder als feste unabbaubare Materie. Dieses Bewusstsein ist erst später entstanden – zu spät in vielen Fällen. Und man hat sich beispielsweise zu der Erde um die Schiessstände keine Gedanken gemacht, die viele Meter tief mit Blei und anderen Schwermetallen verseucht ist. Solche Probleme hat man aus Kostenangst verniedlicht, verharmlost oder ganz einfach vergessen wollen …
Peter Maurer deckt sie nun auf. Er hat die 72 gröbsten von insgesamt etwa 38’000 (!) Schandflecken unseres Landes aufgesucht – von Muttenz bis Müstair, von Schaffhausen bis Locarno und von Kreuzligen bis Genf. Maurer hat allenorts die Gruben, Tobel und Riede fotografiert, wo unpassende Objekte die Natur verschandeln und die Umwelt seit Generationen belasten.
Peter Maurers Buch klagt an, ruft vergessene und vertuschte Orte in Erinnerung, will aufzeigen, wo Gravierendes verharmlost wurde, und wo Probleme seit Generationen umgegraben, bewusst überdeckt und überwuchert werden. Er hat die Bilder in der Dämmerung, die meisten sogar nachts realisiert, was die Landschaften in ein fahles Licht tüncht und ihnen so eine mystisch-dramatische Stimmung verpasst – eine Stimmung, welche die Bildaussage themenentsprechend verstärkt. «Die Nacht wird zum Tag» sagt Peter Maurer dazu «und macht Dinge sichtbar welche zuvor im Dunkeln lagen».
Peter Pfrunder sagt in seinem sehr lesenswerten Vorwort dazu: «Im Wissen, dass unsere Augen ohnehin nicht erkennen können, wie kritisch der Zustand des Bodens ist, hat [Peter Maurer] einen Ansatz gewählt, mit dem seine Landschaftsbilder auch zu Sinnbildern werden. Gerade in ihrer Rätselhaftigkeit und Ambivalenz sind sie Ausdruck tiefer Sorge und Betroffenheit – die Stimmung und die Perspektive sind wichtiger als das Dokument.»
Für wen ist dieses Buch? Es behandelt ein Thema, das uns alle betrifft, denn es sind nicht nur die rund 70 Müllstandorte, welche Pete Maurer dokumentiert hat, sondern es sind rund 38’000 solch unbeliebter und vergessener Plätze in der ganzen Schweiz. Gerade auch die Beschreibungen aller dokumentierter Standorte im Anhang des Buches, machen das Buch besonders interessant, ganz abgesehen von den eindrucksvollen Fotografien von Peter Maurer, die ein (welt-)weites Problem in eine gekonnte Bildsprache umsetzen.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
Peter Maurers Fotoarbeit Terra Deposita entfaltet unerwartete Perspektiven auf alltägliche Landschaften. Was zunächst harmlos, teilweise gar idyllisch und malerisch erscheint – Wiesen, verlassene Strassen und stille Orte –, verbirgt im Wortsinn tieferliegende Geschichten und ökologische Schäden von grosser Tragweite. Diese Bilder zeigen nicht einfach Augenblicke in der Natur, sondern bilden einen Spiegel menschlichen Handelns und seiner Folgen: das Deponieren schädlicher, teilweise hochgiftiger Abfälle in der Umwelt.
Maurer nutzt das Licht der Dämmerung oder gar die nächtliche Dunkelheit und ungewöhnliche Bildausschnitte, um gesellschaftliche und ökologische Themen ins Bewusstsein zu rücken; er hat eine eigenständige Sprache gefunden, um seiner eigenen Beunruhigung Ausdruck zu verleihen. Konsequent angewendet, verwandelt sich sein Inventar «belasteter Standorte» in ein Panorama der verlorenen Unschuld.
Dieses Buch zeigt 70 Aufnahmen aus Peter Maurers 2020–2022 entstandener Serie Terra Deposita, begleitet von einem Text des Kurators und Fotospezialisten Peter Pfrunder sowie Informationen zu den dokumentierten schadstoffbelasteten Orten.
Der Inhalt
Vorwort «Bonfol ist überall» von Peter Pfrunder
Einleitung «Belastetes Land im Zwielicht» von Peter Maurer
Büttenen, Riedern / Grundbach, Kirchberg / En Faraz, Villars-Ste-Croix / Im Maiwinkel, Bettswil / Bonfol / Molard Pareilliet, Trélex / Lehmhof, Dottikon / Fuchsenwinkel, Schiers / Büelen Weiher, Uhwiesen / Rosenzil, Effretikon / Combaneire, Collonges / Stadtmist, Solothurn / St-Joux, La Neuveville /
Rütenen, Dietlikon / Porte-du-Scex, Vouvry / Brauiweiher, Weisslingen / Neudorf, St. Gallen / Gummersloch, Köniz / Uttigen / Es Vursys, Villarepos / Sondermülldeponie, Kölliken / Elbisgraben, Liestal / Pizzante, Locarno / Mellikon /
Augsten, Hagenbuch / Rötelbachtobel, Hohentannen / Giessentobel, Ottikon / Schwändi, Attinghausen / Mellgenten, Kreuzlingen / Sittewald, Amden / Schluckhals, Spiez / Tüfentobel, Gaiserwald / Stuhlwäldli, Wangen / Sot Graveras, Müstair / Vallorca, Flims /
Brüch II, Davos / Hardwald, Weiningen / Bärengraben, Würenlingen / Almensberg, Amriswil / Wenggraben, Mettau / Engiwald, Schaffhausen / Rappetobel, Homburg / Römisloch, Neuwiller / Homberg, Kloten / Tête Plumée, Neuchâtel /
Au, Stein / Rietrüetiholz, Sternenberg / Randa / Grands Champs, Farvagny / En Vauvallien, Marsens / Schlauen, Oeschgen / Löhwald, Gettnau / La Pila, Hauterive / Unterrealta, Cazis / Rothausstrasse, Muttenz / Le Rosireux, Bassecourt /
Altbergried, Einsiedeln / Schiessanlage, Weisslingen / Chüelochtobel, Küssnacht am Rigi / Würzen, Wattwil / Sand, Oberwald / Grube Marchetto, Geroldswil / Cressier / Tschingeley, Grindelwald /
Losone / Cholwald, Ennetmoos / Rietberg, Winterthur / Waffenplatz Rappischtal, Urdorf / Kleinesseln, Cham / Rieden, Volketswil / Place des Fêtes, Yverdon-les-Bains / Gravière du Verney, Cartigny
Standorte (Beschreibung der)
Biografien, Danksagungen, Impressum
Biografien
Peter Maurer, geboren 1963 in Weisslingen, Kanton Zürich, ist freischaffender Fotograf und Dozent für Fotografie an der F+F Schule für Kunst und Mediendesign in Zürich. Seine Fotoarbeiten sind in diversen Sammlungen im In- und Ausland vertreten und erhielten zahlreiche Preise. Der erste Bildband «Appenzellerland – Gesichter vom Alpstein» erschien 1998 im Niggli Verlag. 2009 wurde «Faceland – Gesichter und ihre Landschaften» im gleichen Verlag publiziert. 2018 wurde die Arbeit «Traumland» (2015-2018) gezeigt. Auch hier wird der Mensch und seine Umwelt in den Mittelpunkt gestellt. 2025 erschien das Buch «Terra deposita – Belastetes Land im Zwielicht» im Verlag Scheidegger & Spiess.
Peter Pfrunder ist Publizist und Kurator. Von 1998 bis 2024 war er Direktor der Fotostiftung Schweiz (Zürich/Winterthur). Er hat zahlreiche Bücher zur Geschichte der Fotografie und zum zeitgenössischen Fotoschaffen publiziert.
Bibliografie
Peter Maurer «Terra Deposita – Belastetes Land im Zwielicht»
144 Seiten, 72 farbige Abbildungen, Fadenheftung, Hardcover, Format 27 x 24 cm, 2025
Texte: Peter Pfrunder, Peter Maurer
Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich
Preis: CHF 59.00 / EUR 59,00
ISBN 978-3-03942-269-2
Das Buch kann im Buchhandel erworben oder direkt beim Verlag geordert werden.