Urs Tillmanns, 11. Oktober 2025, 10:00 Uhr

Buchtipp: Sandro Livio Straube «Berge bleichen»

Sandro Livio Straube hat das «Tal des Lichtes» zu seinem fotografischen Langzeitprojekt erklärt. Auf unzähligen Wanderungen in das Val Lumnezia hat er sich auf bildwirksame Details abseits bekannter Pfade konzentriert. Seine aussergewöhnlichen Bilder strahlen die Ruhe aus, die für dieses Tal typisch ist.

Val Lumnezia ist ein sonniges, abgeschiedenes Seitental der Surselva – bekannt als «Tal des Lichtes» für seine abwechslungsreiche Natur- und Kulturlandschaft mit vielen Kraftorten. 13 Dörfer zählt das Tal, in denen heute noch rund 2000 Menschen leben. Zudem gibt es typischerweise 30 Kirchen und Kapellen. Aber das sind nicht die Motive, für die sich Sandro interessiert, auch nicht die Menschen, die hier leben. Er will hinaus in das Tal des Lichtes, um in dem rund 25 Kilometer langen Landstrich immer wieder neue Motive zu entdecken: unscheinbare Objekte, an denen die meisten vorbeigehen: Da ein Ast, welcher der Schneedecke trotzt und kontrastreich aus dem Weiss herausragt, dort ein halb zerfallener Heuschober, der typisch ist für das Bündnerland, dort ein junges Reh im Gegenlicht, das ebenso verdutzt war wie der Fotograf, dann eine zum Trocknen aufgehängte Gamsdecke oder ein alter Öltank, der die romantische Tallandschaft verunstaltet und auf seine Entsorgung wartet.

Was als fotografische Sammelleidenschaft begonnen hatte, wurde bald zum Dauerthema. Immer wieder hat sich der Architekt Zeit genommen, um in «sein» Tal zu ziehen, mit dem Postauto in die entlegenen Dörfer zu fahren, um sich in der motivreichen Umgebung auf Wanderschaft zu begeben. Das Tal des Lichtes hat ihn jedes Mal belohnt – belohnt nicht nur mit den besonderen Lichtstimmungen, die dem Tal den Namen gegeben haben, sondern mit Objekten, die geradezu auf den Fotografen gewartet hatten. Man muss sie halt nur sehen …

Darin liegt die Begabung von Sandro, das Entdecken und Beachten von Kleinigkeiten, die durch seinen Sucher zu spannenden Bildern werden. Zu Fotos, die – was anfangs gar nicht geplant war – jetzt zu einem speziellen Bildband über das Val Lumnezia geworden sind. Ein Bildband, der das Tal nicht als Touristikdestination präsentiert, der auch die schmucken Bündnerdörfer als «Motive für andere» bewusst auslässt und der keine Menschen zeigt, sondern Objekte, welche die Natur geschaffen hat oder solche, die die Menschen irgendwann zurückgelassen haben und die nun typisch geworden sind für das Val Lumnezia.

Sandros Bilder strahlen eine Ruhe aus, jene Ruhe, welche man in diesem Tal beim Wandern empfindet. Besonders im Winter, wenn die Schneedecke jegliches Geräusch absorbiert, wenn das Licht diffus durch die Nebeldecke bricht und das Motiv schattenlos beleuchtet. Das fahle Licht gehört in dieses Tal, tüncht alles in Schwarz und Weiss – und «bleicht die Berge».

Sandro ist alleine in dieser stillen Welt und konzentriert sich gänzlich darauf, das Objekt im besten Winkel stimmungsvoll ins Bild zu setzen. Ein weiteres Bild, das für das Val Lumnezia typisch ist, das eine Geschichte erzählt – seine Geschichte – oder das diese der Interpretation des Betrachtenden überlässt: Manchmal braucht es wenig um die Fantasie zu beflügeln. Das Buch ist voll von solchen Beispielen.

Für wen ist dieses Buch? Einmal für Fotobegeisterte, die sich mit einem exklusiven Bildbericht und eindrucksvollen Fotos zu einem Randthema befassen möchten. Nicht nur das Thema ist aussergewöhnlich, sondern auch die fotografische Umsetzung. Dann dürften auch Naturfreunde an dem Buch Interesse haben, welches ein wenig bekanntes Bündnertal in einem neuen Licht zeigt.

Urs Tillmanns

Buchbeschreibung des Verlages

Berge bleichen ist Fotografie und Lebensform zugleich. Unter dem Eindruck eines alles ausbleichenden Sonnenlichts in den Bergen schafft Sandro Livio Straube seit 2015 eine fortlaufende Bildserie, die von Entschleunigung und Entsättigung spricht. Auf diesem Übungsweg des Schauens, mit dem Blick durch die Kamera, findet eine Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit statt, mit der Verletzlichkeit aller Lebewesen, der Hinfälligkeit der von Menschen geschaffenen Umgebung. Die Schwarz-Weiß- und Farbaufnahmen aus dem Alpental Val Lumnezia zeugen von einer erfüllten Gegenwärtigkeit, die die Dinge in ihrer eigenen Schönheit sichtbar macht. Die drei Textbeiträge beleuchten verschiedene Aspekte dieser fotografischen Arbeit, wobei Passagen auf Rätoromanisch und Schweizerdeutsch auch etwas vom Lebensgefühl im Tal des Lichts vermitteln.

 

Der Inhalt

Titel

Sehen lernen im Tal des Lichtes – Judith Annaheim

Diffus – Melody Gygax

Deutsch, Englisch, Schweizerdeutsch, Rätoromanisch – Asa Hendry

Koordinaten

Über Sandro Livio Straube, Herausgeber; Autorinnen,
Impressum, Dank

 

Der Fotograf

Sandro Livio Straube, geboren 1992 in Zürich, ist ein Schweizer Architekt und Fotograf. Er fotografiert für verschiedene Architektinnen und Architekten und nimmt regelmässig an Architekturwettbewerben teil. Zudem ist er an Ausstellungen beteiligt, die über Modelle, Skulpturen, Zeichnungen und Fotografien einen künstlerischen Zugang zu Architektur eröffnen. In seiner Arbeit bewegt er sich mühelos zwischen verschiedenen Disziplinen und schafft fliessende Übergänge zwischen künstlerischer Fotografie und Baukunst. Neben Auftragsarbeiten verfolgt er freie fotografische Projekte – insbesondere die Langzeitserie Berge bleichen – und zeigt seine Arbeiten international in Galerien, Museen und Messen für Fotografie. Er lebt und arbeitet in Vella und Lumbrein, Graubünden.

 

Die Autorinnen

Judith Annaheim, *1970, ist freischaffende Texterin, Autorin und Gestalterin sowie Mitinhaberin der Agentur KunstAuftrieb. Sie verfasst vor allem Monografien zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler.

Melody Gygax, *1971, ist freischaffende Bildredaktorin und Kuratorin. Zudem war sie von 2018 bis 2023 Kulturbeauftragte von Magnum Schweiz. Weiter ist sie Dozentin und Prüfungsexpertin an Foto-, Design- und Kunstschulen.

Asa Hendry, *1999, arbeitet im Bereich Literatur, Theater und Performance. Sie ist in der Val Lumnezia aufgewachsen, hat in Bern Theaterwissenschaft und Genderstudies und in Giessen (DE) Angewandte Theaterwissenschaft studiert.

 

Bibliografie

Sandro Livio Straube «Berge bleichen»

180 Seiten mit 62 farbigen und 50 Schwarzweiss-Abbildungen, Fadenbindung, Hardcover in Leinen, Format 21,5 × 27,0 cm, Juli 2025
Texte von: Judith Annaheim, Melody Gygax, Asa Hendry
Herausgegeben von: KunstAuftrieb, Zürich
Sprachen: Deutsch und Englisch
Verlag Kerber, Berlin
Preis: CHF 54.90 / EUR 42,00
ISBN 978-3-7356-1060-7

 

Das Buch kann im Buchhandel geordert, beim Verlag direkt oder beim Autor (auf Wunsch mit persönlicher Widmung, inkl Versand Schweiz CHF 65.00) bestellt werden.

 

 

 

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