Gastautor/-in, 1. Januar 2017, 13:14 Uhr

2017 – Trends in Sicht?

Zum Jahresanfang steht natürlich die Frage in der Glaskugel, was es wohl bringen möge, dieses 2017. Welche neuen Kameras kommen wohl auf den Markt? Geht der Pixelrausch weiter? Setzen sich neue Kamerasysteme durch: Spiegellose? Mittelformat? Gar analoge? Wie entwickelt sich der Bildermarkt mit den Milliarden von Fotos, die zunehmend mit Handys geschossen werden?

 

Fotografische Aufnahmen sind ein täglicher Bestandteil unseres Lebens geworden. Sie transportieren Informationen und Emotionen in weit grösserem Umfang, als dies mit Text möglich wäre. «Ein Bild sagt mehr als tausend Worte», auf jeden Fall viel mehr, als dies in einer 140-Zeichen Textmeldung möglich wäre. Gleichzeitig leben wir mit dem Dilemma, dass Fotos falsch zugeordnet oder auch inszeniert werden. Gerade bei Bildern aus Kriegsgebieten wie Syrien wurden Bilder in einen anderen Zusammenhang gestellt. Zu analogen Zeiten war die Chance, derartige Manipulationen zu entdecken, sehr gering. Digital sind entsprechende Plausibilitätsanalysen leichter durchzuführen. Man muss sie nur machen. Früher konnte man sich auf den Namen und das Renommee eines Pressefotografen verlassen. Wer kennt heute noch den Namen eines aktuellen Pressefotografen und kann seinen Namen noch mit einem Gesicht verknüpfen?

 

Milliarden von Bildern werden heute mit dem Handy geschossen – für die meisten Leute ist dies der Inbegriss von Fotografie. Foto: Sony

Die Digitalisierung der Fotografie hat in den letzten Jahren zur Demokratisierung der fotografischen Aufnahme geführt. Praktisch jeder hat heute ab Kindesbeinen die Möglichkeit, seine Umwelt in eignen Bildern festzuhalten. Noch nie wurde so viel fotografiert wie heute. Und was wird fotografiert? Selfies vor allem. Ich und die Kuh auf der Alm. Ich und der neueste italienische Sportwagen. Bildgestaltung? Zufallstreffer. Kann man ja löschen, wenn es nichts geworden ist. Aber wer tut dies schon? Fotos wurden mit der Bilderflut zur anonymen Massenware, deren Kosten gegen Null gehen. Und mit den Kosten nähert sich auch der Wert dieser Bilder dem Nullpunkt. Aus fotografischen Aufnahmen werden austauschbare Illustrationen, Schmuckbilder. Die Zeiten, als Paris Match oder Stern einen Fotografen losschickten und dann eine zwölfseitige Bilderstrecke ins Heft gestellt haben, sind lange vorbei.

Nein, hier soll jetzt keinesfalls das Totenglöckchen für die Fotografie geläutet werden. Auch wenn sich verschiedenste Autoren auf negative Aussagen konzentrieren und sich an einer selbst geschaffenen Untergangsstimmung ergötzen wollen. Textbeiträge ohne illustrative Fotobeilage sind auch künftig praktisch unverkäuflich, auch wenn die Fotos vielfach nicht gesondert honoriert werden. Die Nachfrage nach aussagekräftigen Bildern wird noch für viele Jahre bestehen bleiben auch wenn der Bildautor mit seinen Aufnahmen kein Vermögen mehr verdienen kann. Die Tatsache, dass praktisch jeder ein Smartphone in der Tasche hat, das Bilder in Tageszeitungsqualität hat, sorgte für eine Entwertung der Bilder. Bei den Printmedien, die unter dem meist kostenlosen Internet zu leiden haben, greifen die Buchhalter gegen die Kreativen harsch durch. Die Printmedien, die noch über eine eigene Bildredaktion verfügen, nimmt kontinuierlich ab. Das müssen die Textredakteure jetzt noch nebenbei erledigen. Das ist so ähnlich, als wenn der Metzger jetzt nebenbei noch Brote backen soll.

 

Kein Ausblick auf neue fotografische Technik?

Gegenfrage: Welche technischen Möglichkeiten fehlen denn heute noch? Mit den beiden spiegellosen Mittelformatkameras, der X1D von Hasselblad und der Fujifilm GFX 50S zeichnen sich gleich mehrere Trends ab, die sich in den kommenden Jahren noch verstärken werden. Da ist die Tendenz zu grösseren Sensoren, die in zunehmender Zahl von Sony in Kumamoto kommen. Die häufigere Nutzung dieser Sensoren sorgt für eine steigende Auslastung der Fertigung bei Sony. Dies sichert wiederum die Produktion und damit den Nachschub für die Kamerahersteller.

 

Fujifilm GFX 50S und Hasselblad X1D: Eine neue Kameraklasse steht vor der Türe

Dennoch dürfte 2017 ein interessantes Kamerajahr werden, da der Sensor-Lieferengpass im letzten Jahr die Entwicklung und die Markeinführung vieler neuen Produkte gebremst hat. Da dürften vielleicht schon zu Beginn dieses Jahres auf der CES in Las Vegas (5. bis 8. Januar), eher jedoch auf der CP+ in Yokohama (23. bis 26. Februar 2017) einige Neuheiten aus den Schubladen der Entwickler springen.

Ebenso wichtig wie die Versorgung mit Bildsensoren ist die Belieferung mit Bildprozessoren, deren Möglichkeiten erst dazu führen, das Beste aus den aus den Sensordaten heraus zu holen. Fujitsu ist hierbei eine Grösse, die gerne übersehen wird. Ähnliches gilt auch für die Hersteller der Objektive, die auf steigende Auflösungen hin ausgelegt werden müssen. Outsourcing ist dabei ein Trend. Auch wenn auf den Objektive von Phase One der Name Schneider-Kreuznach prangt, entwickelt und produziert werden sie von der früheren Mamiya-Mannschaft bei Phase One Japan. Aus Japan kommen auch die Hasselblad-Objektive. Bei der H-Serie ist Fujifilm der Lieferant, bei der neuen X1D kommen die Objektive von Nittoh, einem alteingesessenen japanischen Hersteller, der praktisch nie unter seinem eigenen Namen in Erscheinung tritt und nicht mehr als die eigene Adresse preisgibt. Wo X draufsteht, ist heute nicht mehr zwingend auch X drin.

Mit der Verschlüsselung der Bilddaten vor der Speicherung auf den Datenträgern, werden sich die Kamerahersteller schon in naher Zukunft befassen müssen. Damit soll vor allem dem Bilderklau im Internet Einhalt geboten werden; der Fotograf soll entscheiden können, wem er sein Bild gibt und wem nicht. Zahlreiche Smartphones zeigen bereits, dass dieses möglich ist und einem Verbraucherwunsch entspricht. Phase One sowie Hasselblad beispielsweise haben bestätigt, dieses Thema auf der Agenda zu haben. Auch sonst werden sich die Kamerahersteller verstärkt Technik zu Nutze machen, die im Smartphone-Bereich schon etabliert sind und auf die die Kunden nicht mehr verzichten wollen, wenn sie vom Smartphone zur Foto-/Video-Kamera wechseln.

 

Die Übernahme von Sinar durch Leica beflügelt das einstige Schweizer Vorzeigeunternehmen

Ein weiterer Trend – ebenfalls von den Smartphones vorgemacht – ist offensichtlich: Foto und Video wachsen noch stärker zusammen. Dies zeigt sich nicht nur bei allen Spiegelreflex- und Systemkompaktkameras, sondern inzwischen auch im Mittelformat. Die Sensorausstattung der aktuellen Leica S befruchtet auch das neue Digitalrückteil von Sinar und dessen Möglichkeiten wiederum die Optionen an den modularen Alpa-Kameras. Modulare Kamerasysteme werden ein weiterer Trend der kommenden Jahre sein. Tenor: Der Kunde bezahlt nur für Funktionen, die er auch wirklich benötigt.

Der Handyboom hat die Kamerahersteller zu geringeren Produktionszahlen gezwungen. Dies hatte gravierende kalkulatorische Auswirkung. Eine weiter sinkende Stückzahl muss die Entwicklungskosten und die Kosten für die Fertigungsinfrastruktur wieder einspielen. Durch die Umlage der Kosten auf kleiner Stückzahlen und die immer deutlicher entschwindende Hoffnung, das Geld später wieder über den Massenmarkt hereinzuholen, stiegen die Stückpreise der Kameras sowie der Objektive im vergangenen Jahr – und sie werden auch 2017 noch weiter steigen. Die Kameras verlagern sich zusehends in höhere Preislagen, im Billigmarkt haben gibt es schon heute praktisch keine mehr.

 

Sofortbild unverändert im Aufwind: Nach Fujifilm, Lomo und Polaroid steigt auch Leica ins Sofortbildgeschäft ein

Bei einigen Marken zeichnet sich der bedenkliche Trend ab, den Fotohandel aus der Lieferkette herauszunehmen und über das Direktgeschäft mit dem Endkunden, die gesamte Handelsmarge selbst zu kassieren oder entsprechende Preisnachlässe zu gewähren. Über zahlreiche Kickback-Aktionen haben sich die Hersteller inzwischen ja die Kundenadressen gesichert und können diese jetzt direkt ansprechen. Die Zukunftsaussichten des Fotohandels waren schon lange nicht mehr rosig. In den kommenden Jahren muss sich der Fotohandel zu noch mehr Dienstleistungen hin entwickeln und damit den Kunden erkennbare Vorteile bieten. Die Konfigurierung der Kameras entsprechend den Nutzungsvorlieben der Kunden könnte hier ein Anfang sein. Für den Hersteller ist es einfacher, alle Möglichkeiten in ein neues Kameramodell hineinzupacken. Der Händler kann als individueller Kundenbetreuer/-begleiter die vorhandene Technik dann auf den Kunden zuschneiden. Da die Kameratechnik heute weitgehend auf Software basiert, ist dies deutlich leichter möglich als zu analog-mechanischen Zeiten.

 

Die Haptik der analogen Fotografie nicht übersehen

Trends schaffen Gegentrends. Fujifilm erlebt mit seinem Instax-Programm seit Monaten Höhenflüge, mit welchen seit der Digitalisierungswelle kaum jemand mehr gerechnet hatte. Erstaunlich: vorwiegend digitalgewohnte Jugendliche entdecken die Sofortbildkameras neu, um die unikaten Bildchen gleich ihren Freunden zu verschenken. Auch die Lomografen pflegen das Sofortbild, und Impossible hat 2016 sogar seine erste eigene Sofortbildkamera herausgebracht. Und spätestens, als Leica mit der Leica Sofort zur Photokina auf den Sofortbild-Zug gesprungen ist, war es nicht mehr zu übersehen: Sofortbild lebt wieder auf.

 

Analog im Trend? In Zürich hat 2016 Ars-Imago ein Verkaufslokal für analoge Fotoprodukte eröffnet

Für ein fröhliches Plantschen im heimischen Nasslabor fehlt der heutigen Jugend zumeist der Platz. Die Fotolabore in den Schulen sind vielfach den Computerräumen gewichen. Und die Beschaffung von Labortechnik und Verbrauchs-Material wird immer aufwendiger. Back to the roots: Viele Jugendliche entdecken das Fotografieren auf Film neu, das Filmentwickeln und das Entstehen eines Bildes in der Entwicklerschale als spannende und wertvolle Erfahrung. Von einem Trend zu sprechen wäre verfrüht, doch interessant bleibt, dass sich die analoge Fotografie mitten im Digitalboom einer zunehmenden Beliebtheit erfreut. Wer weiss, vielleicht beschert uns ein cleverer Hersteller dieses Jahr wieder eine Analogkamera. Der Markt wäre wahrscheinlich reif dafür – was die steigenden Filmumsatzzahlen vermuten lassen.

Christoph Jehle

 

Lesen Sie auch: Rückblick -alle Systemkamera-Neuheiten des Jahres 2016

 

2 Kommentare zu “2017 – Trends in Sicht?”

  1. Das es sich lohnt eine neue Analogkamera zu bauen mit sinnvoller Qualität, halte ich für ausgeschlossen. Es gibt bereits super gebrauchte die nur darauf warten wieder in die Hände genommen zu werden. Nikon, Canon, Pentax, Olympus, Minolta und Leica, um nur mal die großen zu nennen, haben ganz hervorragende Kameras gebaut. Die ausgereift sind und immer noch super ihren Dienst tun. Ganz zu schweigen derer Objektive.

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