Pressespiegel zum Wochenende vom 16./17. Januar 2010
Der SonntagsBlick berichtet in seiner Cover-Story exklusiv aus Haiti. Krankenschwester Marianne im Albert Schweizer-Spital in Deschappeles vertritt unser Land als „Engel vor Ort“. Das Interview von Johannes von Dohnanyi dürfte über Telefon und moderiert von Hilfswerken nicht zu beanstanden sein, doch der Bildteil lässt jegliche Authentizität vermissen.
„Getürkt“ darf man Bildreportagen nennen, bei denen niemand vor Ort war. Der SonntagsBlick kombiniert Archivbilder des Hilfswerks mit aktuellen Bildern der Erdbeben-Katastrophe von Reuters. Die Story wird über mehrere Seiten ausgebaut, bis zu Stars, die spenden und zu Barak Obama, der endlich einen sinnvollen Einsatz für seine Spitalschiffe findet.
Auf Seite 12 greift der SonntagsBlick ein medienpolitisch weit delikateres Thema auf. Die Live-Sendung zum Schweizer des Jahres wurde schon Tage zuvor mit dem Sieger eingeübt. Vielen Zuschauer/innen ist es nicht bewusst (oder es interessiert sie nicht), dass „Live-Sendungen“ voraufgezeichnet, postproduziert oder zeitlich versetzt ausgestrahlt werden. (Bildnachweis: BlickOnline/Keystone/SI)
Nun durchbricht SF DRS dieses Tabu selbst und zeigt in der Tagesschau bereits Ausschnitte aus „Live-Sendungen“, wie Club und Arena, die erst mehr als zwei Stunden später ausgestrahlt werden. Ob die Online-Presse diese Bilder als Stills auch aufschalten kann, ist nicht geklärt. Vorerst bleiben für Pressefotografen die Sperrfristen bis zur angekündigten Ausstrahlung der Gesamtsendung.
Verzweifelt sucht der SonntagsBlick vor jedem Wochenende nach People. Tabu sind Personen, mit denen die Schweizer Illustrierte am Montag am Kiosk ist. Dazu zählen aktuell Carlo Janka und Sandra Boner mit Baby Nelson. So beschränkt man sich auf Bernhard Russi (Aufnahmen Markus Gyger), der sich als Single mit Yoga in Form hält. Auch Rapper Gimma betont, er sei wieder Single, doch der Aufhänger für seine Story ist lediglich ein Seitenhieb gegen Victor Giacobbo.
Doch wir möchten gutgekleidete, schöne und interessante Menschen sehen, nicht wie im Bericht von Karin el Mais über die Premiere des „Grossen Katers“ in Bern. Da sieht man nur Bilder zu Namen in briefmarkengrossen Compos. Für die Journalistin, die Fotografen und die meisten der geladenen Gäste, die der Einladung folgten, war es eine Pflichtübung. Immerhin mussten sie sich als Gegenleistung für den Empfang im Hotel Bellevue den Film, der wohl nicht die erwarteten Massen in die Kinos bringt, zuvor anschauen.
Sonntag.ch hat ans Lauberhorn nur einen Reporter für Bild und Text in der gleichen Person delegiert. Alfred Häfliger hat einen informativen Text über People geschrieben und von der Ehrung gute Bilder gemacht. Die Sportseite dominieren die Bilder von Getty Images. Schade, denn über alle Sonntagszeitungen hinweg vermisst man im Bild Emotionen. Preisverdächtig ist die Aufnahme von Christian Beutler in der NZZ am Sonntag. Sportfotografie ist eine Klasse für sich, und die NZZ pflegt sie nach wie vor.
Der Beobachter hat bereits vor der Fasnacht die Fastenzeit mit einer Kapuzinerpredigt begonnen und präsentiert uns in einem Themenheft die traditionellen Zehn Gebote und ein Neues hinzu (natürlich die Nachhaltigkeit). Fotografisch aussergewöhnlich und kultverdächtig ist das Heft durch die ganzseitigen Aufnahmen von Dan Czermak.
Czermak illustriert das Themenheft mit markanten, inszenierten Bildern zu den Zehn Geboten. Daraus ist eine Art Brevier entstanden, das ebenso eindrücklich wirkt wie irritiert. Die Studioaufnahmen mit aufwendig gecasteten Professionals und Laien werden mit theologischen Erklärungen untermauert. So wird man darüber belehrt, dass „Weib“ im alt-Hebräischen mit „Besitztum“ gleichgesetzt werden kann und das entsprechende Gebot sich auch auf Schafe oder so beziehen könnte.
Doch der Beobachter hat Mut gezeigt und dieser sehr speziellen Ausgabe ein fotografisches Profil vergönnt. Dan Czermak hat aus dem ungewöhnlichen Auftrag sein Bestes gemacht.
DAS MAGAZIN ist dieses Wochenende etwas dünn ausgefallen. Serge Hoeltschi hat Michèle Roten in L.A. begleitet und Bilder aus Musikklubs, von zwei Typen und einer Strasse in der Nacht nach Zürich zurückgebeamt.
Weshalb das Sonntags Blick Magazin Elvis am 17. Januar 2010 wieder zum Leben erweckt, erklärt sich auch nicht aus dem Editorial. Presley wurde bereits am 8. Januar 1935 geboren. Die Bilder des Beitrags über die Nachvermarktung sind von Mark DeLong. Dann wird uns mit Aufnahmen von Miquel Gonzalez die „Superprofessorin“ Regula Staempfli näher gebracht. Doch sie bleibt auf Distanz, im Bild wie im Text.
Bewegt hat die Reportageszene diese Woche die Aussperrung von Blick-Reporter Viktor Dammann von einem Prozess am Bezirksgericht Zürich. Roger Weber, der Vorsitzende der Abteilung 7 verlangte von Dammann eine Garantie, dass in einem verhältnismässig unspektakuläre Prozess keine Bilder der Parteien publiziert würden. Um einem Eklat vorzubeugen, verliess Dammann freiwillig den Saal.
Der Ausschluss eines erfahrenen und durchwegs fairen Gerichtsberichterstatters ist ohne Beispiel. Persönliche Motive des Richters und eine Machtdemonstration sind unübersehbar. Roger Weber ist sich wohl nicht bewusst, welche Lawine er losgetreten hat und auf wie viel Rückhalt Viktor Dammann auch bei der Konkurrenz zählen kann.
Der Umgang mit Bildern von Bezirks- und Obergericht in Stadt und Kanton Zürich ist alles andere als transparent. Noch immer besteht während den Gerichtsverhandlungen ein Aufnahmeverbot. Die früher von den Tageszeitungen gepflegten Skizzen der Gerichtszeichner/innen sind bei aller Nostalgie nicht mehr kommunikationsfähig. Angeklage verhüllen sich mit Unterstützung der Polizei beim Zugang zum Gericht, – und so bleiben Archivaufnahmen. Diese in laufenden Verfahren nicht publizieren zu dürfen, wäre ein weiterer, zu erwartender Schritt zur Einschränkung des Rechts auf Öffentlichkeit.
Aufdatiert: Hervorragende und informative Stellungnahme von Simon Canonica, Medienjournalist der TA-Media im Tages-Anzeiger vom 18. Januar, Seite 9. Zum Aufbewahren, vor allem auch für Fotograf/innen.
Nachdem Hannes Schmid den Zugang zu den Fotoinstitutionen in der Schweiz für eine Werkschau aus irgenwelchen Gründen nicht geschafft und dann ein provisorisches Panorama in einer Zürcher Galerie präsentiert hat, erfährt er in diesen Tagen eine späte Ehrung auf Spiegel Online. (Bildnachweis: Hannes Schmid/ SpiegelOnline)
Thorsten Dörting widmet Schmid einen Beitrag über seine Freundschaft mit Rocklegenden. Die im Forum publizierten Leser-Kommentare sind teilweise bitter. Vielleicht überlegt sich die eine oder andere Institution in der Schweiz doch noch, dem fotografischen Schaffen von Schmid gerecht zu werden.
Unser Bild der Woche erschien im Tages-Anzeiger vom 16. Januar . Die Stadt-Szeneseite „Bellevue“ wurde exklusiv von der Redaktion der deutschen Satirezeitschrift Titanic gestaltet. Der Ausgehtipp ins deutschstämmige Szenelokale GRÖBEIZ liest sich erfrischend. Für den visuelle Aufhänger wurde der weltbekannte Fotograf „Tom Hinter“ beauftragt. Nur lässt die Bildlegende offen, ob der Porträtierte ein Schweizer, ein Deutscher oder ein Neu-Schweizer sein soll. So oder so, die Montage und die Satireseite sind gelungen.