Urs Tillmanns, 4. April 2021, 19:16 Uhr

Fotohaus Basel: Von der Trockenplatte zum neuen Webshop

Fotofachgeschäfte haben es mit Grossverteilern und Internet als Mitbewerber heute nicht einfach. Wer da Bestand haben will, muss eine Nische finden, in der er sich behaupten kann. Fotointern hat kürzlich das Fotohaus an der Freien Strasse in Basel – als eines der ältesten Fotofachgeschäfte der Schweiz – besucht und sich mit dem Geschäftsführer Adrian Samuel unterhalten.

 

Das Fotohaus Basel, ehemals Foto Wolf, ist seit mehr als einem Jahrhundert an der unteren Freien Strasse zu finden. 

Fotointern: Herr Samuel, nennen Sie uns drei Gründe, weshalb sich das Fotohaus von anderen Fotofachgeschäften unterscheidet.

Adrian Samuel: Gerne. Erstens ist es eines der ältesten Fotogeschäfte der Schweiz. Es wurde 1899 von der Familie Wolf gegründet, dann seit 1988 von Rolf Hämmerlin geleitet, bis ich es vor zwei Jahren übernahm. Zweitens pflegen wir neben dem Verkauf aktueller Digitalkameras und Zubehör auch analoge Kameras und Verbrauchsmaterial und drittens sind wir auf Gebraucht- und Sammlerkameras aus allen Epochen spezialisiert, die wir, wenn nötig, selbst revidieren und in Nutzungszustand verkaufen. Aus diesem Dreisäulenprinzip ergibt sich eine ganz andere Kundschaft als es in einem üblichen Fotogeschäft der Fall ist.

Will heissen … ?

Die Kunden kommen kaum zu uns um etwas möglichst günstig zu erstehen, sondern viele haben spezielle Anliegen und suchen bei uns in erster Linie eine kompetente Beratung sowie den Austausch über fotorelevante Themen. Das habe ich von meinem früheren Chef, Rolf Hämmerlin, gelernt. Die Leute suchen in erster Linie das Gespräch, die fachlich kompetente Beratung, und der Kauf eines Produktes ist dann die logische Konsequenz.

 

Das Kern-Team des Fotohaus Basel berät die Kunden kompetent: Adrian Samuel, Cécile Häfelfinger und Marko Ostovic

Als alteingesessenes Basler Fachgeschäft haben Sie sicher eine starke Stammkundschaft. Wie hoch schätzen Sie etwa deren Anteil?

Ich schätze etwa 70 Prozent. Es sind teils schon ältere Kunden, die schon immer zu Foto Wolf kamen. Dann sind es aber auch bereits deren Kinder, oder es ist eine jüngere Käufergruppe, oft Studenten, die jetzt die Fotografie mit Film für sich entdecken und das unheimlich spannend findent, nicht zuletzt deshalb, weil man das Ergebnis nicht sofort sieht, sondern ein oder zwei Tage darauf warten muss. Das erhöht die Spannung zusätzlich …

Das Problem dabei dürfte sein, dass es keine neuen Analog-Kameras mehr im Markt gibt …

Wir lösen dies mit voll funktionsfähigen Gebrauchtkameras, die wir in allen Arten mit passendem Zubehör in allen Preislagen anbieten können. Dazu haben wir eine breite Palette von allen möglichen Filmen, die wir inhouse verarbeiten und so einen Vollservice anbieten können. Die meisten, vor allem junge Kunden, sind von den ‘Bildern wie früher’ begeistert und pflegen diese andersartige Fotografie weiterhin. Dabei erfährt der Print als Endprodukt einen ganz neuen Stellenwert.

Tradition wird hier gross geschrieben. Gibt es noch Unterlagen über die Geschichte der Firma?

Sehr dürftige. Wir haben ein paar handschriftliche Aufzeichnungen, dann Bilder des Verkaufslokals aus verschiedenen Epochen und schliesslich ein paar Filmtäschchen, die an Damals erinnern. Die sind nicht zuletzt auch wegen der Grafik interessant.

Was wissen Sie über die Geschichte von Foto Wolf?

Nur so viel wie heute noch in Erfahrung gebracht werden konnte und im Staatsarchiv der Stadt Basel auffindbar war. Es gibt spärliche Aufzeichnungen, meist handschriftliche Notizen, die Rolf zum Beispiel auf alten Briefumschlägen festhielt. Das Geschäft wurde 1899 von Bernhard Wolf gegründet und war zuerst an der Hutgasse 8, erst 1909 kam es an den heutigen Standort in der Freien Strasse. Dann waren seine beiden Söhne Alfred und Jacques im Geschäft, bis es 1955 an Kurt Bolliger überging, der sich später weiter oben in der Freien Strasse selbständig machte. Dann kam 1988 Rolf Hämmerlin, und vor zwei Jahren habe ich das Fotohaus übernommen.

Es ist eigentlich alles recht eng hier; man sieht, dass in dem Haus immer optimiert wurde …

Das ist so! Wir müssen aus den engen Platzverhältnissen das Beste machen. Das Haus ist gewissermassen immer in die Höhe gewachsen, in dem auch die oberen Stockwerke genutzt wurden. Wir haben oben unsere Entwicklungsmaschine für Farbnegativfilme und ein Fuji Frontier Minilab – etwas in die Jahre gekommen, aber es tut immer noch täglich seinen Dienst. Dank der hauseigenen Entwicklung können wir sehr schnell liefern. Dann haben wir einen Schulungsraum und ein Studio, das vor allem für Personenbilder und Porträts genutzt wird, und letztlich sind wir mit zwei verschiedenen Scannern sehr gut ausgestattet. Wir bieten den Kunden sogar an, dass sie umfangreichere Digitalisierungen bis 4×5 Inch mit unserer Anweisung selbst vornehmen können. Das hat sich sehr bewährt. Dann gibt es noch Büroräume und ein Lager im Keller, wo sich auch unsere Reparatur-Werkstatt befindet.

 

Das Fotofachgeschäft im Wandel der Zeit: Die älteste noch existierende Innenaufnahme von Foto Wolf ist um 1937 entstanden. (Staatsarchiv Basel-Stadt)

Um 1945 dürfte das Geschäft umgebaut worden sein (Staatsarchiv Basel-Stadt)

Rund vierzig Jahre später präsentierte sich Foto Wolf erneut im damals modernen Stil …

Heute ist das Fotohaus so platzoptimiert und kundenfreundlich wie möglich gestaltet.

 

Wer repariert?

Vieles machen wir selbst, sind aber auch sehr gut vernetzt zu verschiedenen Spezialisten aller Art. Ich liebe es die alten Schätzchen vor dem Müll zu retten. Manchmal fehlt wenig, manchmal ist es so aufwändig, dass es sich kaum lohnt – aber Spass macht. Es ist ein beglückendes Gefühl, wenn nach Jahren Nichtgebrauchs auch die langen Verschlusszeit plötzlich wieder verlässlich ablaufen. Dann wird geölt und gereinigt, damit das Schätzchen einen neuen Liebhaber findet. Was in diesem Zusammenhang eine weitere Spezialität des Hauses ist, sind Expertisen, Nachlass-Bewertungen und der aktive Ankauf solcher Bestände. Das ist eine Dienstleistung, die sehr geschätzt wird, denn oft sind die Nachkommen, die vielleicht wenig Bezug zu Kameras haben, damit völlig überfordert.

 

Nicht nur die Innenarchitektur, auch die grafische Gestaltung der Fototaschen hat sich dem Lauf der Zeit angepasst.

Wir haben jetzt naheliegenderweise vor allem über die analoge Fotografie gesprochen, weil sie hier im Haus eine gepflegte Tradition hat. Aber das Tagesgeschäft sind sicher die digitalen Produkte.

Klar, sie machen rund 90 Prozent des Umsatzes aus. Wir haben uns auf wenige Marken spezialisiert und haben dort gute Angebote und ein umfassendes Lager, auch für weniger gängige Zubehöre.

Auf welche Marken haben Sie sich spezialisiert?

Bei den Kameras sind es Leica, Fujifilm und Olympus. Es sind drei sehr unterschiedliche Sortimente, die sich nicht gegenseitig konkurrenzieren und den Bedarf verschiedener Kundengruppen abdecken. Besonders mit Leica sind wir sehr stark, weil diese Marke in unserem Haus schon immer Tradition hatte und der Leica-Bazillus von einem Geschäftsinhaber auf den nächsten überschwappte. Dann sind wir auch mit Swarovski-Optik gut ausgerüstet, mit Spektiven und Ferngläsern, die vorzugsweise von Ornithologen und Jägern benutzt werden.

 

Im ersten Stock befindet sich der Arbeitsplatz der Bildbearbeitung mit dem chemischen Minilab Fuji Frontier …

… und im Raum daneben steht ein Highend-Scanner Imacon, an welchem die Kunden unter Anleitung ihre Bilder selbst digitalisieren können.

Seit rund drei Monaten betreiben Sie ja auch einen Webshop. Ist dieser Bereich gut angelaufen?

Nach einer langen Planungs- und Umsetzungsphase sind wir mitten im Weihnachtsgeschäft mit unserem Webshop live gegangen. In der Corona-Zeit hat uns der Webshop schon sehr viel geholfen, aber gleichzeitig gibt es auch noch viel zu tun.

Wie war diese Zeit?

Ungewohnt und eine grosse Herausforderung  – wie für alle! Aber sie hat uns etwas Luft gegeben, uns mit Dingen zu beschäftigen, für die mit den regulären Öffnungszeiten kaum Zeit ist: organisatorische Dinge und eben, Gebrauchtkameras instand stellen, beispielsweise. Und zum Glück hatten wir unseren Webshop, der als virtuelles Schaufenster seine Bewährungsprobe bestanden hat.

Meine übliche Abschlussfrage: Wie sehen Sie die Zukunft der Fotografie?

Dazu mache ich mir oft meine Gedanken. Sicher ist, dass das Smartphone seine Position und Beliebtheit als ‘Kamera’ noch ausbauen wird. Hier macht die Industrie grosse Fortschritte, der kaum durch etwas gebremst wird. Die Systemkameras werden sich leistungs- und preismässig weiter nach oben bewegen und noch bessere Bildergebnisse liefern. Wahrscheinlich wird der grosse nächste technologische Schritt ‘global shutter’ heissen, für noch höhere Bildraten und bessere Darstellungen von Bewegungsabläufen. Auf der anderen Seite glaube ich nach wie vor an die steigende Nachfrage im Bereich der klassischen Fotografie – eine Art ‘Schallplatten-Effekt’ – der durch die junge Kundschaft, die bei uns tendenziell steigend danach frägt, bestätigt wird. Und diese jungen Kunden sind die Fotografen von morgen …

Wir danken Ihnen für dieses Gespräch

Interview: Urs Tillmanns

Kurzbiografie

Adrian Samuel ist 1985 geboren und in Basel aufgewachsen. Nach angefangener Elektromonteurlehre reiste er viel herum und entdeckte das Interesse für die Fotografie. Er bildete sich autodidaktisch aus und fand als Promoter Zugang in die Fotobranche. Über eine weitere Station in der Fotoabteilung eines Discounters, kam er 2011 in den Fachhandel im traditionellen Fotohaus Wolf in Basel. Dort entdeckte er die Leidenschaft für klassische Kameras und insbesondere für alles was mit Leica zu tun hat. Mit 30 begann er eine Ausbildung zum technischen Kaufmann und schloss diese 2018 ab. Kurz nach dem Abschluss nahm er die Möglichkeit wahr, das Fotohaus Wolf zu übernehmen und führt seitdem das Unternehmen.

Hier geht es zur Website des Fotohaus Basel.

 

Ein Kommentar zu “Fotohaus Basel: Von der Trockenplatte zum neuen Webshop”

  1. Besonders erwähnenswert neben der Kompetenz und Inspiration, die das Fotohaus auch mit der jüngsten Generation gewährleistet, ist die unaufdringliche, bescheidene und grundehrliche Beratung – ohne jegliches Marketingblabla.
    (Ich bin „nur“ Kunde, mit einer einzigen Interessensbindung: dass Basel das Fotohaus noch sehr lange erhalten bleibt)

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