David Meili, 31. Januar 2010, 10:16 Uhr

Was für ein Knast! Familientragödie im Schauprozess, und nun kommen die andern Models

Pressespiegel zum Wochenende vom 30./31. Januar 2010
Man muss mehr als zweimal hinsehen, um das grossflächige Bild auf Seite 5 von Sonntag.CH mit dem Beitrag über die Überbelegung der Genfer Vollzugsanstalt Champ-Dollon zu kombinieren. Die Aufnahme stammt aus Kalifornien und zeigt den Schlafsaal eines Straflagers, der immer noch komfortabler ist als die meisten Unterkünfte der Schweizer Armee.

Die willkürliche Kombination eines zufällig gefundenen Agenturbilds mit einem an sich vertretbaren Text ist nur eine der Fehlleistungen der Sonntagspresse. Zunehmend wird unter Zeit- und Auflagendruck die Grenze der journalistischen Ethik mit Bildern überschritten. Für seriöse Bildreportagen fehlt es an Geld und Fachwissen in der (Text-)Redaktion.
(Bildnachweis in Sonntag.CH :“MZ“. Das Kürzel bedeutet offensichtlich „Mittelland Zeitung“, – d.h., man hat es vom eigenen Server aus einem früheren Beitrag kopiert.)

Nun kommen die Magazine aus dem Januarloch der Billigreportagen heraus. Im SonntagsBlick Magazin werden uns mit Aufnahmen von Andreas Meier (Text Peter Hossli) die jungen Fussballer der Côte d’Ivoire nahegebracht. Nik Hunger durfte den Raumdesigner Bruno Moinard in seinem eigenen Heim porträtieren.

Hinweis von Peter Hossli: Der Beitrag mit den Bildern von Andreas Meier findet sich auch auf seiner Website.

DAS MAGAZIN bringt den von der Caritas ermöglichten Beitrag über eine ganz andere, überraschende Seite von Somalia. Birgit Schmid hat das von Edna Adan gegründete Spital in Hargeisa in Somalialand besucht, und Nathan Beck hat, was das Team dort erlebt hat, einfühlsam dokumentiert. Es ist ein PR-Beitrag der besonderen Art, preiswürdig.

Wenig Glamour vom WEF vermitteln die People-Seiten. Sabine Wunderlin hat für den SonntagsBlick einen bunten Strauss von Porträts mitgebracht, die leider immer noch nur briefmarkengross publiziert werden. Immerhin verspricht die Schweizer Illustrierte „50 Stars und Prominente auf 10 Seiten“. In diesem Jahr dürfte der Aufwand nicht zu unterschätzen gewesen sein, so viele „Prominente“ ausfindig zu machen. In der internationalen Presse war das Echo auf das WEF ebenso gering wie die Highlights auf Seite der Gäste.

Da das Zürcher Obergericht umgebaut wird und ein vielbeachteter Prozess in einem provisorischen Gerichtssaal stattfindet, wird die Justizshow um den Erstickungstod von Zwillingen live in einen Konferenzsaal im Hallenstadion übertragen. Auch wenn das Öffentlichkeitsprinzip damit gewahrt bleibt, wird das Vorgehen selbst in Juristenkreisen kritisch beurteilt.

Umso unverständlicher ist diese Blossstellung „à l’Americaine“, weil einzelne Bezirks- und Oberrichter in Zürich rigoros gegen Berichterstatter vorgehen, denen in weit banaleren Fällen unterstellt wurde, mit Bildern allenfalls gegen den Persönlichkeitsschutz verstossen zu können. Während im und um den Gerichtssaal Foto- und Videoverbot besteht, dürfte es kaum möglich sein, bei der Videoprojektion Aufnahmen zu verhindern. Sollten Handys beschlagt werden, gibt es mittlerweile Videokameras bereits als Schlüsselanhänger.

Um Probleme mit der zum Teil inkonsequenten Haltung der Justiz zu umgehen, publiziert Blick zunehmen Privataufnahmen, die der Presse zugespielt werden. Auch im „Fall Horgen“ stammen die Bilder von einem Familienfest, und die Angeklagte ist nur Pro Forma unkenntlich gemacht.  BlickOnline inszenierte in der vergangenen Woche einen politisch delikaten Fall ausschliesslich mit zur Verfügung gestellten Bildern und einem Layout mit  Schuss- und Gegenschuss. Der Walliser Polizeikommandant soll die minderjährige Tochter seiner damaligen Partnerin wird das Layout zur Botschaft begrapscht haben. Wie weit das Layout selbst Teil der „Message“ ist, wurde bis anhin nach schweizerischem Recht noch nicht geklärt.

Doch an der Dufourstrasse ist man lernfähig. Bei der Charmeoffensive vonBundespräsidentin Doris Leuthard auf der Strela dürfte es kaum möglich gewesen sein, Sie und die Edel-Skifahrer-Beiz zusammen aufs Bild zu bringen. Blick entschied sich zu einer Fotomontage und bezeichnet sie im Nachweis korrekt. Ein Pressefotograf hätte bei eisiger Kälte über Stunden warten müssen, und dann hätten Schneeschauer doch noch ein Bild unmöglich gemacht. Liegt die Zukunft der Reportagefotografie an einem geschützten Arbeitsplatz in der Grafik?

Nachdem die Modezeitschrift Brigitte auf konventionelle Models verzichtet und „normale“ Frauen in Kleidern ab der Stange ablichten lässt, sind diese nun als Models gefragt. Die Kosmetikmarke DOVE war Vorreiterin. Wegen ihrer Originalität hat die Werbung gewirkt, doch wollen Frauen wirklich jene Frauen sehen, mit denen sie Saunakabine oder Fitnesshalle teilen? Brigitte hat den Schritt offensichtlich mit Erfolg gewagt. Das erste Heft mit „Alltagsmodels“ war in wenigen Tagen ausverkauft.

Aus einem Adress-Datensatz, der sich verirrt hat, kommt der Modeprospekt von Emilia Lay ins Haus, mit „(Damen-)Mode, die man tragen kann“. Ein Blick auf das Impressum zeigt die Herkunft aus dem, was vom  Quelle/Arcandor-Konzern verblieben ist. Offensichtlich erweist sich dieses Segment als rezessions- und krisenresistent, – und als entwicklungsfähig, auch für eine qualitativ hochwertige Modefotografie.

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