David Meili, 21. März 2010, 09:24 Uhr

Schwarze Priester, Thomas Buchwalder als der nächste Michel Comte und Nubya wirbt für weisse und schwarze Hasen

Pressespiegel zum Wochenende vom 20./21. März 2010
Als älteste PR-Organisation der Welt bringt die Katholische Kirche ihre Kompetenz in Kommunikation bei der Bewältigung der Welle von Enthüllungen über sexuellen Missbrauch mit ein. Während Enthüllungsjournalisten auf Seite der Täter nach möglichst unglücklichen Porträts von alten Priestern fahnden, zeigt sich Abt Martin Werlen im SonntagsBlick als frommer Kirchenmann und zielstrebiger Manager.
(Nachweis: Medienstelle Kloster Einsiedeln)

Dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt und auch viele Journalisten die Affären benützen, um mit ihrer Vergangenheit in Erziehungsanstalten rechter oder linker Couleur abzurechnen, ist offensichtlich. Nur beschränken sich die Beiträge bildmässig nahezu alle auf Porträts und Aussenansichten von Klöstern. Bildreportagen, wie jene von Paul Senn von 1944 im Luzernischen Heim Sonnenberg vermisst man. In den siebziger und achtziger Jahren dürften die Kinder und Jugendlichen nicht mehr gehungert haben und selten geschlagen worden sein. Doch seelische Schmerzen darzustellen, ist schwierig für das Medium Fotografie.

Sandro Brotz setzt sich im Kommentar von Sonntag.ch kritisch mit der Selbstinszenierung von Abt Martin auseinander und erinnert an ein Pressebild bei beim Amtsantritt 2001, das ihn beim Trottinettfahren zeigte. Das Fazit des Kommentars „Mit Trottinettfahren allein ist es nicht getan“. Das Bild ist aus den uns zur Verfügung stehenden Online-Datenbanken nicht mehr recherchierbar. Mag sein, dass der Heilige Geist am Werk war.

Zum haarsträuben PechaKucha-Vortrag über die Bedrohungslage der Schweiz von Armeechef André Blattmann vor der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK) des Parlaments gelangen immer mehr pikante Folien an die Öffentlichkeit. Sonntag.ch zeigt eine Bildkombination mit Aufnahmen von Demonstrationen in Bern, die zuvor in der Tagesschau von SF DRS wiedergegeben wurde. Vermutlich handelt es sich um Agenturbilder, die locker vom Internet geladen wurden. Vielleicht erkennt jemand unter unseren Leser/innen seine eigene Aufnahme und kann seine Honorarnote an VBS, Bundeshaus Ost, CH-3003 Bern zustellen.

Es versteht sich, dass Sonntag.ch innenpolitisch primär als Podium für Politiker/innen aus dem Aargau konzipiert ist und sehr gute Kontakte zu Aargauer Emigranten in Bundesbern verfügt. Endlich ist die Manege frei für Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer. Das für einmal geschickt beschnittene Porträt konnte Chris Iseli realisieren. Beim Überlesen des Interviews erhält man den Eindruck, dass die Antworten schon vor den Fragen formuliert wurden. Pikant: Auf newsnetz.ch wird der Beitrag der Konkurrenz sonntag.ch für Sonntagvormittag zur Topstory.

Auf der Seite „Menschen“ in Sonntag.ch preist Sacha Ercolani mit einem seltsamen Beitrag Thomas Buchwalder(29) als Nachfolger von Michel Comte (56). Aufhänger ist, dass Buchwalder „beinahe“ Bob Geldof (59) in London fotografiert hätte. Buchwalder war „jahrelang der Hof-Fotograf von Ex-Bundesrat Samuel Schmid (63)“. David Meili (57), Redaktor bei fotointern.ch zählt, rechnet und wird nachdenklich. Vielleicht ist der Beitrag (2010) nicht vorrangig ein Freundschaftsdienst, sondern eine Parodie, und ich konnte nicht zwischen den Zeilen lesen.

Mit Reportagen über die Eröffnung der Uhren- und Schmuckmesse BASLEWORLD hätten die People-Seiten wirklich Glamour auf internationalem Niveau bringen können. Doch mit den Beilagen des vergangenen Wochenendes, die vor allem aus direkter und indirekter Werbung bestanden, fand sich kein Interesse mehr, den Anlass zu kommentieren. Der gleiche Mechanismus zeichnet sich beim Genfer Autosalon ab. Publiziert werden nahezu nur noch von den Inserenten im Vorfeld gelieferte Beiträge. An kritischem Journalismus, der auch verkaufsfördernd wirken könnte, besteht weder bei Redaktionen noch bei Journalisten Interesse.

Promis, die unsere People-Szene prägen, wie Kliby, Fabienne Louves und Adrian Stern (?) fanden sich ein an der Eröffnung der Wandershow „Das Zelt“ (abgelichtet von tillate.com). Unterhalter Victor Giaccobo hat seine Entourage zu einer Benefizgala ins CasinoTheater Winterthur eingeladen. Die Aufnahmen für den SonntagsBlick machte Sebastian Derungs. Weit komischer als in Winterthur dürfte es an der 100-Jahrfeier der Guetzlifabrik Kambli in Trubschachen zugegangen sein, als Bundespräsidentin Doris Leuthard mit dem Spritzsack die Geburtagstorte dekorierte (Aufnahmen Philip Zinniker).

Eines der besten Bilder der Woche findet sich in der NZZamSonntag. In den kritischen Beitrag über die politische Strategie von Bundesrat Ueli Maurer bei der Strukturreform des VBS führt ein Reportagebild von Martin Ruetschi/Keystone ein. Es zeigt zwei Rekruten, die sich mit Tarnfarben schminken, fotografiert durch das Fenster eines Armeefahrzeuges. Um diese Zeitungsseite zu gestalten braucht es einen guten Textjournalismus, eine Bildredaktion, die das Bild beisteuern kann, ein gutes Bild, das im Archiv vorhanden ist und ein Layout, das all dies überzeugend zusammenbringt. (Nur in der Print-Ausgabe)

Die bizarrste Reportage der Woche findet sich in der Coop Zeitung. Sie wandelt sich Woche für Woche von einem gesellschaftlich anspruchsvollen Magazin zum Verkaufsprospekt. Präsentiert werden weisse und schwarze Schoko-Hasen mit der Sängerin Nubya, deren Vater Nigerianer ist. Für die Degustation (abscheulich „Degu“ im Text genannt) begleitet sie der Foodjournalist Patrick Zbinden mit Ratschlägen auf seine Art. Über die Produktion und die Produktionsbedingungen von Schokolade, die in der vergangenen Woche in der internationalen Presse thematisiert werden, erfahren wir wenig. Vermutlich hat sich Zbinden kaum mit der Wertschöpfungskette und ihrer Problematik befasst. Heiner H. Schmitt hat Zbinden einfühlsam fotografiert und Nubya, den Coop-Hasen und den Rotwein aus dem Coop-Sortiment auf das gleiche Bild gebracht.
(P.S. Rotwein passt nun wirklich nur im Werbekonzeopt zu Schokolade.)

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