Urs Tillmanns, 13. Oktober 2012, 11:00 Uhr

Fraunhofer-Institut: Daten-Turbo ist 46-mal schneller als WLAN

Digitalkameras und Camcorder liefern heute Datenmengen in Gigabyte-Grösse. Da wird die Datenübertragung via Bluetooth oder WLAN zum Computer schnell zum Nadelöhr. Jetzt kommt das «Multi-Gigabit-Kommunikationsmodul» – es ist sechsmal schneller als das USB-Kabel.

 

Ob Hochzeit, Geburtstag oder Party – bei grossen Festen hat man heute meist seinen Camcorder dabei. Das Datenkabel allerdings fehlt oftmals. Aus dem Versprechen, dem Gastgeber die Aufnahme am Morgen nach der Feier auf den Rechner zu spielen, wird meist nichts. «Kein Problem», sagt man dann. «Ich brenne dir eine CD, wenn ich wieder zu Hause bin». Einfacher wäre es jedoch, wenn sich die Daten ohne Kabel übertragen liessen. Nicht per WLAN – sondern 46mal schneller …

Das dachte sich auch Frank Deicke vom Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS in Dresden. Es müsste doch möglich sein, grosse Datenmengen schnell und einfach von einem Gerät auf ein anderes zu übertragen. Natürlich sind Funkverbindungen à la Bluetooth oder WLAN längst Alltag. Doch wer damit ein hoch aufgelöstes Video von der Hochzeitsfeier auf den Computer überspielen will, braucht Geduld. Der Datentransfer der Gigabyte-mächtigen Filmdatei per Funk benötigt Minuten. Deicke und seine Kollegen sind einen anderen Weg gegangen. Der Ingenieur ist Spezialist für Infrarot-Technik. Vor wenigen Wochen hat der Forscher ein Infrarot-Modul vorgelegt, das Seinesgleichen sucht. «Es überträgt Daten mit einer Rate von 1 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s). Zum Vergleich: Ein E-Mail-Buchstabe besteht aus acht Bit. Das Infrarot-Modul schafft damit in einer Sekunde 125 Millionen Buchstaben», so Deicke.

 

Schneller als USB2, WLAN oder Bluetooth

Für gewöhnlich sind Kabelverbindungen zwischen Elektrogeräten schneller als der Funk. In diesem Fall ist es anders. Das neue «Multi-Gigabit-Kommunikationsmodul» schafft das Sechsfache der USB2-Kabel-Geschwindigkeit. Ein Vergleich mit den etablierten Funkstandards ist noch eindrucksvoller: Die IPMS-Lösung ist 46-mal schneller als herkömmliches WLAN und 1430-mal rascher als das Bluetooth-Verfahren, mit dem zum Beispiel Handys und Headset-Kopfhörer kommunizieren. Das liegt vor allem an einer schnellen Signalverarbeitung. Denn das Nadelöhr sind das Ver- und Entschlüsseln der Daten, das Ver- und Entpacken für den Versand durch die Luft. So muss die Video-Information von der Digitalkamera zunächst in ein Funksignal umgewandelt werden, ehe sie auf die Reise geht. Im Empfangsgerät, einem Laptop zum Beispiel, wird das Funksignal dann wieder entschlüsselt und in die Filmdatei verwandelt. Das kostet Rechenzeit.

Dieses optische drahtlose Kommunikationsmodul bringt es auf eine Übertragungsrate von 3 Gbit/s. (© Fraunhofer IPMS/Jürgen Loesel)

Für den Forscher und sein Team bestand die Herausforderung also darin, eine kleines Infrarot-Modul zu bauen, dessen Hard- und Software schnell arbeiten. Zudem sollte der Rechenaufwand möglichst gering sein, denn je stärker die Mikroprozessoren werkeln, desto mehr Strom fressen sie. «Letztlich haben wir das durch kluges Kombinieren verschiedener technischer Lösungen erreicht», sagt Deicke. Das gilt zum Beispiel für den Transceiver, jenes optische Bauteil, das Lichtsignale zugleich aussenden und empfangen kann. Der Transceiver ist etwa so gross wie ein Kinderfingernagel, enthält aber dennoch eine Laserdiode, die die Lichtimpulse aussendet und einen Photodetektor, der diese wahrnimmt. Wichtig sind auch die Decoder, welche die verschlüsselten Daten empfangen und übersetzen. Da die Lichtsignale in der Luft abgeschwächt und verzerrt werden, mussten Deicke und seine Mitarbeiter ausgeklügelte Fehlerkorrekturmechanismen programmieren. Wie bei der TV-Fernbedienung muss auch zwischen dem Sender und dem Empfänger freie Sicht herrschen. Für Frank Deicke kein Problem: «Man legt die Kamera oder das Smartphone einfach direkt neben den Computer oder den Laptop.» Nach wenigen Sekunden ist das Video übertragen.

Die Forscher vom IPMS wissen sehr genau, dass sich eine solche Technologie nur dann durchsetzen kann, wenn sie von den Herstellern als Standard akzeptiert wird. Erst dann wird sie in verschiedensten Geräten verbaut, sodass der Kunde diverse Laptops und Kameras problemlos verkuppeln kann. Deicke engagiert sich deshalb in der Infrared Data Association. Er bringt sein Wissen unter anderem in die «10 Giga-IR-Arbeitsgruppe» ein. Damit ist sein Ziel klar. Es geht noch schneller als 1 Gbit pro Sekunde. «Mit unserem aktuellen Infrarot-Modul zeigen wir bereits, dass die Infrarot-Technologie herkömmliche Standards weit hinter sich lassen kann. Für die Zukunft wollen wir die Leistung noch steigern.» Deicke konnte bereits zeigen, dass sich die Übertragungsrate seines aktuellen Moduls auf 3 Gbit hochtreiben lässt. 10 Gbit erscheinen da durchaus erreichbar zu sein.

Quelle: Fraunhofer-Institut

 

 

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