Urs Tillmanns, 15. Januar 2013, 11:00 Uhr

Die britische Fachhandelskette Jessops muss aufgeben

(Update) Die britische Fotohändlerkette Jessops hat Insolvenz angemeldet und Ende der letzten Woche seine knapp 200 Ladengeschäfte geschlossen. Auch wenn dies der besonderen wirtschaftlichen Situation auf der Insel geschuldet und verglichen mit der deutschen Schlecker-Pleite eine Randerscheinung sein mag, die Zeichen im Detailhandel stehen damit auf Sturm.

Über viele Jahrzehnte zählten Fotogeschäfte zur Standard-Ausstattung jeder Innenstadt, flankiert von Fotodrogerien in den Aussenbezirken und auf den Dörfern. Mit dem Aufkommen des Versandhandels musste nicht nur in England der eine oder andere Händler aufgeben. Immer wieder totgesagt, hat der Fotohandel dann doch, zwar signifikant ausgedünnt, bis heute überlebt, trotz Grossflächenmärkten, Elektronik-Ketten und eine immer stärkere Online-Konkurrenz.

Inzwischen steigt der Druck durch den Onlinehandel gewaltig und vielfach kam der eigene Einstieg in den Onlinehandel viel zu spät und zu zaghaft. So schlingern die Reste der alteingesessenen «Dixons»-Kette schon seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts. Im Strassenbild britischer Städte ist der Name Dixons heute weitgehend dem Namen «Currys» gewichen, und im Online-Bereich tritt die Gruppe europaweit unter dem Namen der französischen Tochter «Pixmania» auf. Die 1981 von Dixons übernommene japanische Kamera-Marke «Miranda» versucht man schon seit geraumer Zeit zu verkaufen, findet jedoch offensichtlich bislang keinen Käufer.

 

Jessops nach 78 Jahren am Ende

Im vergangenen Jahr musste mit Cecil Jacobs in Leicester das letzte verbliebene Familienunternehmen mit 19 Ladengeschäften nach 70 Jahren aufgeben. Und nun zum Jahresbeginn hat die in Leeds angesiedelte 1935 von Frank Jessop gegründete Fotohandelskette ihren Todesstoss erhalten. War das Unternehmen 2004 noch erfolgreich an die Börse gebracht worden, so konnte es 2009 nur durch eine Übernahme durch die Hausbank und ein De-Listing von der Börse vorläufig gerettet werden. Selbst die von einem japanischen Kamerahersteller bereitgestellten 10 Millionen Pfund konnten das Unternehmen, das in Grossbritannien über 40% Marktanteil besass, nicht mehr retten. Das vergangene Weihnachtsgeschäft muss sehr enttäuschend verlaufen sein, obwohl man in grösserem Umfange Geschenkgutscheine verkaufen konnte, die jetzt nicht mehr eingelöst werden können und Teil der Konkursmasse sind. Auch alle bar geleisteten Anzahlungen auf Bestellungen finden sich jetzt in der Insolvenz. Bei Zahlungen per Kreditkarte empfiehlt Jessops’ Konkursverwalter von Pricewaterhouse Coopers LLP (PWC) die Kreditkartenorganisation wegen einer Stornierung der Zahlung anzusprechen.

Komplizierter scheint der Fall bei Reparaturen, soweit sie ablaufbedingt in den Ladengeschäften von Jessops lagen. Die externen Reparaturwerkstätten wurden beauftragt, mit den Eigentümern der Reparaturfälle direkt Kontakt aufzunehmen. Anzahlungen und Preisvereinbarungen für die Reparaturen sind mit der Insolvenz jedoch hinfällig.

Ähnlich sieht die Situation bei Fotoarbeiten aus, die bei Schliessung der Ladenlokale Ende der vergangenen Woche noch nicht abgeholt waren. Neben Ladengeschäften wurde auch die Online-Präsenz des Unternehmens geschlossen.

Der Untergang des Unternehmens kam zwar nicht unerwartet, aber doch so unvermittelt, dass ein Jessops-Mitarbeiter, der auf dem Weg zur PMA war, dort feststellen musste, dass seine Firmenkreditkarte gesperrt wurde. Ingesamt verlieren mit der Insolvenz mindestens 1400 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz. Manche Quellen sprechen sogar von 2000 Jobverlusten, wenn das Unternehmen abgewickelt ist. Für eine Weiterführung war kein möglicher Investor zu finden, da Jessops schon im vergangenen Jahr seine Ziele nicht erreichen konnte und die Prognose für 2013 noch schlechter ausfiel.

Die Jessops-Insolvenz ist ein deutliches Zeichen für die aktuellen Umwälzungen im Detailhandel. Auf der einen Seite gibt es ein drückendes Überangebot an Waren und auf der anderen Seite halten die Kunden ihr Geld zusammen und stellen so manchen Kauf zurück. Und die Kunden, die noch über ausreichend Geld verfügen, sparen sich oftmals die Zeit, in ein Ladengeschäft zu gehen und bestellen online.

Dem Druck der Onlineversender können viele Ladenketten jedoch letztlich nicht standhalten. Es ist nicht allein der als Buchhändler gestartete US-amerikanische Handelskonzern Amazon, der dem stationären Handel das Leben schwer macht. Es sind die unzähligen virtuellen Detailhändler, die oftmals gar kein eigenes Warenlager unterhalten. Sei es, dass sie direkt an das Warenwirtschaftsystem eines Grosshändlers angebunden sind, sei es dass sie die Dienstleistungen im Rahmen des Marketplace von Amazon nutzen.

Eine zunehmende Zahl Versender operiert zudem von den Kanalinseln, versenden die Rechnung online und sparen sich so die Umsatzsteuer. Guernsey und Jersey ist weder Teil des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Nordirland, noch ist die Insel Teil der EU, hat aber ein Freihandelsabkommen mit Brüssel. Da sowohl Guernsey als auch Jersey keine Mehrwertsteuer (VAT) kennen, haben sich dort zahlreiche Unternehmen der Fulfillment-Branche angesiedelt, die somit Waren deutlich günstiger liefern können, als Unternehmen innerhalb der EU. Teilweise erfolgt sogar nur die Rechnungsstellung online aus Guernsey oder Jersey und die Auslieferung ohne beigelegte Rechnung ab Lager in der Schweiz, ohne dass der Schweizer Absender für den Konsumenten als solcher erkennbar ist.

Die Hersteller stecken inzwischen in einem kaum lösbaren Dilemma. Ignorieren sie den Onlinehandel (mit Amazon an der Spitze), so verlieren sie einen markanten Umsatzanteil. Verlieren sie den stationären Handel, so verlieren sie die Präsenz vor Ort. Also stützt man den Detailhandel mit den Geldern, die man in der Vergangenheit für Werbung ausgeben hat. Das wirkt sich auch stark auf die relevanten Informationsmedien aus, die aufgrund der fehlenden Insertionen aufgeben oder zumindest kürzer treten müssen.

Da sich der gesamte Wandel im Rahmen der Globalisierung und der zunehmenden Ausrichtung an visionslosen reinen Marktdaten gerade bei fehlendem Wachstum rapide beschleunigt, muss man damit rechnen, dass Schaufenster mit Fotoapparaten und die persönliche Beratung in einem Fotofachgeschäft in naher Zukunft immer seltener werden.

Christoph Jehle

Weitere Details über die Massnahmen der konkursiten Jessops finden Sie unter www.jessops.com

Zum Thema: Heutiger Artikel auf nzz.ch «Existenzkrise im US-Detailhandel»

Update 15.01.2013, 15:35

FNAC steht zum Verkauf und Thalia strauchelt

FNAC, bislang ein Teil des französischen PPR-Konzerns (ehemals «Pinault-Printemps-Redoute») soll nach Aussagen von François-Henri Pinault, Chairman und CEO von PPR in diesem Jahr verkauft werden. Sie könne dann ihr Wachstumspotential besser ausschöpfen.

Zu Ende mit dem Wachstum ist es auch bei dem deutschen Medienhaus Thalia. Nach der Übernahme des Mutterkonzern Douglas durch den US-amerikanischen Investor Advent werden die Thalia-Filialen weiter verkleinert. In vielen Städten hatte man den lokalen Buchhandel mit teilweise wenig diplomatischen Mitteln verdrängt. Heute, da der Kunde vielerorts keine Wahl zwischen mehreren Buchhandlungen hat, wählt er gleich online zwischen Amazon oder Abe-Books, einer Amazon-Tochter. Der amerikanische Händler arbeitet bis heute ohne Gewinn, aber mit der Hoffnung, dass er in Zukunft als Online-Handels-Infrastruktur-Monopolist von jedem Online-Händler seine Maut bekommt. ChJ

 

 

7 Kommentare zu “Die britische Fachhandelskette Jessops muss aufgeben”

  1. Mit HMV (http://www.guardian.co.uk/business/2013/jan/14/hmv-prepares-call-administrators) stehen die nächsten 4500 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Anfang war die französische Niederlassung von Virgin Megastores in die Insolvenz gerutscht (http://www.nzz.ch/aktuell/wirtschaft/wirtschaftsnachrichten/konkursverfahren-ueber-virgin-megastore-1.17928348). Die französische FNAC scheint demnach einen schweren Stand zu haben.
    Der Systemwandel im Detailhandel wird sich schon in Kürze nicht nur im Strassenbild, sondern auch im Steueraufkommen zeigen.

    Im Grunde ist solch ein Wandel nichts Besonderes. Benzin gibt es schon lange nicht mehr in der Apotheke. Nur die Preise scheint man tradiert zu haben.

  2. Ich pflichte Herrn Przewrocki bei. Der Hersteller wird sich in Zukunft „Instore“ Präsenz bei Retailern kaufen und im Anschluss selber bewirtschaften. Der Absatzkanal wird so nachhaltiger bewirtschaftet – und kontrolliert. So können Werbegelder und Abverkaufsaktivitäten kundennäher umgesetzt (Abstimmung Stationärer Handel / Internetverkauf) werden – und die Preishoheit bleibt ebenfalls beim Hersteller.

  3. Es könnte auch duchaus völlig andere Vertriebsmodelle geben. So ist es im Bereich der Büromaschinen heute durchaus gängig, dass die Geräte nicht mehr verkauft werden, sondern nur der Nutzen berechnet wird. Dies erfolgt beispielsweise vielfach schon bei Fotokopierern und bietet dem Nutzer den Vorteil, dass in einem Vorgang auch die Urheberrechtsabgabe bezahlt und abgeführt werden kann. Bei Kameras und Objektiven könnten die Aufnahmen berechnet werden. Immer mehr Kameras sind ja schon online.

  4. Die Läden-auch Profifothändler-sind doch total überlastet. Gut sind die temporär auftretenden geschulten Markenvertreter.

  5. Die Promotoren arbeiten meist für spezialiserte Agenturen und beraten grundsätzlich im Interesse der jeweiligen Auftraggeber. Für eine Fehlberatung durch einen Promotor können Sie aber niemand belangen. Der tritt, wie Sie sagen, nur temporär auf und ist dann wieder weg.

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