Urs Tillmanns, 5. Oktober 2014, 10:37 Uhr

Professionell Blitzen – dort wo es keinen Strom gibt

Prototo Off_Camera_Flash-SetDas Licht, welches sich der Fotograf in seinem Studio gewohnt ist, auch draussen, dort wo es keinen Strom hat, verwenden zu können, ist für viele Fotografen noch ein Wunschtraum. Die Profoto Akku-Blitzleuchte B1 macht es möglich. Peter und Ursula Schäublin haben das Gerät in verschiedensten Aufnahmesituationen getestet. Lesen Sie hier ihren Erfahrungsbericht.

 

Unser Geschirrspüler hat nach 15 Jahren seinen Geist aufgegeben. Wir gehen zum Fachhändler, schauen uns die neuen Modelle an und haben den Verdacht, dass uns unsere Augen anlügen: Nach 15 Jahren sieht das Nachfolgemodell unseres Geschirrspülers immer noch genau gleich aus wie unser altes Gerät zu Hause. Keine Verbesserungen, keine Innovation. Ich merke, wie der Puls meiner Liebsten steigt. Sie murmelt Worte wie «unverschämt», «Zumutung», «Frechheit» und ähnliches. Um es kurz zu machen: Wir haben die Marke gewechselt und einen Anbieter gefunden, der die letzten 15 Jahre nicht verschlafen, sondern seine Geräte permanent weiterentwickelt hat.

Die Fotobranche schläft nicht. In der Fotobranche existieren keine solch trägen Marken. Sie könnten bei dem Innovationstempo der letzten Jahre gar nicht überleben. Ob dieses horrende Tempo gesund ist, sei jetzt einmal dahingestellt, da es nicht Thema dieses Artikels ist. Fakt ist aber, dass für den Anwender fototechnischer Geräte immer neue und faszinierende Modelle auf den Markt kommen, die seine Möglichkeiten erweitern. Auch im Bereich der Blitze hat sich einiges an Innovativem getan.

 

Doch – braucht es überhaupt noch Blitzanlagen?

Mit den heutigen Sensoren kann man die ISO-Empfindlichkeit in schwindelerregende Höhen schrauben, ohne wirklich grosse Qualitätseinbussen in Kauf nehmen zu müssen. Wozu braucht man da noch eine Blitzanlage? Vielleicht mal einen Aufsteckblitz, um ein wenig aufzuhellen. Und wenn schon kann man ja mit viel günstigerem Dauerlicht arbeiten und nachher einen eventuellen Farbstich in der Postproduction ausgleichen. Doch beim Betrachten der Bilder von anderen Fotografen beschlich mich immer wieder dieses seltsame Gefühl, dass deren Bilder doch einen Tick knackiger wirken. Lag das vielleicht am Einsatz einer Blitzanlage? Ich stehe vor der Wahl: Viele schlaflose Nächte, in denen ich mich mit dieser Frage im Bett wälzen würde oder einfach mal probieren. Das Recherchieren beginnt. Denn – welche Blitzanlage würde meinen Bedürfnissen entsprechen? Ich fotografiere eigentlich immer on location, in einem geeigneten Gebäude oder Outdoor. Steckdose ist da manchmal Fehlanzeige. Deshalb war für mich klar, dass eine Blitzanlage für meine Bedürfnisse auch ohne Strom aus dem Netz auskommen muss.

Prototo Off_Camera_Flash-Set

Das Studio im Rucksack: Profoto Off-Camera-Flash-Set mit zwei Profoto B1, Ladegerät und Autoladegerät  (Bild: Profoto)

 

Keine Kabel und erst noch TTL

Irgendwann lande ich auf der Profoto-Website und lese mit grosser Neugier die Spezifikationen des B1. Profoto spricht übrigens nicht von einem Studioblitz, sondern von einem «Off-Camera-Flash». Dies, weil die Blitzeinheit komplett kabellos funktioniert: Strom wird von einem leistungsfähigen eingebauten Akku geliefert. Die Verbindung zur Kamera erfolgt über einen Wireless-Transmitter, der bei Canon- und Nikon-Kameras sogar über eine TTL-Funktion verfügt. Es geht nicht lange, und in unserem Atelier steht ein schickes Rucksäckli mit zwei B1-Köpfen und etwas Zubehör. Es ist ein warmer Sommertag, und ich möchte mein liebstes Fotomodel im Feigenbusch mit Gegenlicht fotografieren. Gebrauchsanweisungen lese ich – wie wohl die meisten Leser dieser Zeilen – höchst ungern. Also: Canon EOS 5D MkIII mit dem 1.2/85mm bestücken, den Wireless-Connector «Air Remote TTL-C» in den Blitzschuh stecken und zusammen mit den zwei Blitzköpfen raus in den Garten. Der upgradegeschädigte Konsument nimmt mit grossem Wohlwollen wahr, dass Profoto seine Befestigungsringe für Softboxen so ausgelegt hat, dass auch Fremdprodukte ins System integriert werden können. So erwachen meine betagten Photoflex-Softboxen aus dem Dornröschenschlaf.

Profoto Air Remote Set

Der Profoto Air Remote TTL-C (für Canon) oder TTL-N (für Nikon) wird einfach auf den Blitzschuh montiert, und schon kann der Fotograf alle Blitzgeräte von seiner Kamera aus steuern (Bild: Profoto)

 

Just do it

Ich gebe zu – ich habe Respekt vor dem Arbeiten mit so grossen Blitzen. Ein Profoto B1 liefert rund zehnmal so viel Leistung wie ein starker Aufsteckblitz. Doch irgendwie wirkt die Profoto-Anlage vertrauenserweckend. Mein Model lächelt mich an, und ich drücke ab. Mit einem leichten «Plop» entladen sich die Kondensatoren und hüllen die Szene für den Bruchteil einer Sekunde in helles Licht. Ich habe eine grosse Softbox hinter Ursula aufgebaut, um strahlendes Gegenlicht zu simulieren. Der zweite B1 sorgt von vorn für das Aufhelllicht. Das Resultat ist beeindruckend. Hier zum Vergleich ein Bild mit und ohne Blitz:

Profoto B1 Ursula

Erste Testaufnahmen draussen im Garten. Mit einer Softbox im Hintergrund entsteht mit Blitz eine extreme Gegenlichtsituation, welche die TTL-Steuerung problemlos bewältigt

Das macht richtig Spass. Genau so habe ich mir das Bild vorgestellt. Gleissendes Licht von hinten, Überstrahlungen, Flares. Die TTL-Messung arbeitet korrekt, doch ich möchte Überstrahlungen. Also raus aus dem TTL-Modus, rein in den Manual Mode. Über das Air Remote TTL-Modul an meiner Canon kann ich die Blitze von der Kamera aus steuern: Leistung rauf oder runter, Model-Licht ein oder aus, und ich kann die B1 sogar komplett aus- oder einschalten. Diesen Bedienungskomfort lernt man hauptsächlich schätzen, wenn die Blitze weit auseinander stehen oder nicht so gut zugänglich sind. Bewusst gehe ich in den High-Key-Bereich, und weitere Bilder entstehen.

 

Zufall oder höhere Fügung?

Nicht zum ersten Mal erlebe ich, dass genau dann, wenn ich ein Gerät im Testeinsatz habe, ein perfekt darauf zugeschnittener Auftrag ins Haus flattert. Ein Kunde möchte eine Reihe von Personenaufnahmen mit neutralem Hintergrund realisieren. Dabei sollen Laienmodels zum Einsatz kommen. Schnell wird klar: Für dieses Shooting ist unser Ministudio zu klein. Eine Kirchgemeinde stellt uns einen grossen Raum zur Verfügung, und am Tag X bauen wir unser mobiles Studio auf. An zwei Nachmittagen entstehen rund 2500 Bilder.

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Im improvisierten Studio beim Kunden entstehen mit den zwei Profoto B1 Blitzgeräten an zwei Nachmittagen rund 2500 Bilder. Mehr Bilder aus diesem Shooting auf www.720.ch

Die Profoto B1 arbeiten klaglos. Hier haben wir Strom, und so hängen wir laufend einen dritten Akku ins Netz. Sobald einer der im Einsatz stehenden Batterien zu zwei Dritteln leer ist, wechseln wir. Das Licht pegle ich manuell ein. Die TTL-Lichtmessung arbeitet so sensibel, dass schon eine Drehung des Models, die den dunklen Anteil im Bild z.B. durch ein Kleidungsstück erhöht, die Blitzleistung beeinflusst. Das ist natürlich nicht in meinem Sinn. Wenn der Blitz die dominierende Lichtquelle ist, scheint mir der Manual-Mode sowieso sinnvoller: Einmal Licht einpegeln und dann einfach fotografieren. Es liegen keine Kabel herum, die man kaschieren muss oder über die Models stolpern können. Dank der kabellosen Verbindung zur Kamera kann ich mich schnell und mühelos im Set bewegen.

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Morgens um 5 beim Biobauern

Ein paar Tage später klingelt der Wecker um 4 Uhr in der Früh. Altra Schaffhausen möchte ein Keyvisual für ihren Bio-Gemüse-Lieferservice erstellen lassen. Dafür dürfen wir ein Kistchen mit frischem Gemüse im ersten Morgenlicht fotografieren. Strom ist auf dem Feld keiner anzutreffen. Also kommen die Profoto B1 schon zu ihrem nächsten Einsatz. Sie unterstützen das natürliche Sonnenlicht und geben dem frischen Grünzeug lichttechnisch noch den finalen Schliff.

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Early-Morning Shooting beim Biobauern: vor den ersten Sonnenstrahlen werden alle Vorbereitungen getroffen

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Das Zeitfenster der ersten Sonnenstrahlen ist kurz. Mit der Profoto B1 und einer Softbox wird der Gemüsekorb aufgehellt. Mehr Bilder aus diesem Shooting auf www.720.ch

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Das Ergebnis, wie es dem Kunden für eine Werbetafel an den Stadtbussen abgeliefert wurde.

 

Das Tessin ruft

Im Juli und August sind wir mit der Hasselblad H5D-50c in Island unterwegs und setzen ein sehr spannendes Fotokunstprojekt um. Ein Testbericht und mehr Informationen dazu folgen in einem späteren Artikel. Kaum zurück aus dem kalten Norden geht es in den warmen Süden: Casa Moscia und Campo Rasa, zwei sehr unterschiedliche Hotels/Seminarhäuser im Tessin, haben uns für ein Fotoshooting gebucht. Für die neue Homepage und Prospekte soll ein bunter Strauss an Bildmaterial realisiert werden. Die zwei Profoto B1 fahren auch mit in den Süden. Neu dabei sind zwei grosse Lichtschirme mit 165 cm Durchmesser. Ich bevorzuge runde Punkte in den Augen der Models, deshalb möchte ich mit den Schirmen anstelle der Softboxen arbeiten. Das Gestalten mit verschiedenen Lichtformern macht viel Spass. Fotografieren kommt ja von «Fotografare» – Malen mit Licht. Und sobald ich nicht nur einfach mit Umgebungslicht arbeite, sondern bewusst und kreativ das vorhandene Licht ergänze oder eine eigene Lichtsituation schaffe, bin ich am Puls und Ursprung des Mediums Fotografie.

Profoto B1 CampoRasa

Das Profoto B1 mit dem grossen Reflexschirm im Gelände. Die Aufhellung wirkt dezent und natürlich, obwohl es ein grauer Tag mit bedecktem Himmel war. Die Sonne kommt aus dem Akku …

In den nächsten Tagen setzen wir die B1 bei vielen Bildern zum Aufhellen von Schattenpartien oder zum Setzen von Lichtglanzpunkten ein. In Rasa arbeiten wir teilweise so extrem an der Halde, dass die Blitzstative von jemandem gehalten werden müssen. Bitter ist, dass es uns die Stative mit den Schirmen einige Male umweht und einer der Schirme kaputtgeht. Die filigranen Dinger sind nicht so hart im Nehmen wie die Softboxen. Hier würde ich mir etwas mehr Stabilität wünschen. Die Profoto B1 erlauben uns ein sehr schnelles Arbeiten. Licht setzen, fotografieren, weiter zum nächsten Set. Ohne den Kabelsalat und die schweren externen Akkus sind wir sehr effizient, und in fünf Shootingtagen entsteht ein umfangreicher Katalog an Bildern. Der Kunde ist hell begeistert vom Resultat, was uns natürlich auch glücklich macht.

profoto b1 Waldszene

Die «Wanderer» gönnen sich eine Pause. Eine heikle Gegenlichtsituation, optimal mit einem Profoto B1 und einem 165 cm Lichtschirm aufgehellt. Wo ist eigentlich die nächste Steckdose? Mehr Fotos von diesem Shooting auf www.720.ch

 

Fazit

Nach wenigen Aufträgen ist das Arbeiten mit den beiden B1 für mich so Gewohnheit, dass die ganzen Einstellungen automatisch erfolgen. Das Blitzlicht bringt tatsächlich den zusätzlichen Effekt an Brillanz, den ich mir erwünscht habe. Profoto behauptet ja, dass Kenner sofort sähen, ob ein Bild mit ihren Geräten oder mit denjenigen eines anderen Herstellers ausgeleuchtet worden sei. So weit würde ich mich nicht aus dem Fenster lehnen. Doch meines Erachtens bringt das Blitzlicht – zumindest bei Personenshootings – im Vergleich zum Dauerlicht ein qualitativ besseres Ergebnis.

Die Profoto B1 sind nicht mehr aus unserem Fotografiealltag wegzudenken. Mit ihrem einfachen Handling, ihrer Kompaktheit und ihrer Zuverlässigkeit haben sie uns so überzeugt, dass wir zwei B1 gekauft haben. Einziger Wermutstropfen ist, dass die Synchronisation bei kurzen Verschlusszeiten noch nicht klappt. Es sei ein Firmware-Update in Vorbereitung, das dieses Problem lösen werde, wurde mir beim Kauf mitgeteilt. An der Photokina habe ich mich am Profoto-Stand nochmals erkundigt, wann dieses Feature denn nun verfügbar sein wird. Mit einem eher verzweifelten Lächeln hat mir der Verkaufsberater beschieden, die Probleme bei der Anpassung der Software für diese Kurzzeitsynchronisierung seien wohl doch grösser als zuerst gedacht, und er könne keinen verbindlichen Termin nennen, wann das versprochene Firmware-Update käme. Wer draussen bei hellem Licht mit voll offener Blende ein Peopleshooting macht und blitzen will, kann sich ja noch mit ND-Filtern behelfen, um die Verschlusszeit auf 1/250 Sek. oder länger zu drücken. Bei der Sportfotografie ist dann aber die Trickkiste erschöpft, und die B1 müssen das Feld der Konkurrenz überlassen. Wenn Profoto dieses Manko noch ausmerzt, ist der B1 aus meiner Sicht ein wohl kaum zu schlagendes Produkt, wenn ein vielseitiges, studiounabhängiges und hochwertiges Blitzsystem gesucht wird. Es gibt sicher günstigere Systeme, doch im Vergleich zu den Kosten anderer Komponenten des Kameraequipments sind die Anschaffungskosten im Rahmen. Eine Möglichkeit wäre zudem, dass zwei engagierte Fotografen sich zusammentun, jeder kauft einen B1 und sie helfen sich gegenseitig bei Bedarf mit den Geräten aus. Profis werden zudem schätzen, dass Profoto weltweit so verbreitet ist, dass man an vielen Orten seine Ausrüstung mit Mietequipment ergänzen oder für eventuell defekte Generatoren Ersatz anmieten kann.

Profoto B1 Katze

Spiel mit den Reflexen: Um ein knackigeres Licht und interessante Reflexe in den Augen der jungen Katzen zu erhalten, hat Peter Schäublin diese Aufnahme mit dem Umbrella Silver XL realisiert.

 

And the story goes on

Unsere neue, innovative Geschirrspülmaschine ist unterdessen montiert und arbeitet zu unserer vollsten Zufriedenheit. Die Profoto B1-Geräte sind fast jede Woche im Einsatz, so zuletzt bei einem Fototermin von zwei Kandidaten für das Stadtpräsidenten- und das Stadtratsamt in Schaffhausen. Für’s Shooting haben wir uns morgens um sechs mitten im Herzen der Schaffhauser Altstadt mit den Kandidaten verabredet. Die Stadt schläft noch, was uns aber nicht stört – wir brauchen ja keinen Netzstrom und keine Kabel fürs Shooting …

Text und Bilder: Peter und Ursula Schäublin
Konzepter, Grafiker, Texter und Fotograf, Inhaber des Werbe- und Grafikateliers 720 Grad GmbH.

Profoto B1 P und U Schaeublin

Pause nach fünf Tagen Fotoshooting im Tessin: Peter und Ursula Schäublin

 

 

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